Vor der WM in Nordamerika: Ein Fußball-Fest in Mexiko

N un ist es offiziell. Der 11. Juni wird in Mexiko-Stadt ein Feiertag. Zumindest im kommenden Jahr. An diesem Tag beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer, die in den USA, Kanada und Mexiko ausgetragen wird. Und im Azteken-Stadion der mexikanischen Hauptstadt wird das Eröffnungsspiel stattfinden. Grund genug für Bürgermeisterin Clara Brugada, einem Teil der arbeitenden Bevölkerung einen freien Tag zu gönnen.

Das passt zu ihrer Ankündigung, den Fans eine „gerechte Gesellschaft“ zu bieten. Die linke Politikerin verspricht „eine WM ohne Klassismus, Rassismus, Machismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung“.

Soll heißen, alle, die wollen, können an der Meisterschaft teilhaben. Eine Kinder-WM für 40.000 Mädchen und Jungs ist geplant, Fußballpartys in jedem Stadtviertel, hundert neue Kickplätze, bessere Busverbindung. Und eine funktionierende Wasser- und Abwasserversorgung – jedenfalls dort, wo das Azteken-Stadion liegt.

Womit wir beim üblichen Thema wären. Im Vorfeld des Großevents boomt der Immobilienmarkt. Und das ausgerechnet in Vierteln, in denen bislang prekäre Verhältnisse herrschen. Seit Jahren kämpft etwa der Stadtteil Santa Ursula Coapa mit Wasserknappheit und rotten Rohren, die die brüchigen Straßen überschwemmen.

Schicke Wohnungen in prekären Vierteln

Nun entstehen dort schicke Wohnungen, von denen die An­woh­ne­r*in­nen nur träumen können. Die Projekte könnten die Wasserlage noch verschärfen, während ihre Versorgung selbstverständlich gewährleistet werden wird. Ganz abgesehen von der weiteren Dynamik: teurere Alltagswaren, illegaler Bauboom, Korruption. Brugada verspricht trotzdem Gutes. „Die Bevölkerung hat Priorität.“

Ob sich die Linkspolitikerin gegen die Dynamik des Marktes durchsetzen kann, muss sie erst noch beweisen. Fünf Millionen Be­su­che­r*in­nen erwartet Mexiko-Stadt während der WM, die Hotelpreise steigen auf das Dreifache.

Und dann ist da noch Airbnb. Die Wohnungsvermittler sind offizieller Partner des Weltfußballverbands Fifa und werben mit „alternativen Unterkünften und exklusiven Erlebnissen“. Also neben günstigeren Übernachtungen auch Events, um den „authentischen Spirit“ der Stadt kennenzulernen, und Trainings mit ehemaligen Fußball-Ikonen.

Nachdem die Regierung Airbnb zunächst geradezu umworben hatte, um Tou­ris­t*in­nen anzulocken, ist das Geschäft inzwischen zum Problem geworden. Mittlerweile dürfen Wohnungen so nur noch 180 Tage im Jahr vermietet werden.

Aber während der WM wird das Angebot massiv genutzt werden, besonders in den sicheren Wohngegenden. Apropos Sicherheit. Brugada verspricht, dass zahlreiche Straßen besser beleuchtet werden. Außerdem will sie neue Kameras installieren. Mexiko-Stadt werde mit 143.000 Apparaten die am meisten videoüberwachte Stadt des Kontinents.

Wer genug Geld hat, muss sich um Leib und Leben keine Sorgen machen. Sicherheitsfirmen wollen „VIP-Fans“ anbieten, sich gefahrlos in den Austragungsorten Mexiko-Stadt, Guadalajara und Monterrey zu bewegen.

Ein Unternehmen stellt dafür eine Flotte von 80 gepanzerten Autos bereit: schusssichere Scheiben, extrastabile Reifen, Elektroschocker an den Griffen und die Möglichkeit, aus den Rädern Pfefferspray zu sprühen. Die Miete soll 800 bis 1.100 US-Dollar pro Tag kosten; wer Fahrer und Begleitschutz will, muss 500 US-Dollar drauflegen.

Auch Kartelle lieben Fußball

In der Hauptstadt sind die Gefahren geringer, aber in Guadalajara könnten die gepanzerten Autos von Vorteil sein. Dort ist das berüchtigte Jalisco-Kartell beheimatet. Morde, Entführungen und Schießereien sind alltäglich.

Ob die Kriminellen während der WM unangenehm auffallen wollen, ist jedoch fraglich. Meint jedenfalls der Sicherheitsexperte David Saucedo. Auch die soziale Basis der Kartelle wolle die Spiele genießen, sagt er.

Außerdem könnten sich Strafverfolger und Kriminelle auf einen unausgesprochenen Deal einigen: Keine Operation gegen die Mafia, im Gegenzug keine blutigen Aktionen. „Eine Art WM-Waffenstillstand“, so Saucedo. Herzlich willkommen in Mexiko!