
Der Milliardär und frühere Ministerpräsident Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in der Tschechischen Republik klar gewonnen. Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen liegt seine ANO-Partei mit knapp 36 Prozent der Stimmen deutlich vor dem bürgerlichen Bündnis Spolu von Regierungschef Petr Fiala, das auf gut 22 Prozent kommt.
Babiš könnte möglicherweise mit der rechtsextremen SPD von Tomio Okamura (rund acht Prozent) auf eine äußerst knappe Mehrheit im tschechischen Parlament kommen oder auf Stimmen der „Autofahrerpartei“ (Motoristé sobě, gut sechs Prozent) setzen, die ihren Wahlkampf vor allem auf den Protest gegen den Green Deal der EU konzentriert hat. Allerdings können sich die Ergebnisse noch leicht verändern, da es in der Tschechischen Republik keine Hochrechnungen gibt und kleinere Gemeinden in der Provinz meist schneller ausgezählt werden als die urbanen Zentren, in denen die bisherige Regierungskoalition ihre Hochburgen hat.
Babiš, der zwischen 2014 und 2017 bereits Finanzminister war und anschließend für vier Jahre als Regierungschef die tschechische Politik prägte, hatte bei der vergangenen Wahl 2021 knapp gegen Spolu verloren. Ministerpräsident Fiala bildete damals eine Koalition mit der liberalen Bürgermeisterpartei STAN und zunächst mit den tschechischen Piraten. STAN liegt nach derzeitigem Stand bei rund elf Prozent, die Piraten bei gut acht Prozent, weshalb die Parteien gemeinsam deutlich von einer Mehrheit entfernt sind. Das linkspopulistische Bündnis Stačilo, das die Tschechische Republik aus EU und NATO lösen und an Russland annähern will, scheitert mit rund 4,5 Prozent sicher an der Fünfprozenthürde.
Worauf Babiš im Wahlkampf setzte
Babiš hatte in seinem Wahlkampf vor allem auf die Unzufriedenheit vieler Tschechen über die hohe Inflation und die durchwachsene wirtschaftliche Lage gesetzt, auch wenn sich die Situation zuletzt immer weiter entspannt hatte. Doch der regierenden rechtsliberalen Koalition von Fiala war es nicht gelungen, die Stimmung zu heben. Demoskopen hatten schon vor der Wahl erwartet, dass viele Wähler des Regierungslagers enttäuscht zuhause bleiben würden.
Fiala wiederum hatte seinen Wahlkampf ganz auf die Person Babiš ausgerichtet, verbunden mit der Warnung, die Tschechische Republik werde sich unter ihm vom Westen lösen und dem moskaufreundlichen Lager zuwenden. Babiš unterhält enge Beziehungen zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und dem Slowaken Robert Fico, die sich in der EU regelmäßig gegen einen russlandkritischen Kurs stellen.
Milliardär hat eigene wirtschaftliche Interessen in der EU
Doch Babiš hatte zwar die Kriegsmüdigkeit gewisser Wählergruppen für sich zu nutzen versucht und immer wieder die Regierung in Kiew wie auch die Militärhilfe für die Ukraine kritisiert, doch achtete er auf eine klare Distanz zum Kreml und betonte immer wieder die Westbindung seines Landes. Wohl auch, weil er vor anderthalb Jahren im Präsidentenwahlkampf mit einem ukrainekritischen Kurs deutlich gegen den früheren NATO-General Petr Pavel verloren hatte, der sich als Garant für die Westbindung seines Landes gibt.
Mit Blick auf Brüssel hat Babiš zwar immer wieder gegen „Bürokratie“ und „Kontrollwut“ gewettert, doch geht kein Beobachter davon aus, dass er die Tschechen aus der EU führen würde. Schon allein weil der Milliardär mit seinem Agrofert-Konzern sehr starke eigene wirtschaftliche Interessen innerhalb der EU hat.
Nun ist fraglich, ob er mit der rechtsextremen SPD, die für einen Austritt aus EU und NATO wirbt, eine Koalition eingehen wird oder ob er wie 2017 auf eine Minderheitsregierung setzt, die von Fall zu Fall mit Stimmen der rechtsextremen SPD oder der „Autofahrerpartei“ Mehrheiten organisieren könnte. Im Gegensatz zu den Rechtsextremen machte die „Autofahrerpartei“ zwar mit Kritik an der EU und ihrem Green Deal Stimmung, will aber nicht aus der Union austreten. Viele ihrer Kandidaten stammen aus dem rechtsbürgerlichen Lager um den früheren Präsidenten Václav Klaus, der sich von Fiala und dessen Partei abgewendet hatte.