
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Wirbel um Weimer: Was von den Vorwürfen gegenüber The European publizistisch zu halten ist (Editorial) – und was Jurist und Medieninsider-Kolumnist Hermann von Engelbrechten in der Literatur dazu findet (direkt zum Artikel)
► „Neutralität unter Beschuss“: Hermann geht auch der Frage nach, ob ein Kioskbesitzer oder Krankenhausbetreiber mal eben einzelne Presseprodukte verbannen darf – und was die Frage mit dem Internet zu tun hat (direkt zum Artikel)
► Aufstieg aus der Creator Economy: Wie Finanzfluss aus einem YouTube-Kanal eine der relevantesten Finanzbildungsplattformen für die junge Zielgruppe geschaffen hat (direkt zum Artikel)
► Brisante Wendung in der Paid-Content-IVW: Erstmals ist die Gesamtzahl der digitalen Abos rückläufig – Kevin Siedler hat die Daten analysiert (direkt zum Artikel)
► Kill your darlings: Wie Bild-Chefin Marion Horn ihre eigene Autorisierungsregel untergräbt (am Ende des Newsletters)
Nicht nur eine Frage des Rechts: Was von den Vorwürfen gegenüber Wolfram Weimer publizistisch zu halten ist
Wie glaubwürdig kann man Google und Co. den Kampf ansagen, wenn man es selbst mit der Arbeit anderer nicht so genau nimmt?
Wolfram Weimer, Kultur- und Medienstaatsminister im Kabinett von Bundeskanzler Friedrich Merz, sieht sich seit dieser Woche in seiner Rolle als (pausierender) Verleger mit Vorwürfen konfrontiert, die man als nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Auf dem Online-Portal The European, das seit 2016 zur Weimer Media Group gehört, sollen zahlreiche Artikel bekannter Persönlichkeiten veröffentlicht worden sein, die sie gar nicht für das Portal verfasst haben. Vielmehr soll die Redaktion öffentliche Reden oder anderweitig publizierte Beiträge genommen und sie als Gastbeiträge online gestellt haben – ohne die Urheber zu fragen. Die Liste der vermeintlichen Autoren ist lang und bunt, reicht von Schauspieler Brad Pitt über Ex-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bis hin zu Papst Franziskus. Mit mehr als „2000 renommierten Autoren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft“ hat The European für sich geworben.
Für Weimer ist die Sache eklig. Denn in seiner Rolle als Staatsminister schießt er gerade lautstark gegen die großen Tech-Plattformen. Vor dem Hintergrund der Zusammenfassungen durch künstliche Intelligenz, für die Plattformen zum Teil ungefragt auf Inhalte zugreifen, spricht Weimer vom „geistigen Vampirismus“, kritisiert die „Goldgräberstimmung“ im Silicon Valley und in China auf Kosten von Kreativen. Man dürfe den „digitalen Kolonialismus“ nicht weiter dulden. Nun stehen die Worte im Widerspruch zum Vorgehen des Portals seiner Mediengruppe.
Dieses versuchte sich zu Anfang der Woche zu verteidigen. Die laut gewordenen Vorwürfe, Textdiebstahl begangen und Plagiate veröffentlicht zu haben, weist die Weimer Media Group zurück. Laut geworden waren sie zuvor durch AfD-Politikerin Alice Weidel, deren Texte ebenfalls verwendet worden sein sollen und dies nun juristisch prüfen lasse – offensichtlich ein Schritt, um politisches Kapital zu schlagen und dem politischen Gegner zu schaden.
Die Reaktion der Weimer Media Group, die Vorwürfe nun als Angriff auf die Pressefreiheit zu werten, scheint derweil ebenso übertrieben. Auch, die Welle der Empörung als rechte Kampagne abtun zu wollen, schadet mehr als zu helfen.
Es braucht keine künstlich empörte Alice Weidel, um das Vorgehen von The European zumindest journalistisch für unvertretbar zu halten. Auch wenn die Weiterverwertung mancher Reden keine gesonderte Zustimmung benötigen sollte – diese Rechtsauffassung vertritt die Weimer Media Group unter Berufung auf das Urheberrecht – bleibt es schlicht redaktionell billiges Vorgehen. In gewisser Weise hat The European nichts anderes gemacht, als völlig uneingeordnet PR für Politik zu machen. Die Urheber zu Gastautoren zu erklären, macht die Irreführung sogar noch schlimmer. Die Erklärung, dies alles zu dokumentarischen Zwecken getan zu haben, klingt ebenso vorgeschoben – vielleicht hätte sich das „Debatten-“ in „Dokumentationsportal“ umbenennen sollen.
