Warum Peter Smolka mit dem Fahrrad um Afrika fahren will

Manche Extremsportarten sind so extrem, dass sie schon wieder normal aus­sehen. Peter Smolka jedenfalls macht den Eindruck, als würde er ­gerade in den Feierabend radeln. Er trägt eine knielange Adidas-Hose und ein ­T-Shirt, sein Fahrrad sieht aus wie ein gewöhnliches Stadtrad, und er trägt keinen Helm. Was stutzig macht, sind die fünf Satteltaschen. Und die folienverpackte Karte auf dem Lenkrad, unter der auch ein kleines Fahrradnavi befestigt ist. Noch zeigt es Frankfurt und Umgebung. Aber bald schon wird es Mauretanien, Togo und Südafrika zeigen. Wegstrecke: 45.000 Kilometer. Wiederkehr: in zweieinhalb Jahren.

Smolka ist Rentner, seit knapp einem Monat. Vorher arbeitete er als Softwareentwickler in Nürnberg, jedenfalls seit er 2017 von seiner letzten Weltreise zurückgekehrt war. Viereinhalb Jahre war er damals unterwegs. Jetzt plant er ein wenig kleiner. Eigentlich wollte er durch Russland und die USA bis in die Karibik radeln. Dann kam der Ukrainekrieg, und er wollte auf Asien ausweichen. „Dann habe ich aber mitbekommen, dass man inzwischen durch Westafrika bis nach Kapstadt fahren kann. Das war früher aus Visumgründen nicht möglich.“

Extremsportler: Seit der Schulzeit erkundet Peter Smolka die Welt mit seinem Fahrrad.
Extremsportler: Seit der Schulzeit erkundet Peter Smolka die Welt mit seinem Fahrrad.Frank Röth

Übernachtungen in Polizeistationen oder Schulen

Also macht er jetzt genau das. Über Frankreich, Portugal und Gibraltar will er Afrika erreichen, den Kontinent einmal umrunden und dann in Djibuti, am Horn von Afrika, auf die Arabische Halbinsel übersetzen. Läuft alles nach Plan, kehrt er durch Saudi-Arabien und Iran wieder nach Europa zurück.

Jeden Tag auf dem Rad sitzen wird er aber nicht, schon weil er zwischendurch Zeit braucht, um Visa zu beantragen. Die kosten insgesamt um die 2000 Dollar. Schlafen wird er mal im Zelt, mal in Hotels, je nach Land und Lage auch mal auf Polizeistationen oder in Schulen, wie er von seiner vergangenen Reise durch Afrika erzählt: „Da wird dir dann gesagt: Du musst nur morgen um sieben Uhr weg sein, weil dann die Kinder kommen.“

Analog und digital: Karten und ein GPS-Fahrradcomputer helfen bei der Orientierung.
Analog und digital: Karten und ein GPS-Fahrradcomputer helfen bei der Orientierung.Frank Röth

In den Satteltaschen ist Kleidung, die für Novembertage in den marokkanischen Bergen taugt und auch für Hitze­tage am Äquator, wo er mit bis zu 45 Grad rechnet. Was wiegt diese Strapazen wieder auf? Warum tut er sich das an?

Mit dem Fahrrad vergrößert sich der Aktionsradius

Aufgewachsen ist er in Hildesheim. Reisen in seiner Kindheit bestanden vor allem aus Familienurlauben im Kaiserstuhl. Die erste lange Tour führte Smolka kurz vor dem Abitur zusammen mit einem Freund nach Dänemark und Schweden. Skandinavien mit dem Rad zu durchqueren, begeisterte ihn. „Ich fand das toll. Auch weil man doch einen ganz schönen Aktions­radius hat.“ Den schöpfte Smolka in den Folgejahren aus. Seine Touren führten über den Balkan, durch Afrika, den Nahen Osten und Südamerika.

