Vorweihnachtliche Tradition beim Festhallenreitturnier in Frankfurt

Der lila Teppich ist ausgerollt. Er führt mitten hinein in das Reitsportparadies, das sich alljährlich zur Adventszeit in der Frankfurter Festhalle entfaltet. „Pferde! Ich habe Pferde entdeckt!“, ruft eine junge Frau beim Übergang vom Messeturm, wo sich der Einlass für die Turnierbesucher befindet. Durch die Fensterfront hindurch sind ein paar Vierbeiner zu sehen, die von ihren Pflegern auf dem Vorplatz herumgeführt werden. Einmal drinnen in der Gudd Stubb, bekommen die Zuschauer dann mehr als genug zu sehen. Die Pferde tanzen unter ihren Reitern durchs Viereck, galoppieren durch den Stangenwald oder werden – mit stolzem Reiter-Nachwuchs auf dem Rücken – am Zügel durch die Manege geführt.

Auf der Verkaufsmesse, die sich über mehrere Etagen erstreckt, sind die Tiere auf T-Shirts, Jacken und allen möglichen anderen Dingen zu sehen. Auf einem Baby-Body steht die Frage: „Is it too soon to ask for a pony?“ Allein die Christbaumkugeln mit Pferdekopf, die auf einigen Plakaten prangen, sucht hier vergebens.

Für den guten Zweck: Die Geschenkeaktion für bedürftige Kinder ist Teil des Rahmenprogramms.
Für den guten Zweck: Die Geschenkeaktion für bedürftige Kinder ist Teil des Rahmenprogramms.Jannis Schubert

Weihnachtlich geht es beim Traditionsturnier natürlich trotzdem zu. An der Decke über der Wettkampfstätte baumeln riesige goldene und silberne Sterne, Girlanden mit Lichtern zieren die Logen, die am besten zur Geltung kommen, wenn sich bei den Siegerehrungen Dunkelheit über die Ränge senkt. Bei den Dressurprüfungen halten kleine Nikoläuse die Buchstaben, an denen sich die Reiter orientieren, um an den richtigen Stellen die geforderten Lektionen zu absolvieren.

Auf einem Thron können sich die Besucher mit einer Nikolausmütze ablichten lassen, die wie das Dekor in der Turnierfarbe Lila statt in Nikolaus-Rot gehalten ist. Ein Japaner nutzt gerade die Gelegenheit und lächelt vergnügt in die Handykamera seines Anhangs. Überall glitzert und blinkt es, auch auf den Helmen, die die Sportler tragen, den Ärmeln der Jacken ihrer Begleiter oder den Trensen der gemeinsamen Schützlinge.

Für Ann Kathrin Linsenhoff, deren Familie die Fäden hinter den Kulissen zieht, bringt die Festzeit aber auch Verantwortung mit sich, die über das Sportliche und das Wohlergehen der Pferde hinausgeht. „Wir erleben in der Welt gerade unruhige Zeiten“, sagt die Kronbergerin, „da braucht man umso mehr solche Momente des Zusammenkommens in der Familie“, der eigenen ebenso wie jener, in die sie all jene einbezieht, die ihre Liebe zu Pferden teilen. Die Mannschafts-Olympiasiegerin von 1988, die selbst aus einer sehr wohlhabenden Familie stammt, zählt aber auch all jene dazu, für die es nicht selbstverständlich ist, einen solchen Tag inmitten von Glanz und Glamour zu genießen: Unter einer großen, geschmückten Tanne werden bunte Geschenkpakete für Jungen und Mädchen gesammelt, die aus sozial benachteiligten Familien stammen.

Für jeden Geschmack: Auf der Verkaufsmessse werden während des Turniers selbstverständlich auch Reitstiefel unter die Leute gebracht.
Für jeden Geschmack: Auf der Verkaufsmessse werden während des Turniers selbstverständlich auch Reitstiefel unter die Leute gebracht.Jannis Schubert

Jugendliche, die im Heim aufwachsen, gestalten seit mittlerweile 25 Jahren Hindernisse für den Großen Preis, die höchstdotierte und finale Springprüfung, die am Sonntagnachmittag die Turniertage beschließt, und sie werden zu dem Ereignis eingeladen. Die Zuschauer küren ihren Liebling unter den kreativen Hand-Werkern, und die Sieger werden ausgezeichnet.

Vor dem VIP-Bereich steht zudem ein lila Pferdemodell mit Schärpe, auf dem die Vorbilder im Sattel goldene Handabdrücke und Unterschriften hinterlassen und das später für eine Spende von 10.000 Euro den Besitzer wechselt. Von der Spendenaktion für karitative Zwecke, „Hand in Hand für die Region“, profitieren diesmal zwei Projekte: der Miteinanderfonds der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, der hilft, Ideen zu verwirklichen, die Begegnungen in der Nachbarschaft fördern sollen, sowie das Diesterweg-Stipendium in Offenbach, das begabte Kinder mit Bildungsbarrieren auf ihrer Laufbahn durch die Schule unterstützt.

Wie eine andere Welt für sich, fast wie eine Oase, wirkt das Kinder-Zimmer: Söhne und Töchter von Teilnehmern und Zuschauern können hier gemeinsam Zeit verbringen. Auf einem Tisch in der Mitte stehen Mal- und Bastelutensilien, es gibt ein großes Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel und viele andere bunte Anregungen für potentiellen Spaß, aber auch gemütliche Sitzgelegenheiten zum Chillen.

Medizinstudentin Joyce Kachunga und die angehende Grundschullehrerin Nele Diehl übernehmen hier im Auftrag einer Event-Agentur die Aufsicht. Wenn es gerade nicht regnet, werde draußen auch mal Fußball gespielt, berichtet die zwanzigjährige Diehl. Auch die Kinder, die aus Reiterfamilien stammten, hätten schließlich nicht immer nur Pferde im Kopf. Vom bevorstehenden Weihnachtsfest ist hier wenig zu spüren, immerhin trägt Kachunga kleine Adventskränze als Ohrringe.