Warum die EZB die Zinsen nicht weiter senkt

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt die Leitzinsen unverändert. Das hat die Notenbank am Donnerstag nach der Septembersitzung des EZB-Rates mitgeteilt.

Damit beläuft sich der Einlagensatz, den Banken für ihre Einlagen bei der Notenbank bekommen und der auch Auswirkungen auf die Sparzinsen hat, weiter auf 2,0 Prozent. Der Hauptrefinanzierungssatz, den Banken für Kredite bei der Notenbank zahlen, beträgt unverändert 2,15 Prozent. Und der Spitzenrefinanzierungssatz für Übernachtausleihungen verbleibt auf 2,4 Prozent.

Die Notenbank reagiert mit der verlängerten Zinspause auf eine Inflationsrate, die sich in der Nähe ihres Zieles von zwei Prozent bewegt, sowie auf die erhebliche Unsicherheit über die weitere Entwicklung. Die Rede ist vom „Wait and see“-Modus.

Inflation steigt auf 2,1 Prozent

Im August war die Inflation im Euroraum leicht gestiegen. Sie betrug 2,1 Prozent, nach 2,0 Prozent im Vormonat. Es gab damit zum ersten Mal seit längerer Zeit also wieder einen leichten Aufwärtstrend, gleichwohl ist die Rate nicht weit vom Ziel der EZB von mittelfristig zwei Prozent entfernt.

Je nach Euroland war die Entwicklung aber unterschiedlich. In Deutschland hatte die Rate nach dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex, der für Vergleiche mit anderen Ländern verwendet wird, von 1,8 auf 2,1 Prozent zugelegt. In Frankreich, wo es erhebliche Staatseingriffe in die Energiepreise gegeben hatte, ist die Rate auf 0,8 Prozent zurückgegangen. Mit Zypern hatte erstmals seit Langem ein Euroland sogar eine negative Inflationsrate mit minus 0,1 Prozent.

Die Erwartungen an den Finanzmärkten, was die EZB im September machen würde, hatten sich im Vorfeld verändert. Noch vor Kurzem war eine Zinssenkung erwartet worden. Das hatte sich aber nach Äußerungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Bundesbankpräsident Joachim Nagel verflüchtigt. Nagel hatte gesagt: „Die Leitzinsen sind aktuell auf einem sehr guten Niveau. Von hier aus können wir schauen, wie sich die Wirtschaft weiterentwickelt. Und bei Bedarf können wir flexibel reagieren.“

Zuletzt hatte es dann noch Spekulationen gegeben, die EZB könnte irgendwie auf die Unruhe am Anleihemarkt durch die politische Krise in Frankreich reagieren. Lagarde hatte in einem Interview mit dem französischen Sender „Radio Classique“ gesagt, Frankreich befinde sich nicht in einer Lage, die ein Eingreifen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erforderlich machen würde. Jeder Regierungssturz im Euroraum sei jedoch ein Grund zur Besorgnis. Haushaltsdisziplin sei in Frankreich unerlässlich. Sie beobachte die Risikoaufschläge auf die Renditen der französischen Staatsanleihen, die „Spreads“, sehr genau.

In der Pressekonferenz sagte Lagarde, sie kommentiere die Entwicklung in einzelnen Euroländern grundsätzlich nicht. Die Französin äußerte lediglich die Hoffnung, dass die politischen Entscheidungsträger alles tun würden, um die „Unsicherheit so weit wie möglich zu reduzieren“. Zudem erklärte sie, die Staatsanleihenmärkte im Euroraum  funktionierten ordnungsgemäß. Es laufe reibungslos und mit guter Liquidität. Die Risikoaufschläge der Länder gegenüber den richtungsweisenden deutschen Bundesanleihen bewegten sich in einer relativ begrenzten Bandbreite.

Der EZB-Rat hob zudem in seiner schriftlichen Erklärung hervor, notfalls stehe das EZB-Anleihenkaufprogramm TPI („Transmission Protection Instrument“) bereit, um „ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken“. Lagarde führte auf Nachfrage aus, über einen Einsatz von TPI sei in der EZB-Ratssitzung noch nicht einmal diskutiert worden. 

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve, deren Septemberzinssitzung in der kommenden Woche stattfindet, dürfte ihre Leitzinsen dagegen zum ersten Mal in diesem Jahr senken. Die amerikanische Inflation stieg im August zwar auf 2,9 Prozent, sprengte den Rahmen des Erwarteten aber nicht vollkommen. Bislang hatte sich der Fed-Vorsitzende Jerome Powell gegen allen Druck von US-Präsident Donald Trump gewehrt, einen solchen Schritt zu gehen. Zuletzt hatte Powell jedoch die Tür für Zinssenkungen im September weit geöffnet.

Sparzinsen und Bauzinsen steigen zum Teil sogar wieder

Was bedeutet das alles für Sparer und Bauwillige? Offenbar haben zwei Runden Zinspause der EZB mit steigenden Kapitalmarktzinsen in Deutschland dazu geführt, dass zumindest manche Banken ihre Sparzinsen nicht weiter gesenkt, sondern sogar wieder angehoben haben.

Das zeigt ein Vergleich der Konditionen von 800 Banken und Sparkassen des Internetportals Verivox. Zum ersten Mal seit Februar 2024 seien die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote wieder gestiegen, berichtet die Plattform. Anfang August hätten die Zinsen im Schnitt 1,16 Prozent betragen, jetzt seien es 1,28 Prozent.

Beim Festgeld beobachtet Verivox über alle Laufzeiten hinweg steigende Zinsen. Bundesweit verfügbare Anlagen mit zwei Jahren Laufzeit brächten durchschnittlich 1,98 Prozent. Verglichen mit Anfang August entspreche dies einem ganz leichten Plus um 0,01 Prozentpunkte. Bei den langfristigen Festgeldern sei es etwas stärker nach oben gegangen: Anlagen mit zehn Jahren Laufzeit lägen derzeit bei 2,36 Prozent. Das entspreche einem Zinsanstieg um durchschnittlich 0,1 Prozentpunkte.

„Bei den kurz- und mittelfristigen Festgeldern waren die Zinsen bis vor Kurzem noch leicht gesunken. Bei den langfristigen Anlagen haben die Banken das nahende Ende des Zinssenkungszyklus hingegen schon länger eingepreist und ihre Zinsen nicht mehr weiter abgesenkt“, sagte Oliver Maier von Verivox.

Auch die Bauzinsen sind zuletzt wieder gestiegen, nach Zahlen der FMH Finanzberatung auf durchschnittlich 3,71 Prozent. Diese orientieren sich über die Pfandbriefrenditen an der Rendite der Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit, die zuletzt auch wieder höher ausfiel. Der Kreditvermittler Interhyp schreibt: „Langfristig warnen fast alle Finanzexperten unseres Bankenpanels in ihrer aktuellen Zinsprognose vor steigenden Bauzinsen von bis zu vier Prozent. Ein Grund: Die Neuverschuldung des Bundes treibt die Rendite langfristiger Bundesanleihen nach oben – und damit auch die Bauzinsen.“