Im Volkswagen -Konzern jagt derzeit eine Krisensitzung die nächste. So auch in dieser Woche, als sich mehrere Tausend Führungskräfte zur „Management Information“ zusammenschalteten, einer digitalen Informationsrunde für Spitzenkräfte. Man müsse mit den Kosten runter, es gehe nicht anders, bekräftigten Arne Meiswinkel, Personalvorstand der Marke VW, und Gunnar Kilian, oberster Personalmanager im Konzern, wie Teilnehmer berichten.
Auch in der Mitteilung, die danach an alle Beschäftigten ging, war klar zu erkennen, dass VW den Druck hoch halten will. „Wir dürfen keine Zeit verlieren, es steht viel zu viel auf dem Spiel“, lässt sich Kilian darin zitieren.
Vor wenigen Tagen haben „technische Kommissionen“ mit Konzernvertretern und Gewerkschaftern die Arbeit aufgenommen, um eine Lösung im Machtkampf um Werksschließungen und den Abbau Zehntausender Stellen auszuloten. Alles ist hochkomplex, und die Zeit drängt: Ende kommender Woche tagt der Aufsichtsrat. Dann, so ist zu hören, wollen die Kontrolleure zumindest ein Gefühl dafür bekommen, „ob da ein Weg zusammenführt“, wie es ein Manager ausdrückt.
In der Woche danach treffen sich IG Metall und Management offiziell zur dritten Verhandlungsrunde über einen neuen Haustarif. Die Positionen lägen „weit auseinander“, die Gefahr eines Scheiterns sei hoch, lautet eine verbreitete Einschätzung. Auch weil die Forderungen des Vorstands knallhart sind, wie jetzt immer deutlicher hervortritt.
Erhebliche Einsparungen geplant
Zwei Milliarden Euro, so wird intern vorgerechnet, wollen die Konzernvertreter durch tarifliche Einschnitte sparen, allen voran eine Senkung der Entgelte um zehn Prozent, Nullrunden in den Jahren 2025 und 2026 und weniger Boni und Zuschläge. Wer aber glaubt, dass damit eine Schließung ganzer Standorte abgewendet wäre, der irrt.
Um 800 Millionen Euro, so die weitere Kalkulation, könnte die Schließung einer Fabrik wie Emden oder Zwickau das Ergebnis entlasten. Die Forderung werde „on top“ erhoben, sagt ein IG-Metaller. Dringt VW damit nicht durch, so die Drohkulisse des Konzerns, müsste der entsprechende Betrag wohl an anderen Stellen über Arbeitskosten hereingeholt werden. Soll heißen: Entlassungen im ganzen Produktionsnetz würden umso umfangreicher.
Alles in allem will VW über sein Effizienzprogramm das Ergebnis um mehr als zehn Milliarden Euro entlasten, auch durch bessere Aufgabenteilung der Marken, weniger Modellvarianten und günstigeren Einkauf. Zu Details der Fabrik- und Arbeitskosten äußert sich VW nicht.
Hintergrund des Konflikts ist die Krise, die derzeit in der ganzen Automobilbranche um sich greift. Um 15 bis 20 Prozent lägen die durchschnittlichen Personalkosten eines Tarifbeschäftigten der Volkswagen AG über den Personalkosten der Metall- und Elektroindustrie, rechnet Personalmanager Meiswinkel in der internen Mitteilung an die Belegschaft vor. Im aktuellen Umfeld aus verschärftem Wettbewerb und Nachfrageschwäche, so die Position von VW, ist das nicht mehr vertretbar. Auch die Kapazität soll sinken, um die Auslastungsprobleme in Deutschland in den Griff zu bekommen.
Was ermöglicht das VW-Gesetz?
Der Betriebsrat hält dagegen und droht mit Eskalation. Vom 1. Dezember an sind Streiks möglich. Die Gewerkschaft warnt außerdem, dass VW auf ältere tarifliche Regeln zurückfällt, wenn die Gespräche um einen neuen Haustarif und weitere Abkommen scheitern. Dann, so die IG Metall, würden die Kosten sogar steigen. Die Rede ist von einem Betrag an der „Milliardengrenze“.
Entlassungen im großen Stil, vor denen der Betriebsrat warnt, wären nach der Kündigung einer Beschäftigungsgarantie von Mitte kommenden Jahres an möglich. Steht bis dahin keine Einigung, müssten Gespräche um einen Sozialplan anlaufen. Das wiederum ist eine Aussicht, die dem Konzern alles andere als gefällt. Denn er sieht die Gefahr, dass mit diesem Instrument besonders die jungen und qualifizierten Mitarbeiter gehen. Besser wären gemeinsame Lösungen, sagt ein Manager. Doch die werde es eben nur geben, wenn die Kostenziele erreicht würden.
Komplex ist auch die Frage nach den Standorten. Das VW-Gesetz gibt den Arbeitnehmervertretern ein Vetorecht, wenn es um die „Errichtung und Verlagerung“ von Produktionsstätten geht.
Nach allgemeiner Lesart greift das womöglich nicht für den kleinen Standort Osnabrück, der nach abgesagtem Auftrag des Sportwagenherstellers Porsche demnächst ohne Arbeit dastehen könnte. Hier würde nichts „verlagert“, sondern eingestellt. Will VW dagegen aus großen Werken wie Emden oder Zwickau Modelle in polnische Fabriken überführen, griffen wohl alle Sonderrechte des Betriebsrats. Wie dieser Knoten zerschlagen werden soll, dazu fehlt vielen Strategen die Phantasie.
Rückendeckung der Politik scheint zu bröckeln
Die übliche Rückendeckung für den Betriebsrat aus der Politik scheint zumindest teilweise zu bröckeln. Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen „werden von uns bekanntlich sehr kritisch gesehen“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), qua Amt Mitglied des VW-Aufsichtsrats, in dieser Woche. Er schloss aber nicht per se aus, dass es dazu kommen könnte.
Aus der Belegschaft ist zu hören, dass manche Verantwortliche schon in Streikrecht und Regularien für den Arbeitskampf geschult werden. In Wolfsburg, so viel ist klar, droht ein Kampf, der sich lange hinzieht – und nach dem Aus der Ampelregierung in Berlin womöglich mitten in den Bundestagswahlkampf fällt.