Real Madrid, Chelsea London, Juventus Turin, FC Liverpool oder Inter Mailand: Seit die Eintracht ein professioneller Fußballklub ist, was bekanntlich schon ein paar Jahre der Fall ist, spielte sie gegen all diese europäischen Spitzenvereine und noch ein paar mehr. Glaubt man den Statistiken im Internet, waren es über all die Jahre insgesamt 241 Gegner.
Auch in Frankreich zog sie ihre Kreise: In den Siebzigerjahren verspielte die Eintracht eine Führung in Monaco, in den Achtzigern verlor sie in Sochaux. Vierzig Jahre später folgten ihr über zehntausend Fans nach Bordeaux, sie gewann dort ebenso wie zweimal in Marseille. Nur einmal verloren die Frankfurter seit der Niederlage in Sochaux in Frankreich: Als sie sich für die Europa League in der Spielzeit 2019/20 qualifizieren wollten, überrannte sie eine aufgestachelte Straßburger Mannschaft.
Keine Schnittmenge mit Olympique Lyon
Bei sechs Auswärtsspielen jenseits des Rheins gewann die Eintracht also dreimal, spielte einmal Unentschieden und verlor zweimal. Insgesamt sieht die Bilanz noch besser aus, weil die Frankfurter alle ihre Heimspiele gegen französische Teams gewannen. Neun Siege holte sie aus zwölf Partien.
Aber Moment mal, da fehlen doch zwei Teams. Mit Paris Saint-German duellierte sich die Eintracht immerhin schon ein paarmal auf dem Transfermarkt, in den vergangenen Jahren verkaufte sie zwei Spieler (Randal Kolo Muani und Willian Pacho) für insgesamt 135 Millionen Euro dorthin. Nur mit Olympique Lyon gibt es keine Schnittmenge. Das ist verwunderlich, schließlich ist der Klub aus der drittgrößten Stadt des Landes auch ein echter Traditionsverein.
Anfang dieses Jahrtausends wirbelten Spieler wie Juninho und Karim Benzema durch die Strafräume von Brest bis Marseille, Lyon gewann einen Titel nach dem anderen. Diese Zeiten sind zwar schon länger vorbei, aber noch immer gilt OL, wie sie den Klub in Frankreich rufen, als großes Team. Aktuell belegt Lyon den fünften Platz in der Liga, in der Europa League ist es der siebte Rang. Ein Heimspiel ging gegen Besiktas Istanbul verloren, ansonsten erspielten sich die Franzosen starke zehn Punkte.
Drei weniger als der Tabellendritte aus Frankfurt, der mit einem Sieg am Donnerstag (21 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL) ins Achtelfinale des Europapokals einziehen will. In der Zwischenrunde steht die Eintracht bereits – weil sich die Teams rund um den 24. Tabellenplatz noch gegenseitig Punkte wegschnappen, würde sie selbst bei drei verlorenen Spielen weiter europäisch spielen. Nur würden sie diese Runde in Frankfurt gern vermeiden.
Zwar hat die Eintracht in dieser Saison einen der stärksten Kader der vergangenen Jahre – aber sie hat auch einige Spieler, auf die sie nicht verzichten kann und die deshalb nicht alle drei Tage spielen sollen. Sonst geht es ihnen wie Hugo Larsson, dem jungen Antreiber im Mittelfeld: ein falscher Schritt und voilà, schon zwickt der Oberschenkel. In Lyon dürfte Larsson erst einmal auf der Bank sitzen, gegen Augsburg spielte er am vergangenen Wochenende gar nicht.
Ist die schlappe Eintracht entschlüsselt?
Weil auch seine Kollegen nicht so recht ins Spielen kamen, ließ die Eintracht zwei Punkte liegen. So interpretierten das zumindest einige Beobachter. Man könnte auch sagen: Sie blieb im sechsten Ligaspiel in Folge ungeschlagen und kam zurück, nachdem der Gegner das Spiel gedreht hatte. Gegen Leipzig hatte sie im Pokal ohne Chance verloren.
Es gibt nun also zwei Deutungen: Diese zwei Spiele waren eine kleine Delle, die zweite nach blassen Auftritten gegen Leverkusen, Riga und Union Ende Oktober. Option zwei wäre besorgniserregender: Die Gegner haben eine schlappe Eintracht entschlüsselt und ausgetüftelt, wo Omar Marmoushs Wege hinführen. Das wären keine guten Aussichten für die restliche Saison. Schließlich lauerte bei all dem Lob für das furiose Überfallspiel im Hinterkopf stets die Frage, was denn nun der zweite Plan sein könnte, wenn die Verteidiger sich schlauer aufstellen und sich nicht auskontern lassen.
Doucement, langsam, wird sich Dino Toppmöller denken. Seine Mannschaft hat oft gezeigt, dass ihre große Qualität ausreicht, um Gegner mit verschiedenen Spielstilen zu besiegen. Und in Lyon könnte es eines der klassischen Auswärtsspiele der Eintracht gegen einen starken Gegner im Europapokal werden. OL hat Künstler in seinen Reihen, Spieler wie Rayan Cherki, der wegen seiner Tricks in halb Europa gehandelt wird. Marmoush und Ekitiké verstehen solch eine Spielweise als höfliche Einladung. Auch OL wird ihnen diese Freiräume versperren wollen. So wie die französische Polizei den deutschen Fußballfans: Bis zum frühen Freitagmorgen ist es ihnen nicht erlaubt, sich in zwei Vierteln der Stadt aufzuhalten.