Wann ist der Mensch erwachsen, wann ist ein Mann ein Mann? Vor einigen Hundert Jahren galt noch: Das kommt auf den Einzelfall an. Später wurde festgelegt: Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt bei Mädchen mit zwölf, bei Knaben mit 15 Jahren. In Neil Postmans „The Disappearance of Childhood“ erfährt man aber, dass die christliche Kirche im Mittelalter bereits Siebenjährige vor Gericht stellte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts dann waren es in deutschen Gegenden meist 25 Jahre, die man gelebt haben musste, um endlich als „mündig“ wahrgenommen zu werden. Heute gibt es den gelegentlich etwas unentschlossenen Ansatz, dass man mit 16 zwar vielleicht schon ein Auto lenken, aber erst mit 18 wählen oder ein Gewehr kaufen kann. In den USA muss man dann immer noch drei Jahre warten, bis man Alkohol und Tabak bekommt.
In der DDR ging das deutlich schneller als in der BRD
Seit genau 50 Jahren beginnt in Deutschland, wie in den meisten anderen Ländern, die Volljährigkeit mit dem 18. Geburtstag. Zumindest in der BRD, wo – trotz einiger Bedenken der CSU – am 1. Januar 1975 durch die Senkung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre rund 2,5 Millionen Jugendliche über Nacht ihre „volle Geschäftsfähigkeit“ erlangten. In der DDR hatte man diese Grenze bereits ein Vierteljahrhundert zuvor gezogen. Aber warum bekamen im Römischen Reich dann selbst noch 29-Jährige bei vertraglichen Dingen sogenannte Curatores zur Seite gestellt, welche für sie mitentschieden? Durfte man in Rom länger Kind sein? Mitnichten. Eher sollten die Curatores sicherstellen, dass Abgaben eingetrieben und die Stadtfinanzen gefüllt wurden.
Klar, es gibt immer wieder auch die, die – wie Peter Pan – am liebsten nie erwachsen würden. Zum Beispiel, weil sie in der Bibel gelesen haben: „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ Auch bei Shakespeare wird gewarnt: „Wenn vierzig Winter deine Stirne drücken … sinkt deiner Jugend Kleid“.
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Konsumentinnen von Produkten, die Haut verjüngen soll, werden selbst immer jünger. Unsere Autorin sieht das kritisch. Weshalb zieht sie trotzdem mit? Und wie verliert man die eigene Angst vor der Hautalterung?
Es existieren doch Unterschiede zwischen dem biologischen, dem juristischen, dem gefühlten und dem angestrebten Alter. Sind 16-Jährige wirklich schon in der Lage, wie bei der jüngsten Europawahl, an der Urne politische Entscheidungen zu treffen? Sollte man durch ein „Wahlhöchstalter“ nicht lieber schlecht gelaunte Greise von der Urne fernhalten? Die „sittliche Reife“, welche der Bundeskanzler dem früheren Finanzminister jüngst absprach, sie ist ein weites Feld.Hape Kerkeling, 60, erzählte jüngst, seine Großmutter habe ihr ganzes Leben das Gefühl gehabt, sie sei 36. Auch das ist ein spannender Ansatz! Denn die Volljährigkeit mit 18 mag zwar mittlerweile international Standard sein (mit Ausnahmen: In den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa beginnt sie mit 21 Mondjahren, was 20 Jahren und vier Monaten entspricht). Mit der tatsächlichen oder gefühlten Reife des einzelnen Individuums jedoch hat sie vielleicht gar nichts zu tun.
Und wann ist der Mensch nun erwachsen? Oder, wie Herbert Grönemeyer in seinem bekanntesten Lied gleich elfmal fragt: „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Vermutlich ist die Antwort ganz einfach: Sobald er endlich kapiert, dass er Verantwortung trägt, für ein friedliches Zusammenleben aller.