Von König Charles bis Prinz Andrew: Welcher Royal lebt wo – und warum?

Die kleinste Residenz des britischen Königshauses ist um­geben von ihrem größten Anwesen. Das „Welsh Cottage“ steht mitten im „Großen Park von Windsor“ und ist eigentlich nur für Königskinder ein Zuhause. Das reetgedeckte Spielhaus hat bloß die Zweidrittel-Größe einer Bauernkate und kam vor fast 100 Jahren als Geschenk für die Töchter des damaligen Duke of York nach Windsor – gestiftet von der walisischen Handwerkerschaft, die auf diese Weise ihr Können demon­strieren wollte. Der damalige Herzog von York wurde kurz darauf anstelle seines ­älteren Bruders Edward britischer König, und seine älteste Tochter Elisabeth wurde zur Kronprinzessin. Die Spielhütte verfügt über eine komplette Küche und ein Bad und liegt nur einen guten Steinwurf weit von der Royal Lodge entfernt, jenem strahlend weißen Schlossbau, der vor neun Jahrzehnten das eigentliche Zuhause von Elisabeth II. und ihren Eltern war und der seit 22 Jahren, seit dem Tod ihrer Mutter, von ihrem zweiten Sohn Prinz Andrew ­bewohnt wird.

Der ließ vor zwei Jahrzehnten das Anwesen, dessen Kern mehr als 200 Jahre alt ist und das von mehreren Monarchen als Ausweichquartier oder Landsitz genutzt, mehrfach umgebaut und verunstaltet wurde, abermals für umgerechnet rund zehn Millionen Euro sanieren, zahlte außerdem eine Art einmaliger Nutzungsgebühr von mehr als einer Million Euro und wohnt seither ausweislich des Überlassungs­vertrags praktisch mietfrei – eine Klausel bestimmt, er habe „ein Pfefferkorn“ jährlich zu entrichten, falls dies verlangt werde. Andrews Mietrecht endet nach 75 Jahren im Jahr 2078 und kann an seine Töchter vererbt werden.

Bestandteil des „Kronbesitzes“

Die Royal Lodge verfügt über mehr als 30 Schlafzimmer und gehört nicht zum persönlichen Eigentum der Königsfamilie oder zum Verfügungsbesitz des jeweiligen Monarchen, wie Schloss Windsor oder der Buckingham-Palast, sondern ist Bestandteil des „Kronbesitzes“. Der umfasst jenes Staatseigentum, dessen Herkunft sich von der Krone ableitet, dazu zählen vielfältige Ländereien, große Teile der Londoner Innenstadt und weite Abschnitte der Küstengewässer um die Britischen Inseln. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Kronbesitz mehr als 1,25 Milliarden Euro Gewinn für die britische Staatskasse.

F.A.Z.

Zur Royal Lodge gehören überdies mehrere kleine „cottages“, Nebenbauten, die einst zur Unterbringung von Dienstpersonal, von Gärtnern und Kutschern, errichtet worden waren und jetzt den Personenschutz Prinz Andrews beherbergen. Für dessen Kosten war jahrzehntelang Königin Elisabeth II. aufgekommen; nach ihrem Tod entschied König Charles III. aber, dass sein Bruder die Kosten künftig selbst zu tragen habe. Überdies versuchte Charles offenkundig, Andrew zum Umzug in das bescheidenere Frogmore Cottage zu bewegen, eine weitere Residenz in der Parklandschaft von Windsor, die zuvor von Charles’ zweitem Sohn Harry und dessen Gattin Meghan bewohnt worden war.

Vor sechs Jahren hatte Andrew im Zuge seines intransparenten Verhältnisses zu dem amerikanischen Missbrauchstäter Jeffrey Epstein alle Ehrenämter und öffentlichen Aufgaben abgegeben und aufgehört, ein „aktives“ Mitglied der Königsfamilie zu sein. Jetzt, nachdem das Missbrauchsopfer Virginia Giuffre in ihrer postum erschienenen Biographie Behauptungen erneuerte, sie habe Andrew sexuell zu Diensten sein müssen, und nachdem bekannt wurde, dass Andrew Epstein länger freundschaftliche Treue hielt als öffentlich angegeben, kommen neue Fragen über die finanziellen Verhältnisse des Prinzen auf. Dass Andrew sich vor einer Woche entschloss, auch auf das Tragen seines Herzogstitels und auf alle Auszeichnungen zu verzichten, brachte ihm keinen Frieden. Nun richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit abermals auf seine Wohnverhältnisse, und Forderungen werden laut, er müsse eine „marktübliche“ Miete zahlen.

