Warum Stars wie Ariana Grande auf feminine Silhouetten setzen

An Ariana Grande kam man bei den Oscars nicht vorbei – sowohl im optischen als auch physischen Sinne. Schuld war ihre roséfarbene Robe von Schiaparelli, die laut Designer Daniel Roseberry einem Lampenschirm nachempfunden ist. Das steife Bustier-Top schmiegte sich zunächst eng an den Torso der Sängerin und Schauspielerin an, nur um dann, am schmalsten Punkt ihrer Taille, auszuufern und Raum einzunehmen. Damit zitierte das Kleid der Einunddreißigjährigen eine Silhouette, die auch die Laufstege der aktuellen Modewochen dominiert: Peplum, auf gut Deutsch Schößchen.

„Peplum“ ist auf den griechischen Begriff „Peplos“ zurückzuführen, was so viel heißt wie Schleier. So wurde in der Antike ein langes Frauenkleid bezeichnet, das meist in der Taille mit einem Gürtel zusammengehalten wurde – eine Vorahnung der heutigen Peplum-Silhouette. Wie der Exkurs ins vorchristliche Zeitalter vermuten lässt: Als urfeminines Figurenelement hat der Fokus auf der Taille in der Frauenmode eine lange Tradition.

Angelehnt an den Roman „Orlando“ von Virginia Woolf, wandelten die Models bei Dior modisch zwischen Epochen und Geschlechterrollen.
Angelehnt an den Roman „Orlando“ von Virginia Woolf, wandelten die Models bei Dior modisch zwischen Epochen und Geschlechterrollen.AFP

„Das macht Peplum gleich nach der Corsage zu einem der ältesten Elemente, die Frauen gut kleiden“, sagt Mira von der Osten. Die Berliner Modedesignerin baut seit 2009 ihr eigenes Label Cruba auf, mit dem sie einen nachhaltigen „Slow Fashion“-Ansatz verfolgt. Ihre Designs sind Sammlerstücke, die im Kleiderschrank ihrer Trägerin lange einen Platz haben sollen. „Ans Design komme ich immer über die Silhouette“, so von der Osten. „Der weibliche Designansatz von Peplum ist auch meiner. Wir haben nun zum ersten Mal einen Hosenanzug in unserer Kollektion, der mit dem Kontrast zwischen breiten Schultern und ganz enger Taille spielt. Das greift den Grundgedanken des aktuellen Zeitgeistes auf.“

Modewelt und Weltgeschehen gehen seit jeher Hand in Hand. Im Falle von Peplum war es Christian Dior, der das Schößchen-Element als Teil des „New Look“ in der Nachkriegszeit groß machte. Dior empfand seine Designs umgedrehten Blüten nach: winzige Taillen, weit ausladende Röcke. Gegner kritisierten den verschwenderischen und alltagsuntauglichen Charakter des „New Look“. Doch er verfängt – gerade deswegen. Nach der Materialknappheit der Kriegsjahre sehnte man sich nach dem Luxus der guten alten Zeit.

Seit 2009 hat Designerin Mira von der Osten ihr eigenes Label Cruba mit Sitz in Berlin-Mitte.
Seit 2009 hat Designerin Mira von der Osten ihr eigenes Label Cruba mit Sitz in Berlin-Mitte.CRUBA

Ein Motiv, das sich auch in der aktuellen Prêt-à-porter-Show von Dior für Herbst/Winter 2025 wiederfindet. In Rüschen, Spitze, Hermelin und Halskrausen gekleidet, gaben die Models einen märchenhaften Anblick ab. Designerin Maria Grazia Chiuri lehnte die Kollektion an den Roman „Orlando“ von Virginia Woolf an, dessen adliger Protagonist im England des 16. Jahrhunderts zwischen Geschlechterrollen und Epochen umherirrt. Diese Verlorenheit in einer unbeständigen Welt spiegelt sich in den Laufsteg-Looks wider: Typisch maskuline Anzugjacken und breitschultrige Mäntel treffen auf typisch feminine Komponenten wie Corsagen und Schößchen-Details. Die Models wirken wie aus der Zeit gefallene Kavalierinnen, zielstrebig auf dem Weg geradeaus, immer weiter, ins Ungewisse.

Designerin Mira von der Osten erkennt genau diese Motive in der Rückkehr des figurbetonten Peplum-Looks: „Ich glaube, er ist eine treffende Reflexion des heutigen Zeitgeistes, der von großer Verunsicherung geprägt ist. Wir kommen aus einer Pandemie, in der alle nur zu Hause im Pyjama saßen – und nun befinden wir uns in einer postpandemischen Zeit, die von wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit gezeichnet ist. Es gibt eine Sehnsucht nach etwas, das uns stärkt und Halt gibt.“

Das Zitieren von altbekannten Designformen befriedigt genau diese gesellschaftlichen Sehnsüchte. Gleichzeitig warnt die Designerin davor, Peplum vorschnell als rückwärtsgewandten, konservativen Look abzutun: „Es ist doch hochspannend, dass wir emanzipierten Frauen bereit sind, uns in einen der historisch ältesten Schnitte zu kleiden. Für uns Designer ist es eine wunderbare Einladung, diese Silhouette neu zu definieren.“

Was bedeutet Weiblichkeit heute? Prada gibt modische Antworten.
Was bedeutet Weiblichkeit heute? Prada gibt modische Antworten.Helmut Fricke

Auch bei den Modewochen in Mailand und Paris sind zahlreiche Modeschöpfer dieser Einladung gefolgt. Neben Dior zeigten Balmain, Valentino oder Prada den Mut zum Spiel mit schmaler Taille und breiter Hüfte. Was all diese Schauen eint, ist die modische Suche nach einer neuen Form der Weiblichkeit. Miuccia Prada und Raf Simons, die beiden Prada-Designer, setzten auf eine kaschierende, formlose Peplum-Silhouette und schickten die Models mit ungekämmten Haaren und buschigen Brauen auf den Laufsteg. „Was macht weibliche Schönheit heute aus?“ – das war die Leitfrage der Kollektion, wie Miuccia Prada nach der Show sagte. Zwar deuten Taillengürtel oder Schleifen noch eine Betonung der typisch femininen Attribute an, jedoch obliegt es der Trägerin selbst, wie eng sie schnüren möchte.

Zurück nach Berlin, zu Mira von der Osten. „Vielleicht führt uns das alle als Gesellschaft wieder zusammen, vielleicht wirkt es über alle Grenzen hinweg, wer weiß?“, stellt sie zum Abschluss des Gesprächs die offene Frage. Ja, vielleicht rücken das Gestern und das Morgen wieder ein Stückchen näher zusammen, wenn man das Neue im Alten sucht.