Die Savoy Operas von Gilbert & Sullivan sind so britisch wie der Five O’Clock Tea, Cricket oder das Königshaus. Das Gärtnerplatztheater bringt nun ein Exemplar dieser schwer exportierbaren Spielart der Operette heraus: „Die Piraten von Penzance“ von William Schwenck Gilbert (Text) und Arthur Sullivan, verantwortet vom britischen Duo Anthony Bramall (Musikalische Leitung) und Adam Cooper (Regie und Choreografie).
AZ: Herr Bramall, Sie haben vor 15 Jahren schon einmal die „Piraten von Penzance“ am Gärtnerplatz dirigiert. Haben Sie mit dem Stück noch eine Rechnung offen?
ANTHONY BRAMALL: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich versuche, bei jeder neuen Beschäftigung mit einer Partitur ganz von vorn zu beginnen. Denn es wäre schädlich, sich in unserer reproduzierenden Kunst selbst zu reproduzieren. Außerdem empfand ich unsere gemeinsame Arbeit an den „Piraten von Penzance“ als sehr befruchtend.
Jeder halbwegs an Musik Interessierte kann Melodien von Franz Lehár oder Jacques Offenbach nachsingen. Können Briten das auch mit Nummern von Arthur Sullivan?
BRAMALL: Den „Modern Major-General’s Song“ aus den „Piraten“ ist im englischen Sprachraum sehr populär. Er wird in der Werbung häufig benutzt und war auch schon bei den Simpsons zu hören.ADAM COOPER: Die Savoy Operas sind ein Teil des britischen Kulturerbes, aber man sollte die Zahl der Aufführungen nicht überschätzen. Die D’Oyly Carte Opera Company im Savoy Theatre im Londoner West End war lange Zeit auf ihre Werke spezialisiert – eine Art von Bayreuth für Gilbert & Sullivan. Es gibt einen Kanon von sechs oder sieben Werken, der auch in der English National Opera zu sehen ist, außerdem gab es immer auch sehr viele Amateur-Aufführungen, etwa von „The Mikado“.
Die „Piraten von Penzance“ wurden im vergangenen Jahrzehnt in Deutschland vergleichsweise oft gespielt. Liegt das an dieser Operette oder am „Fluch der Karibik“?
BRAMALL: An der Musik, weil die unglaublich gut ist. Und es ist ein sehr gutes Stück. Um es in einem Vergleich zu sagen: Carl Zellers „Der Vogelhändler“, den ich zuletzt hier dirigiert habe, ist gut. Aber die „Piraten“ sind im Vergleich dazu brillant, wie von Mozart und Da Ponte. Oder Stephen Sondheim.
COOPER: Natürlich haben Johnny Depp & Co. das Interesse an Piraten noch einmal verstärkt. In manchen Inszenierungen sieht der Piratenkönig auch aus wie Jack Sparrow. Und gibt es in Deutschland nicht auch eine Piratenpartei?
Der Humor dieser Operette von Gilbert & Sullivan gilt als typisch britisch. Was zeichnet diese spezielle Form von Komik aus?
BRAMALL: Etwas komplett Absurdes zu tun, als sei es die normalste Sache der Welt. Allerdings gibt es das auch in Deutschland: bei Loriot. Und ich vermute, diese Form von Humor hat auch mit der britischen Klassengesellschaft zu tun, weil diese Form in den englischen Universitäten entstanden ist. Es ist ein leicht elitärer, intellektueller Humor, der auf einem gemeinsamen Informationsstand basiert – wie etwa der bekannte Witz über die Judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa aus „Das Leben des Brian“, der eine Bekanntschaft mit linken Splittergruppen voraussetzt.
Wie schaut’s mit dem britischen Humor in den „Piraten“ aus?
COOPER: Wir halten uns an Anthony Bramalls Maxime und nehmen eine lächerliche Geschichte ganz ernst. Die Operette handelt von einem Frederic, der an seinem 21. Geburtstag seine Lehrzeit bei den Piraten beendet und feststellt, dass er streng genommen 5¼ Jahre alt ist, da er in einem Schaltjahr geboren wurde. Außerdem beschäftigt sich das Stück satirisch mit dem Establishment wie der Polizei und der Armee.
