Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Weihnachtsansprache angesichts der Trauer um die Toten vom Anschlag in Magdeburg zu Einigkeit aufgerufen. „Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben“, sagte Steinmeier in der vorab veröffentlichten Ansprache. „Lassen wir uns nicht auseinandertreiben. Stehen wir zusammen.“
An diesem Weihnachtsfest werde vielen Menschen das Herz schwer sein, sagte er. Viele seien aufgewühlt und verunsichert, hätten vielleicht auch Angst. „All diese Gefühle sind verständlich. Aber sie dürfen uns nicht beherrschen, und sie dürfen uns nicht lähmen“, sagte der Bundespräsident. Steinmeier hatte wegen des Anschlags in Magdeburg seine ursprünglich geplante Ansprache geändert und eine neue Fassung aufgenommen. Sie wird an diesem Dienstag ausgestrahlt.
Bei dem Angriff in Magdeburg war ein Mann am vergangenen Freitagabend mit einem Auto durch den Weihnachtsmarkt der Stadt gefahren und hatte dabei fünf Menschen getötet. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt, einige schwer. Die Motive des aus Saudi-Arabien stammenden mutmaßlichen Täters, der seit 2006 in Deutschland lebte und sich online als Islamgegner äußerte, sind noch unklar. Er wurde nach dem Anschlag festgenommen und befindet sich in Untersuchungshaft.
Bruch der Ampelkoalition „nicht das Ende der Welt“
Der Bundespräsident ging in der Ansprache auch auf den Bruch der Ampelkoalition Anfang November ein. „Auch wenn jetzt eine Regierung vorzeitig an ihr Ende gekommen ist, ist das nicht das Ende der Welt, sondern ein Fall, für den dieses Grundgesetz Vorsorge getroffen hat“, sagte Steinmeier. „Die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages und über Neuwahlen werde ich mit Sorgfalt nach den Weihnachtstagen treffen.“ Zuvor war bekannt geworden, dass der Bundespräsident am 27. Dezember darüber entscheiden will. Die Neuwahl wird für den 23. Februar 2025 erwartet.
Steinmeier rief die Menschen in Deutschland angesichts zahlreicher
Krisen und Herausforderungen auf, sich auf die Stärken zu besinnen, „mit
denen wir schon in der Vergangenheit große Aufgaben und Krisen
gemeinsam gemeistert haben“. Er nannte Gemeinsinn und Tatkraft,
Ideenreichtum und Fleiß, Mut und Ehrgeiz sowie Vertrauen in uns selbst.
„All das ist doch bei uns nicht verloren gegangen, all das ist doch
lebendig, all dem begegne ich ja fast täglich, und ich bin überzeugt:
All das wird uns Wege in die Zukunft immer wieder neu öffnen.“
Der Ton im Alltag sei „rauer geworden“
Der
Bundespräsident verwies in diesem Zusammenhang auf die Kriege in der
Ukraine, im Nahen Osten und an viel zu vielen Orten in der Welt. Im
eigenen Land gebe es viel Unzufriedenheit über Politik, Wirtschaft,
Bürokratie und Ungerechtigkeiten. „Der Ton in unserem Land ist im Alltag
rauer geworden, zuweilen sogar unversöhnlich.“
Es
gebe viele Herausforderungen, denen man sich stellen müsse, sagte
Steinmeier. „Wir müssen offen aussprechen, was schlecht läuft, was in
unserem Land nicht so funktioniert, wie es funktionieren könnte und
sollte. Und vor allem: Was dringend getan werden muss.“
Steinmeier
machte jungen Menschen Mut: „Ihr werdet gebraucht, an vielen Stellen
geradezu händeringend gesucht. Und deshalb sage ich auch den Eltern und
Großeltern, die sich um ihre Kinder und Enkel Sorgen machen: Die jungen
Menschen können, ich bin überzeugt, sie werden ihren Weg gehen.“
Ehrenamtliche „geben unserem Land Wärme“
Steinmeier
dankte den vielen ehrenamtlich Engagierten – „all diese wunderbaren
Menschen, die an mehr denken als nur an sich selbst“, wie er sagte. „All
die leisten Großartiges – und sie geben unserem Land Wärme und ein
freundliches Gesicht.“
Weihnachten erinnere uns daran, dass wir
nicht nur von dem leben, was wir selbst machen und bewirken können,
sagte Steinmeier. „Wir leben oft noch mehr von dem, was wir geschenkt
bekommen. Wir leben auch von manchem Guten, das uns unverhofft begegnet,
und von dem Glück, das andere uns bereiten.“
Bereits im vergangenen Jahr hatte Steinmeier die Bürgerinnen und Bürger in der Weihnachtsansprache zur Einigkeit aufgerufen. Damals thematisierte er den Hamas-Überfall auf Israel und den Krieg im Gazastreifen und warnte davor, sich zugunsten von „Wut und Verachtung“ von der Demokratie abzuwenden.