Warum die privaten Versicherer gegen die Termin-Diskriminierung vorgehen sollten – Wirtschaft

Eltern können ein Lied davon singen: Wer kleine Kinder hat, umzieht und einen Kinderarzt am neuen Wohnort sucht, braucht viel Geduld. Auch Termine bei Orthopäden oder Hautärzten sind nur mit monatelangen Wartezeiten zu ergattern. Das gilt jedenfalls, wenn die Patientin oder der Patient Mitglied in einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist, was immerhin für 90 Prozent aller Menschen in Deutschland zutrifft. Für die zehn Prozent in der privaten Krankenversicherung (PKV) gibt es dagegen meist schon in wenigen Tagen einen Termin beim Facharzt.

Diese Art Diskriminierung ist in einem demokratischen Land schwer auszuhalten, erst recht wenn man weiß, dass die Hälfte der PKV-Versicherten Beamte sind. Dazu kommt: Die Beiträge vieler Kassenmitglieder reichen heutzutage durchaus an die der Privatversicherten heran. In vielen Fällen erreichen sie mit dem Arbeitgeberanteil 1000 Euro und mehr. Genauso viel zahlen, aber schlechter behandelt werden, das führt zu Empörung.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen verlangt rechtzeitig vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs von der nächsten Regierung, die Diskriminierung der Mehrheit per Gesetz zu verbieten. Termine sollen ausschließlich nach gesundheitlichen Kriterien vergeben werden.

Das ist richtig. Der Gesetzgeber sollte hier tätig werden. Mehr noch: Die privaten Krankenversicherer sollten eine solche Maßnahme ausdrücklich unterstützen. Denn nur so können sie langfristig die Existenz des dualen Systems aus privater und gesetzlicher Gesundheitsversorgung aufrechterhalten.

Alles nur Jammern auf hohem Niveau, sagen die Privaten

Aber die Privaten wollen sich zu der aktuellen Forderung der Kassen nicht äußern. In früheren Stellungnahmen hat der PKV-Verband behauptet, dass hier auf hohem Niveau geklagt werde. Laut einer Studie der OECD aus dem Jahr 2020 weise Deutschland zusammen mit der Schweiz und den Niederlanden die kürzesten Wartezeiten auf, so der Verband. 75 Prozent erhielten innerhalb eines Monats einen Termin beim Facharzt. Zudem hätten 87 Prozent keine Probleme, innerhalb eines Tages mit ihrem Hausarzt in Kontakt zu treten.

Also: Eigentlich gibt es kein Problem, meint der PKV-Verband. Doch auch seine Funktionäre wissen, dass eine solche Studie die von Millionen erfahrene Diskriminierung nicht wegwischen kann.

Die privaten Krankenversicherer haben einen guten Grund, sich aktuell nicht konkreter zu äußern. Die Probleme mit den Facharztterminen sorgen maßgeblich dafür, dass die PKV seit etwa zwei Jahren wieder mehr gut verdienende Angestellte als Mitglieder gewinnt. Wer mindestens 69 300 Euro im Jahr verdient, darf aus der gesetzlichen Krankenkasse in die PKV wechseln, wo sich sonst nur Selbständige und Beamte versichern dürfen. Für 2025 liegt diese Versicherungspflichtgrenze bei 73 800 Euro.

Um die Angestellten mit höheren Gehältern konkurrieren GKV und PKV, aktuell gewinnt die PKV Anteile. Der Positivtrend würde bei den Privaten schwinden, wenn es ein Verbot der Terminvergabe-Diskriminierung gäbe.

Aber hier denkt die PKV zu kurzfristig. Wenn in Deutschland jemals das duale System abgeschafft wird, dann wegen der Verärgerung großer Bevölkerungsteile über die ungleiche Terminvergabe bei Ärzten. Die Privatpatienten machen in vielen Praxen zehn Prozent der Patienten aus, bringen aber 20 Prozent des Umsatzes ein. Es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, die Privatversicherten bei den Terminen besser zu behandeln. Den Ärzten kann dabei egal sein, dass die PKV überhaupt nur existieren kann, weil sie auf einer flächendeckenden Infrastruktur von Arztpraxen und Krankenhäusern aufsetzt, die vor allem von den Kassen und dem Gesetzgeber finanziert werden.

Die Diskussion über eine einheitliche Bürgerversicherung für alle ist derzeit verstummt. Sie kann aber jederzeit wieder aufflammen. Schließlich stehen solche Forderungen in den Programmen von SPD, Grünen und Linken. Die sicherste Methode zur Einführung der Bürgerversicherung besteht darin, mit der Diskriminierung bei der Terminvergabe so weiterzumachen wie bisher.