Was Eltern nachts über Genügsamkeit lernen können

Es gibt Momente, da muss man sich entscheiden: Gibt man sich mit der aktuellen Lage zufrieden, oder geht man ins Risiko – und verliert im schlimmsten Fall ­alles? Oft weiß man Dinge ja erst zu schätzen, wenn man nur noch an sie zurückdenken kann: Eigentlich war er doch perfekt, der aus früherer Sicht nur mittelmäßige Status quo. Als Elternteil erlebt man das zum Beispiel, wenn man nachts das Baby durch dunkle Straßen trägt, Wind und Nieselregen einem ins Gesicht peitschen.

Irgendwann schläft das Kind endlich, man kann zurück in die warme Wohnung, die Uhr zeigt 2.30 Uhr an. Dann wird es knifflig. Scheitert der Versuch, das Kind abzulegen, geht es zurück in die kalte, nasse Nacht. Also ganz vorsichtig hinsetzen und Zentimeter um Zentimeter nach hinten neigen, das Baby zunächst noch auf sich liegen lassen, dann langsam ablegen, jede Minute einen Zentimeter weiter.

Wenn es gut läuft, liegt man irgendwann völlig verkrümmt da – ein Arm noch unter dem Kind, die Jacke noch an, der Schlüssel bohrt sich aus der Hosentasche ins Bein – und muss sich entscheiden: Versuche ich meine Lage etwas zu verbessern, um vielleicht einschlafen zu können? Oder ist mir das Risiko zu groß, dass dann wieder alles von vorne beginnt?

Eine Brise Selbsthass

Eines ist klar: Wir bleiben lieber verkrümmt liegen, als wieder rauszumüssen in die kalte Herbstnacht. Aber die Nacht hat ihre eigene Dynamik, und so wird der Gedanke von wacher Minute zu wacher Minute lauter: Vielleicht können wir es doch wagen? Den verdammten Schlüssel aus der Tasche zu angeln, würde es so viel angenehmer machen. Also langsam, Zentimeter für Zentimeter – geschafft! Und jetzt noch das Bein, das halb aus dem Bett hängt, hochziehen? Langsam, Zentimeter für Zentimeter, geschafft. Und jetzt noch den Arm unter dem Kind rausziehen? Langsam, Zentimeter für Zentimeter – Geschrei, Trage an, raus in die Dunkelheit, 3.30 Uhr.

Zum Herbstwind kommt eine ordentliche Brise Selbsthass dazu: Warum konnten wir den Hals nur nicht voll bekommen! Es war doch so schön, Schlüssel im Bein hin oder her. Was man aus all dem fürs Leben lernen kann? Keine Ahnung, dafür sind wir heute wirklich zu müde. Für Metaebenen bitte im Feuilleton weiterlesen.