
Herr Schneider, zum Wohl! Was haben wir hier Gutes im Glas?
Obwohl es frisch schmeckt und klar ist, wirkt es doch kräftig. Wie kommt das?
Die Aromen stammen von der offenen Gärung der Weißbierhefen. Sie sind noch enthalten, obwohl das Kristallweizen filtriert wird. Hefe und Eiweißbestandteile werden bei der Filtration zurückgehalten, wodurch das glanzreine Bier entsteht. Im Hefeweißbier bleiben sie drin, was dort das cremige Mundgefühl ausmacht.
So wie beim nächsten Bier, dem Hefeweißbier naturtrüb?
Genau. Diese Sorte habe ich als neuer „Bräu“ eingeführt. Es ersetzt das Helle Weisse. Außer dem Kristall sind alle unsere Biere ungefiltert, also naturtrüb.
Die Textur vom Hefeweißbier und Kristall unterscheidet sich deutlich. Von den Aromen sind sie sich aber ähnlich.
Ja, die Rezeptur ist ähnlich. Aber jedes unserer Biere hat eine andere Rezeptur. Hier merkt man schön den Unterschied, was das Filtrieren mit dem Bier macht. Im Hefeweißbier kommt das Bananenaroma mehr raus, also das klassische 4-Vinylguajacol-Aroma, was Bierhefen bei der offenen Gärung viel produzieren. 4-Vinylguajacol hält sich mehr an der Hefezelle. Wenn man die rausfiltriert, ist es halt weg. Deswegen schmeckt man hier mehr Nelken-Aroma.

Die Hefe macht also den Unterschied?
Wir haben seit 150 Jahren einen eigenen Hefestamm. Nach dem Zweiten Weltkrieg durften wir früh wieder Vollbier brauen, weil mein Großvater den Amerikanern gesagt hatte, dass unsere eigene Hefe kaputtgeht, wenn wir nur Leichtbier brauen. Man müsse jeden dritten Sud stark einbrauen, und es wäre schade, wenn wir nach 70 oder 80 Jahren diesen Hefestamm verlieren würden, argumentierte mein Großvater. Deswegen haben wir bis heute noch die gleiche Weißbierhefe wie vor 150 Jahren.
Überhaupt nicht nach Tradition klingt und schmeckt Ihr Lovebeer.
Das kam in Kooperation mit der Band LaBrassBanda zustande. Die Mitglieder der Blasmusikgruppe vom Chiemsee sind begeisterte Weißbiertrinker und wollten gerne ein Kooperationsweißbier mit uns brauen, das eine schöne Hopfenaromatik haben sollte. Leadsänger und Trompeter Stefan Dettl sagt, das Lovebeer, das dabei herauskam, sei der bayerische Joint in Flaschenform.
Hopfenweisse geht geschmacklich in die gleiche Richtung.
Es entstand durch eine Kooperation mit der Brooklyn Brewery in New York. Die kam so gut an und hat uns auch selber so gut gefallen, dass wir sie bis heute im Sortiment haben.
Die Aromen von Hopfen sind vermutlich gar nicht so einfach mit der üblichen Aromatik von Hefeweizen zu kombinieren?
Einerseits bekommt man so etwas wie Passionsfrucht und Limette mit in den Geschmack. Andererseits etwas Bitteres. Das ist immer das Problem beim Hopfen. Selbst ein Aromahopfen, der eben so wunderbar in der Nase ist wie dieser, wird immer Bitterstoffe mitproduzieren. Dafür kann es auch mal zwei Grad wärmer werden und bleibt trotzdem erfrischend. Man kann es durchaus zum Picknick mitnehmen.
Brauchen Brauereien heutzutage solche speziellen Biersorten?
Wir sind ein Weißbier-Spezialist und wollen zeigen, wie breit das Spektrum sein kann und dass man bei der Verkostung schmeckt, dass Weißbier nicht gleich Weißbier ist. Wir produzieren zehn eigenständige, unterschiedliche Sorten, die alle ihre Daseinsberechtigung haben. Wenn sich jemand für Bier begeistert, dann interessiert er sich insbesondere auch für unsere spezielleren Varianten.
Dennoch bekommt man – bis auf eine Ausnahme – bei Ihnen nur Weißbier.
Weißbier hat mehr Charakter, gibt mehr Aroma in die Nase. Wenn man es mit Wein vergleicht, würde ich sagen, Helles ist eher der Weißwein, und das Weißbier ist der Rotwein. Man hat mehr Geschmack im Mund.
Wieso sollte man beim Doppelbock aufpassen, den wir gerade im Glas haben?
