Vor dem EU-Gipfel: Einmal Wettbewerbsfähigkeit und zurück

Der EU-Gipfel steht bevor, auf der Tagesordnung steht wieder einmal (auch) die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft, und alle Beteiligten müssen den Eindruck erwecken, dass sie dieses Ziel ganz besonders nachdrücklich verfolgen. Das Muster ist seit vielen Jahren bekannt. Bekannt ist auch, dass am Ende eines Gipfels meist nur warme Worte herauskommen. Die Bürokratie will die EU seit vielen Jahren abbauen, noch länger steht die „Vollendung“ des Binnenmarkts auf dem Brüsseler Programm.

Hat sich daran in den vergangenen anderthalb Jahren etwas geändert? Die Italiener Enrico Letta und Mario Draghi haben Berichte vorgelegt, und vor allem Draghis Erkenntnisse gelten in Brüssel seither als Blaupause für ein neues europäisches Wirtschaftsmodell. Dabei wird übersehen, dass Draghis Bericht so lang ist, dass sich jeder das heraussuchen kann, was er für richtig hält. Die EU-Kommission versucht mit allerlei Initiativen, Draghis Anregungen mit Leben zu erfüllen. Behördenpräsidentin Ursula von der Leyen hat in dieser Woche rechtzeitig zum Gipfel neue nachgelegt. Wie viel die Kommission davon am Ende verwirklicht, ist für sie politisch nicht entscheidend.

Für die Galerie sind auch die Forderungen der Mitgliedstaaten. Es ist wohlfeil, wie der Bundeskanzler einen „echten Kulturwandel“ zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit zu fordern oder wie 18 Staats- und Regierungschefs der Kommission einen „stetigen Fluss von Omnibussen“ (gemeint sind weitere Vereinfachungsvorschläge) abzuverlangen. Noch unaufrichtiger sind Vorwürfe an die Kommission, diese habe die jüngsten Aufträge der Staaten nicht erfüllt.

So scheitert die Idee eines sogenannten 28. Regimes, also eines gemeinsamen EU-Rechtsrahmens für Unternehmen zuallererst an den Mitgliedstaaten. Nur weil sie deren Widerstand voraussieht, hat die Kommission dazu noch nichts vorgelegt. Und dass die Staats- und Regierungschefs abermals eine „Vereinfachung“ der Fusionskontroll- und Beihilferegeln fordern, spricht erst recht gegen sie. Sie ignorieren abermals, dass Wettbewerbsfähigkeit im Wettbewerb entsteht, nicht durch dessen Abschaffung.