Was der Rücktritt bei Versace bedeutet

Und schon wieder ein Rücktritt in Mailand. Nach den Trennungen bei Gucci und Jil Sander in den vergangenen Wochen tauscht Versace seine kreative Spitze aus. Dieses Mal betrifft es niemand Geringeres als Donatella Versace, die nach dem Tod ihres Bruders Gianni im Jahr 1997 die kreative Leitung übernommen hatte. Der Wechsel auf die Position der „Markenbotschafterin“ dürfte für sie ein endgültiger Abschied als ­Designerin sein. Versace sei „ihre DNA“, schreibt sie auf Instagram, und das stimmt wirklich.

Denn die neun Jahre jüngere Schwester von Gianni Versace ist gewisser­maßen die erste und letzte Versace in diesem Haus. Für ihren Bruder war sie früh eine Muse. Er probierte seine ersten Entwürfe an ihr aus. Als er nach Mailand zog, studierte sie in Florenz Literaturwissenschaften. Sie folgte ihm und wurde seine Assistentin.

Der Bruder Santo stieg in den Folgejahren ins 1978 gegründete Unternehmen ein und übernahm das Geschäftliche. Nach dem Tod in der Familie trat aber vor allem Donatella aus der zweiten Reihe hervor und übernahm die Verantwortung. „Ich hatte immer das Gefühl, ich müsse in seine Schuhe passen“, sagte sie dem F.A.Z.-Magazin im Jahr 2019. „Und Gianni war ein Gigant.“

Der Kreis schließt sich

Das Haus wechselte in ihrer Zeit immer mal wieder von der Gewinn- in die Verlustzone, war modisch mal abgeschrieben, mal angesagt. 20 Jahre nach Gianni Versaces Tod schaffte es die Designerin, die fünf Super­models seiner Zeit – Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Carla Bruni, Cindy Crawford und Helena Christensen – noch einmal zusammen auf ihren Laufsteg zu bekommen. Im Jahr darauf, 2018, verkaufte die Familie Versace die Marke an die amerikanische Capri-Holding für mehr als zwei Milliarden Dollar.

Donatella Versace, oder „DV“, wie sie hausintern genannt wird, war fortan angestellt, blieb allerdings als Kreativdirektorin tätig. Sie war damit auch eine der wenigen Frauen in einer Branche, die ihre Topjobs zunehmend mit Männern besetzt. In der ersten Liga der Mode sind da neben Donatella Versace nach aktuellem Stand nur drei weitere: Louise Trotter, die jetzt bei Bottega Veneta anfängt, Silvia Venturini Fendi und Miuccia Prada.

So schließt sich der Kreis: Schon länger gibt es Gerüchte über einen möglichen Versace-Verkauf an Prada. Nachfolger von Donatella Versace wird nun Dario Vitale, der als rechte Hand von Miuccia Prada bei Miu Miu zuletzt sein Gespür für erfolgreiche Entwürfe bewiesen hat. Damit wird er bei Versace weiter­machen.