

Von nächster Woche an will die Bundesregierung ihre Beschränkungen für Rüstungsexporte nach Israel aufheben. So wurde es auf verschiedenen Kanälen verbreitet. Die Aussagen sind vielschichtig. Ein Blankoscheck sieht anders aus. Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte: „Die am 8. August verkündete Beschränkung zum Rüstungsexport nach Israel wird wieder aufgehoben.“ Die neue Praxis solle vom 24. November an gelten. „Die Bundesregierung wird in ihrer Entscheidung zu Rüstungsexporten generell wieder zur Einzelfallprüfung zurückkehren und auf die weiteren Entwicklungen reagieren.“
Der Hinweis auf die „Entwicklungen“ ist eine Einschränkung, auch wenn es keine Konditionierung gab. Ein Zusammenhang mit dem Waffenstillstand vom 10. Oktober wurde ausdrücklich hergestellt. Man kann davon ausgehen, dass Berlin auch das israelische Vorgehen im Westjordanland im Auge behält. Die Bundesregierung trete dafür ein, einen dauerhaften Frieden zu erreichen, der Israelis und Palästinensern ein Leben „in Würde, Frieden und Sicherheit“ ermögliche, wurde der Regierungssprecher weiter zitiert. Eine tragfähige Perspektive sei dabei eine zu verhandelnde Zweistaatenlösung. Deutschland engagiere sich bei der Versorgung der Menschen in Gaza und beim Wiederaufbau.
Am 8. August hatte Merz mitgeteilt, es würden „bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern“ mehr genehmigt, „die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“. Israel habe das Recht, sich „gegen den Terror“ der radikalislamischen Hamas zu verteidigen, sagte der Kanzler im Sommer und bekräftigte die Forderungen nach einem Waffenstillstand, der Freilassung der israelischen Geiseln und der Entwaffnung der Hamas. Aber das zu dem Zeitpunkt „beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen“ lasse „immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen“.
Merz will auf Israel Einfluss nehmen
CDU-Chef Merz reagierte mit dem Schritt, mit dem er die eigenen Reihen in der Union überraschte und so manchen auch verstörte, auf innenpolitischen Druck, nicht zuletzt durch seinen Koalitionspartner SPD. Aber seine Worte enthalten ebenso wie die Ankündigungen vom Montag auch einen außenpolitischen Anspruch: Einfluss darauf zu nehmen, wie Israel seine Mittel zur Selbstverteidigung wählt.
Reine Symbolpolitik ist das nicht: Laut dem Stockholmer Institut Sipri war Deutschland 2020 bis 2024 nach den USA zweitgrößter Waffenlieferant Israels. Die deutsche Rüstungsexportpolitik ist seit je in einer Matrix unterschiedlicher Ziele gefangen. Pia Fuhrhop hat sie in einer Analyse für die Stiftung Wissenschaft und Politik so beschrieben: sicherheitspolitische Einflussnahme, Stabilitätsexport, Schutz der heimischen Industrie, Förderung der europäischen Rüstungskooperation. Betrachte man die Praxis anhand der verfügbaren Daten (das ist in diesem sicherheitssensiblen Thema eine wichtige Einschränkung), ergäben die empirischen Untersuchungen nicht, dass Deutschland durch den Export von Rüstungsgütern den selbst gesteckten Zielen wesentlich nähergekommen wäre. „Rüstungsexporte sind ein Instrument, dessen Erfolg auf Langfristigkeit und Verlässlichkeit ebenso beruht wie auf einer Machtasymmetrie zwischen Geber und Empfänger“, sagt Fuhrhop. „Diese Voraussetzungen waren oftmals nicht gegeben oder wurden im Vorfeld nicht hinreichend berücksichtigt.“
Kritiker der Entscheidung von Merz im August hatten neben der besonderen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit der Existenz Israels auch das Thema Verlässlichkeit in den Mittelpunkt gerückt. Das betraf auch die Interessen der Rüstungsindustrie, die angesichts der Zeitenwende nicht mehr als Schmuddelkind der Wirtschaft angesehen wird.
Dann produzieren sie eben in Amerika
Aus der Deckung wagte sich der bayerische Zulieferbetrieb Renk, der Getriebe unter anderem für israelische Kampfpanzer und Transportfahrzeuge herstellt. Im Bayerischen Rundfunk wurden Überlegungen zitiert, die Bauteile in den USA herzustellen. Das Unternehmen begründete das mit Vertragstreue und Verantwortung gegenüber Israel. Man wünsche sich klare Vorgaben aus der Politik, „wo und aus welchem Grund und aus welcher Motivation wir wohin exportieren wollen oder auch nicht exportieren wollen“.
Die gesetzlichen Grundlagen sind schwammig, was von verschiedensten Seiten beklagt, aber von Regierungen jeglicher Couleur gerne in Kauf genommen worden ist. Schließlich ermöglicht dieser Zustand ein gewisses Maß an Flexibilität. Das Grundgesetz schreibt in Artikel 26, Absatz 2 vor, dass zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden dürfen. Das Nähere regeln das Außenwirtschaftsgesetz samt Verordnung, ein „Gemeinsamer Standpunkt“ der EU sowie ein Grundsatzpapier der Bundesregierung von 2019. Es läuft darauf hinaus: Rüstungsexporte in die EU oder an Staaten der NATO werden grundsätzlich gebilligt, außer es spricht konkret etwas dagegen. Bei Drittstaaten ist es umgekehrt.
Verweigert wird nach den Grundsätzen, wenn der Verdacht besteht, dass gelieferte Waffen zu interner Repression und systematischen Menschenrechtsverletzungen verwendet werden. Außerdem keine Lieferung in Länder in bewaffneten Auseinandersetzungen oder drohenden militärischen Konflikten, mit Ausnahme des Selbstverteidigungsrechts nach Artikel 51 der VN-Charta. Aber: Solange der Export aus Sicht der Regierung im deutschen außen- und sicherheitspolitischen Interesse liegt, sind Ausnahmen gestattet.