Schließlich bleibt der Eindruck, dass es den The European-Machern um nichts anderes ging, als sich möglichst günstig Content zu verschaffen. In der Branche ist die Weimer Media Group bekannt dafür, redaktionell abzuspecken. The European war ein in der Vergangenheit viel beachtetes Beispiel dafür – wirtschaftliche Turbulenzen zuvor hin oder her.
Was heißt das nun für Weimer als Staatsminister? Er kann sich nicht darauf berufen, sich während seiner Amtszeit aus dem Verlag zurückgezogen und bei The European selbst keine operative Rolle gehabt zu haben. Es ist unwahrscheinlich, dass er als Verleger nicht in die Strategie eingebunden war. Seine Aussagen über die Tech-Plattformen und seine Analyse entwertet es im Inhalt trotzdem nicht.
Der Vorfall sollte aber auch Mahnung an die Branche sein: Wer sich durchsetzen und dabei seine Glaubwürdigkeit bewahren will, sollte selbst sauber handeln. Verständnis kann nur erwarten, wer selbst welches hat.
Bleibt die Frage, wie das Vorgehen rechtlich zu bewerten ist. Eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben – die Beiträge, die nun alle offline genommen wurden, scheinen vielfältig zu sein. Jeder muss einzeln bewertet werden. Jurist und Medieninsider-Kolumnist Hermann von Engelbrechten-Ilow hat dennoch einmal einen Blick in die Literatur geworfen und listet auf, was das Recht im Umgang mit Beiträgen Dritter eigentlich zulässt.
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Es gilt das gesprochene geschriebene Wort
Es passiert selten, dass sich Branchenkollegen neidisch über die Bild-Zeitung äußern. Insofern war auch Chefredakteurin Marion Horn im Sommer sichtlich erfreut, als dies auch noch auf offener Bühne geschah.
Beim Medienkongress von Horizont lobte Kerstin Münstermann Horns Entscheidung, Politiker-Interviews nicht mehr autorisieren zu lassen. Münstermann ist Mitglied der Chefredaktion der Rheinischen Post und leitet deren Parlamentsredaktion. Während der Diskussion über Wahrheit und Desinformation beklagte sie, dass Interviewpartner die Autorisierung viel zu häufig dazu nutzten, das Gespräch im Nachgang deutlich zu verändern. Horn hat die publizistische Macht ihrer Zeitung dazu genutzt, dem ein Ende zu setzen.
„Bild ist nicht die PR-Abteilung der Politik“, posaunte sie anschließend auch in einem Posting bei Linkedin. Auch sie erklärte: „Es hat sich eingeschlichen, dass Gesprächspartner unter ‚Autorisierung‘ verstehen, ihre Aussagen so zu verändern, dass es manchmal nur noch wenig mit dem zu tun hat, was tatsächlich gesagt wurde.“ Daher lautet die Devise nun: „Es gilt das gesprochene Wort.“
Umso überraschender ist ein Interview, das in dieser Woche in der Bild am Sonntag erschien.
Als Teil der Titelstory zur Regierungskrise veröffentlichte die BamS ein Gespräch mit Verteidigungsminister Boris Pistorius. Im Vorspann des Interviews heißt es:
„Bild konnte Pistorius kurz vor seiner Abreise ab heute Nachmittag nach Island und Kanada fünf schriftliche Fragen stellen…“
In der Autorenzeile des Interviews steht: Marion Horn. Nanu?
Dass ausgerechnet die Chefredakteurin die von ihr aufgestellte und gefeierte Regel bricht, überrascht. Wird das auch erklärt? Zumindest nicht gegenüber Medieninsider. Eine Anfrage ließ Bild erneut unbeantwortet.
Das war unsere Insider-Tour in München

Auftakt der Insider-Tour mit Markus Knall, Chefredakteur Ippen Media, Foto: Matthis Peterson
Einst tagten im Saal „Buttersack“ (benannt nach Merkur-Gründer Felix Buttersack) alte Verlagsgranden. Am Dienstag startete bei Ippen Media unsere zweite Insider-Tour, die wir der Zukunft der Medienindustrie unter Einfluss der KI-Revolution widmeten. Dort sowie bei GMX/Web.de und Google bekamen wir viele weitere Einblicke in Publisher-Strategien vom Spiegel, dem Bayerischen Rundfunk oder der Ebner Media Group. Es war ein volles Programm, das ganz im Zeichen des angeregten Austauschs stand. Ein paar Impressionen:

Einblick in das „Betriebssystem der Zukunft“: KI-Experte Markus Grabichler vom Spiegel, Foto: Matthis Peterson

GMX-Chefredakteur Thomas Rebbe im Gespräch, Foto: Matthis Peterson

Wie KI die Community stärkt: Cécile Schneider gab Einblicke in das AI Lab des Bayerischen Rundfunks, Foto: Matthis Peterson
Wir danken allen Speakern und vor allem unseren interessierten Gästen, die uns bei dieser Tour begleitet haben!
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