
Joschka Fischer, Sie erinnern sich vielleicht, erschien seinerzeit in Turnschuhen zur Vereidigung als hessischer Minister für Umwelt und Energie. Große Aufregung damals. Turnschuhminister! Was erlauben Fischer! Das ist nun bald vierzig Jahre her, und Fischers politischer Erbe Robert Habeck, noch Wirtschaftsminister im Bund, ist über die grüne Turnschuhphase schon weit hinaus.
Er ist – man kann das so sagen – Trikotminister. Habeck läuft zum Austausch mit dem Deutschen Fußball-Bund im pinken Auswärtstrikot der Nationalmannschaft auf, er sitzt bei seinem Handball-Herzensverein SG Flensburg-Handewitt im Teamtrikot auf der Tribüne, und auf Youtube wünscht er der deutschen Auswahl viel Glück für die Handball-Weltmeisterschaft, na klar: im Trikot der Nationalmannschaft, mitsamt Aufdrucken der Sponsoren: Lidl, Puma, Auto Hero.
Man wirbt ja für sonst nichts, außer vielleicht für Windräder, Wärmepumpen und sich selbst. Jetzt kann man natürlich fragen: Wo sind denn die Krawatten bei unseren Politikern geblieben, die Anzüge, die Bügelfalten, wo ist das Staatsmännische? Wie will man denn im pinken Auswärtstrikot eine Wahl gewinnen? Oder wenigstens ein paar Wählerstimmen?

Womöglich bin ich der Antwort auf diese Fragen ein Stück näher gekommen, als ich vergangene Woche in Thailand auf der Flucht vor grauer deutscher Winterkälte mit dem Auto in Richtung Süden fuhr. Linksverkehr, unbekannte Straßen. Immer die Augen offen halten – nicht nur für Mopeds, Tuk-Tuks und herrenlose Hunde, sondern auch für die Bilder am Straßenrand.
Frauen und Männer auf großen Plakaten. Mit festem Blick schauen sie einem in die Augen, und viele tragen Fußballtrikots, Sponsorenlogos inklusive: der Bierbrauer Chang an erster Stelle. Dazu das Vereinswappen des PT Prachuap FC, des aktuell Tabellensiebten der ersten Thai-Liga. Am Rand der Plakate leuchten große Zahlen: 1, 2, 3 … Die Aufstellung für das nächste Spiel? Nein, sagt ein Freund, der hierzulande lebt: Das ist Wahlkampf! So geht das hier!

Die Zahlen? Sind keine Trikotnummern, nein. Sind die Kandidatennummern auf der Liste zu den Provinzwahlen. Die Thailänder müssen sich keine Namen merken, sondern nur: Ich nehme die Nummer 3. Oder die 6. Oder die falsche 9. Häkchen dran! Fremden geben diese Plakate allerdings Rätsel auf: Will dieser Mann, will diese Frau auf dem Plakat tatsächlich regieren? Oder nur mal einen Elfmeter schießen?

Wenn das die Zukunft aller Wahlkämpfe ist, dann ist Habeck auf dem richtigen Weg. Stellen wir uns das mal in Deutschland vor, in großem Stil: Olaf Scholz im HSV-Trikot, die Nummer 1 und HanseMerkur auf der Brust – kann man ja immer brauchen, eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Friedrich Merz im Leibchen der Bundesjugendspiele, Markus Söder in Bayern-Rot, Nummer 12, Bankdrücker. Sahra Wagenknecht? Fantasy-Outfit: schön grell, darauf ein edel gesticktes Gazprom-Logo.
So könnten wir frohgemut in Wahlen gehen, und jeder wüsste, woran er ist. Vielleicht würde sich sogar mal einer oder eine im Schalke-Trikot auf das Wahlplakat trauen. Oder im Leipziger RB-Outfit mit fettem Red Bull vorne drauf. Wäre vielleicht nicht nur was für Jürgen Klopp, sondern auch für Christian Lindner: Deutsche Vermögensberatung, passt doch. Und dann würden irgendwann Fußball und Politik und Wirtschaft endlich eins, und vielleicht würde Habeck dann nicht nur grüner Trikotminister, sondern sogar mal Bundeskanzler, wer weiß.