
Mitten in … Sary Mogul
Auf Wandertour in Kirgisistan. Wir haben gerade das Dorf Sary Mogul verlassen, ein paar Jurten trennen uns von der aparten Kargheit des Alai-Gebirges, da kommt ein kleiner Mann auf einem Esel auf uns zugeritten, in den Händen ein Gewehr. Er lädt die Waffe durch. Puh. Herzrasen. Dann erkennen wir: Es ist kein Mann, sondern ein Junge, vielleicht neun Jahre alt. Er sagt etwas, das wir nicht verstehen, schaut grimmig, dreht sich um und schießt mit dem Luftgewehr über die Wiese. Dann feuert er ein paar Wörter auf Englisch: „Chocolate. Money. Cigarettes.“ Hier in der Gegend fragen Kinder gerne Touristen nach Süßigkeiten, aber der Junge übertreibt es ein bisschen. „Nein, sorry“, entgegnen wir möglichst ruhig. Da macht der Junge mit einer ausladenden Geste seinerseits ein Angebot: ob wir auch mal schießen wollen? Klingt verlockend. Aber wir gehen lieber weiter. Sebastian Erb

Mitten in … London Heathrow
Man lässt sich am Flughafen Heathrow mit einem Cappuccino auf einen freien Platz fallen und beginnt zu frühstücken. Die ältere Dame auf dem Nebensitz, langes graues Haar, geblümtes Halstüchlein, unterhält sich über Videocall laut mit ihrer Freundin, erst über den Dreck im Osten Londons („filthy“) und das schöne Chelsea, wo sie früher oft unterwegs gewesen seien. Dann, Themenwechsel: „Ich reise übrigens mit Pauls Gitarre.“ Die Dame tätschelt das Instrument neben sich. „Seine Asche ist noch immer in der Tasche.“ Wie bitte? „Sei nicht traurig“, entgegnet die Freundin aus dem Tablet, „bald kommen die Feiertage, du kannst dekorieren und die Kinder kommen zu Besuch.“ Die Dame seufzt, aber nur kurz. Nächstes Thema: die Katze, die gerne unter der Bettdecke liege. Und, ach ja, heizen mit Holz sei das einzig Wahre bei den Gaspreisen. Auf all das einen Schluck Cappuccino. Anna Günther

Mitten in … Nürnberg
Wer oft Bahn fährt, landet zwangsläufig bei der Frage, warum die Bahn noch Fahrpläne macht. Wäre es nicht angenehmer ohne? Was kommt, das kommt halt, oder es kommt nicht. Oder kommt nicht voran. Das Schlimmste im Leben sind unerfüllte Hoffnungen. Aber dann passiert das: Reise von Berlin nach München, schon laut Fahrplan besonders lang, was immerhin eine ehrliche Ansage ist – kein Sprinter, der nicht sprintet. Umstieg in Nürnberg, der Zug kommt später, kennt man. Dann bleibt er, mitten in der Nacht, am Gleis stehen. Es kommt die Durchsage, es werde auf den Fahrplan gewartet. Viel Zeit vergeht. Endlich die Durchsage, der Fahrplan sei da, es könne losgehen. Gefühlt passiert das im Schritttempo, München wird mehr als eine Stunde zu spät erreicht. Aber immerhin ist bewiesen, dass es ohne Fahrplan nicht geht. Jens Schneider
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