Verträgt das ein Update auf die Gegenwart?
COOPER: Eine Savoy Opera bezieht einen Teil ihres Charmes aus der Entstehungszeit. Das sollte man nicht ruinieren. Allerdings spielen die „Piraten von Penzance“ eigentlich nur in zwei Räumen. Das haben wir mit Hilfe der Drehbühne belebt, um mehr Schauplätze zu zeigen. Wir haben allerdings darauf verzichtet, Musikstücke aus anderen Werken von Gilbert & Sullivan einzufügen, wie es teilweise üblich ist. Denn wir finden, dass die „Piraten“ solche Verbesserungen nicht nötig haben.
Ist es nicht absurd, dass beim Duo Gilbert & Sullivan der Komponist erst an zweiter Stelle genannt wird?
BRAMALL: Die beiden inspirierten sich wechselseitig. Auch Mozart ließ sich von Lorenzo da Ponte beeinflussen. Puccini konnte ohne guten Text auch keine gute Musik komponieren. Arthur Sullivan hat in Leipzig studiert. Und diese romantische Schulung hört man zwischen den Notenzeilen auch heraus. Denn so sehr die Musik nach Offenbach klingt: Ihre Harmonik ist viel komplexer. Ich würde sogar den Einfluss von Bach heraushören. Aber wirklich groß war Sullivan erst in der Zusammenarbeit mit William Schwenck Gilbert.
Die Geschichte spielt an der Küste von Cornwall. Ich hätte Piraten jetzt eher in der Karibik vermutet.
COOPER: Penzance war tatsächlich ein Piraten-Stützpunkt, allerdings 200 Jahre vor Gilbert & Sullivan. Danach wurde in der Gegend viel Cognac und Rum über den Kanal geschmuggelt, weil Alkohol in England immer stark besteuert wurde.
BRAMALL: Auch die 1916 in Leipzig uraufgeführte Oper „Strandrecht“ („The Wreckers“) von Ethel Smyth, der zuletzt wieder mehr beachteten Komponistin und Frauenrechtlerin, spielt in dieser Gegend. Sie handelt von Fischern, die von allem leben, was das Meer ausspuckt. Das ist auch der historische Hintergrund der „Piraten von Penzance“.
Lässt sich das alles ins Deutsche übertragen?
BRAMALL: Wir verwenden die gleiche Übersetzung wie 2009, allerdings habe ich diesmal noch mehr Details verändert, in denen meiner Ansicht nach die Pointe des Originals verfehlt wurde. Das haben wir lustiger gemacht.
COOPER: Es gibt allerdings Witze, die nur auf Englisch funktioniere, wie die Missverständnisse, die durch die vor allem von der Upper Class gleich ausgesprochenen Worte „orphan“ (Waise) und „often“ (oft) entstehen.
Sie sind nicht nur Regisseur, sondern auch Choreograf. Ein Ballett haben Gilbert & Sullivan allerdings vergessen.
COOPER: Das stimmt. Aber ich möchte beim Inszenieren die Darsteller dazu anregen, mit vollem Körpereinsatz zu spielen. Das ist vor allem in der Komödie wichtig. Und daher hat es mich sehr gefreut, dass sich unsere Besetzung und der Chor voll darauf eingelassen haben. Daher gibt es viele choreografische Momente auch ohne Tanz.
Gibt es Beispiele für deutschen Humor, den Sie lustig finden?
COOPER: Dafür ist mein Deutsch zu schwach.
BRAMALL: Ich finde die „heute show“ des ZDF lustig. Das ist intelligenter deutscher Humor.
Premiere am 29. November, 19.30 Uhr, im Gärtnerplatztheater. Weitere Vorstellungen am 3., 11., 21. und 28. Dezember sowie im Januar und im März.
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