Das Areal ist mehr als 60 Quadratkilometer groß

Der Grundbesitz um Schloss Windsor umfasst neben dem „Großen Park“ auch die Flächen zweier Bauernhöfe, allerlei Schaugärten und den „Home Park“, einen eigens gesicherten Schlossgarten direkt am Wohnsitz des Königs. Das Areal ist mehr als 60 Quadratkilometer groß, sowohl der Englische Garten in München als auch der Central Park in Manhattan hätten also fast 20-mal darin Platz. Die Burg, die den Kern des Schlosses bildet, wurde von Wilhelm dem Eroberer auf einem Kalksteinfels über der Themse errichtet. Seit mehr als 900 Jahren dient sie als Wohnsitz englischer Könige, wobei die gegenwärtige neogotische Gestalt der Anlage wesentlich aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Prinz Andrew: König Charles versuchte, ihn  zum Umzug zu bewegen.
Prinz Andrew: König Charles versuchte, ihn zum Umzug zu bewegen.dpa

Viele Monarchen haben in dem aus­gedehnten Gelände südlich und westlich, das lange Jagdgebiet war, später Park und Sportgelände wurde, ihre eigenen Jagdhütten und Sommerhäuser hinterlassen, die jetzt diversen Mitgliedern des Hauses Windsor als Unterkunft dienen. Zu den größeren Etablissements zählt Cumberland Lodge, das wie die Royal Lodge nur mit allergrößtem Understatement in die Kategorie eines Jagdhauses passt und das nach einer ganzen Serie illustrer Bewohner seit 1947 eine Jugendbildungsstätte beherbergt. Als eine Art Exklave des Großen Parks gilt schließlich Bagshot Park, ein in der viktorianischen Zeit rund 30 Kilometer südwestlich von Windsor entstandenes Herrenhaus, das dem jüngsten Bruder des Königs, Edward Herzog von Edinburgh, als Wohnsitz dient und das als hervorgehobene Besonderheit ein Billardzimmer in indischem Stil aufweist.

Prinzessin Eugenie hat angeblich ein Auge auf das Haus geworfen

Das bescheidende Frogmore Cottage wiederum, nicht zu verwechseln mit dem größeren Frogmore House nebenan, hätte dem in Ungnade gefallenen Prinzen Andrew eine bescheidenere Heimstatt innerhalb des Home Park von Windsor ge­boten und damit auch seine Bewachungskosten vermindert. Doch ein Grund dafür, dass Andrew dieses Ansinnen bislang ausschlug, mag darin gelegen haben, dass eine seiner Töchter, Prinzessin Eugenie, angeblich ein Auge auf das vakante Haus geworfen hat. In dessen unmittelbarer Nachbarschaft, gleichfalls innerhalb des gesicherten Home Park, liegt Adelaide Cottage, ein Landhaus ähnlicher Größe, auch mit vier Schlafzimmern – und mit aller­hand Stilelementen ausgestattet, die aus der Royal Lodge stammen sollten, für die einst der Architekt John Nash (der auch den Buckingham-Palast entwarf) dort keine Verwendung mehr fand.

Adelaide Cottage war einst die Behausung von Peter Townsend, dem Stallmeister Georgs VI. und seiner Tochter Elisabeth II., der jedoch Haus und Dienst am Hofe verlassen musste, nachdem er ein Verhältnis mit Prinzessin Margaret, der Schwester der Königin, begonnen hatte. Townsend soll das Cottage als „Eisschrank“ bezeichnet haben, da es bloß über zwei Heizkörper verfüge. Die letzten Mieter von Adelaide Cottage, der Thronfolger William, Prinzessin Kate und ihre drei Kinder George, Charlotte und Louis, bereiten gerade ihren Aus- und Umzug in ein größeres Anwesen innerhalb des Windsor-Gartenreichs vor. Sie leben künftig in der weiter westlich gelegenen Residenz Forest Lodge, nicht weit von der Galopprennbahn Ascot entfernt.

Auch dieses aus dem 18. Jahrhundert stammende, in seiner Außenansicht nicht besonders ansprechende Anwesen hat eine wechselvolle Geschichte. Lange Zeit wohnten die Aufseher des Großen Parks darin, später kam es als ein Zuhause für Prinzessin Anne, der Schwester des Königs, ins Gespräch, anschließend wurde es privat vermietet. Nun soll es zum dauerhaften Wohnsitz des Prince of Wales und seiner Familie werden und mit acht Schlafzimmern auch genug Platz bieten, um Kinderfrau und Haushälterin aufnehmen zu können. Der Palast lässt wissen, die ­Waleses seien für die Renovierung selbst aufgekommen und zahlten eine „markt­übliche Miete“ an den Kronbesitz. Vor Weihnachten wollen sie einziehen.