Es hat 8,2 Prozent Alkohol. Der helle Doppelbock ist extrem fruchtig und erfrischend. Der ganze Hopfen überdeckt wunderbar den Alkohol. Wenn man da durstig im Biergarten ein Glas davon trinkt, dann weiß man danach, was man getrunken hat. Es ist tatsächlich das Bier, das uns in der ganzen Craftbeer-Szene bekannt gemacht hat. Es ist unter Fans heiß geliebt, weil es die Heirat zwischen IPA und Weißbier ist.
Mit dem nächsten Bier hätte ich als Erstes gerechnet . . .
Weil es das Original ist? Dieses Bier brauen wir seit 150 Jahren nach der gleichen Rezeptur. Bewusst in Kontrast zum Hefeweißbier. Das geht geschmacklich Richtung Banane, das Original ist würziger, die Gewürznelke kommt mehr durch. Wir haben sogar zwei verschiedene Flaschenformen, damit den Leuten der Unterschied auffällt, um beim nächsten Mal das richtige zu bestellen oder zu kaufen. Das Hefeweißbier ist unser Standard-Weizenbier. Anfang der Neunzigerjahre hatten wir übrigens nur zwei Sorten Weißbier: Original und Aventinus.
Ja, Aventinus ist der erste Weizen-Doppelbock der Welt. Den hat meine Ur-Ur-Urgroßmutter Mathilde Schneider 1908 erfunden. Es hat die Süße des Malzes, etwas Karamell, ist vollmundig und stark. Aventinus ist quasi der Doppelbock-Gegenentwurf zur Hopfenweiße. Gärungsaromen wie Banane und Gewürznelke merkt man hier wieder mehr.
Das schmeckt wirklich exzellent. Aber es ist kein Bier für jedermann.
Aventinus ist mittlerweile eines unserer Aushängeschilder für die Craftbeer-Bewegung. Biertrinker haben sich irgendwann einmal an Hopfen satt getrunken. Momentan legt man mehr Wert auf Trinkfluss, sodass man mal ein zweites oder drittes Bier von der gleichen Sorte trinkt. Das ist für uns Brauer ganz praktisch. Denn früher galt in der Craftbeer-Bewegung noch: Je verrückter das Bier, desto besser. Es musste einfach nur krass und anders sein. Heutzutage muss es auch gut schmecken.
Welche Speisen empfehlen Sie als Begleiter für Aventinus?
Kaiserschmarrn, Sauerbraten, Wildbraten oder so was. Wir haben Aventinus noch in einer anderen Variante: als Eisbock. Der scheppert mit zwölf Prozent Alkohol dann noch mehr. Der Eisbock ist übrigens gerade das Bier des Jahres bei der Finest Beer Selection 2025 geworden. Er schmeckt stark nach Dörrobst-Aromen wie etwa Backpflaume. Er eignet sich super als Nachspeise. Nehmen Sie eine Kugel Vanille-Eis, und gießen Sie Eisbock darüber: ein Traum!
Jetzt lassen Sie uns am Ende dieser Verkostung doch noch über das Thema Bierkonsum reden. Der geht momentan zurück. Wie reagieren Sie darauf?
Ich kann die Leute nicht dazu zwingen, Bier zu trinken. Wir sind natürlich an der Produktentwicklung von weiteren alkoholfreien Varianten dran, die wir bald auf den Markt bringen werden.
Im Gegensatz zu Wein findet man bei Bier alkoholfreie Varianten, die tatsächlich gut schmecken.
Es gibt mittlerweile wunderbare alkoholfreie Biere. Klar sind die geschmacklich immer anders als die Biere mit Alkohol. Der ist eben geschmacksverstärkend und geschmacksbildend. Wenn der weggelassen werden soll, dann schmeckt das Endprodukt anders.
Eignet sich Weißbier besser als andere Sorten für die alkoholfreie Variante?
Weißbier ist schon länger gut alkoholfrei zu genießen, einfach weil wir wesentlich mehr Körper haben, weil wir durch die offene Vergärung andere und mehr Aromastoffe haben. Das sind Gärnebenprodukte, die den Biercharakter mitbringen. Wenn ich den Alkohol wegnehme, bleibt trotzdem dieser Biercharakter erhalten. Das fällt bei der Herstellung von Hellem zum Beispiel deutlich schwerer.
Ist das ein Vorteil, den die Bierbrauer gegenüber Winzern haben?
Ja, aber wir müssen den Kunden dennoch den Herstellungsprozess und die damit verbundenen Kosten klarmachen. Durch die Vergärung entsteht Alkohol. Der muss – bisher jedenfalls – wieder entzogen werden. Das heißt, wir haben eigentlich höhere Herstellungskosten als für das normale Bier. Manche Kunden sagen sich dennoch: Warum soll ich jetzt mehr für ein alkoholfreies Bier zahlen als für ein alkoholhaltiges?