Der Reiz liegt für ihn in den Erfahrungen und Begegnungen unterwegs: „Landschaft und Leute“, sagt er ­dazu nüchtern. Doch wenn er von ­Gesprächspartnern erzählt, die unter ­Lebensgefahr aus Albanien geflohen sind, von ägyptischen Pyramiden, die er sich ­erradelt hat, von Weihnachten in Brasilien und endlosen Fahrten durch die Steppe Kasachstans, lässt sich erahnen, was er meint mit der Landschaft und den Leuten.

Und wie ist es mit der Einsamkeit?

Über Gefahrenzonen informiert er sich vor allem bei Einheimischen. Dabei muss er nun auch wieder an Elefanten- und ­Löwengebiete denken. Einmal sei er im Grenzgebiet von Botswana und Simbabwe an einer Herde Elefanten vorbeigefahren, erzählt er. Ein Elefant habe ihn verfolgt: „Da hatte ich wirklich Todesangst.“ Denn mehr als 30 Kilometer pro Stunde schafft er mit seinem stabilen Stahlrad nicht, und er wusste, dass Elefanten über kurze Strecken schneller sein können. Aber irgendwann sah er im Rückspiegel, dass das ­wütende Tier abbog.

DSGVO Platzhalter

Und wie ist es mit der Einsamkeit? Er komme damit gut zurecht, sagt Smolka. Aber so lange allein zu sein, sei eine der mentalen Herausforderungen, die viele unterschätzten. Jungen Menschen, die ihn nach Tipps fragten, rät Smolka deshalb oft, erst einmal kürzere Touren zu fahren und zu schauen, wie sie zurechtkommen. Konditionell fit zu sein, hilft nicht bei mentalen Heraus­forderungen: „Bei den meisten Leuten, die aufgeben, liegt es nicht an der Kraft.“

Auch er weiß, wie es ist, tagelang durch die Wüste zu fahren, kein Ort in Sicht und allein mit seinen Gedanken. Auf diese Situationen, so sagt er, könne man sich mental kaum vorbereiten. Abschnittsweise mal auf Busse oder Züge ausweichen will er aber nur in absoluten Notfällen, zum Beispiel, wenn ihn die Polizei dazu zwingt. Es sei wie bei einem Marathon: „Da fährt man ja auch nicht einen Kilo­meter mit dem Bus.“ Es gehe darum, sich die ­Orte zu verdienen.

„Ich will jetzt echt noch mal die Welt sehen“

Am schwierigsten ist für Smolka ohnehin das Zurückkommen. „Ich bin öfter mal Umwege gefahren, weil ich noch nicht zurückwollte“, sagt er. Nach so langer Zeit wieder zu Hause anzukommen, sei manchmal schwer auszuhalten. Smolka scheint es immer wieder wegzuziehen. In seinem Leben war er etwa zwölf Jahre unterwegs. Auch diese Tour soll nicht seine letzte sein. Den Traum von der Karibik hat er noch nicht aufgegeben. „Dann muss ich auch keine Angst vor dem Stillstehen haben.“

An Rückkehr ist aber jetzt noch nicht zu denken. Am Montag wurde Peter Smolka 65 Jahre alt. Seinen Geburtstag verbrachte er bei der Fahrradfirma Schwalbe in Reichshof bei Gummersbach, die ihm noch ein wenig Ausrüstung zum Testen mit auf den Weg gab. Denn so unscheinbar Smolkas Fahrrad auch aussehen mag: Es ist sonderangefertigt, knapp 20 Kilogramm schwer, mit Rückspiegel, Stahlrahmen und einem Sattel, der sich der Körperform anpasst. Von Freunden und Familie hat er sich schon verabschiedet, zurück lässt er auch eine Doppelkopfrunde und zwei Stammtische. Das sei ein bisschen schade, sagt er. „Aber ich kann ja nicht nur deswegen zu Hause bleiben. Ich will jetzt echt noch mal die Welt sehen.“ An diesem Dienstag geht es richtig los.