Nach siebenstündigen Verhandlungen mit der IG Metall gibt der Wolfsburger Konzern erste Details darüber bekannt, wie das Unternehmen aus der Krise kommen soll. Demnach drohen erhebliche Lohnkürzungen. Die Gewerkschaft fragt indes, welchen Beitrag Manager und Aktionäre leisten werden.
Der angeschlagene Autohersteller Volkswagen hat nach einer langen zweiten Tarifverhandlungsrunde mit der Gewerkschaft IG Metall seinen Plan einer massiven Gehaltsreduzierung vorgestellt. Das Unternehmen setze sich für ein zehnprozentige Lohneinbuße und die Streichung einer Reihe von Sonderzulagen für die Beschäftigten ein, sagte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel am Mittwochabend nach fast siebenstündigen Verhandlungen in Wolfsburg. Auch dann stehe VW im Industriedurchschnitt immer noch als hochattraktiver Arbeitgeber da.
„Wir brauchen dringend eine Arbeitskostenentlastung, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Hierfür ist ein Beitrag der Belegschaft erforderlich“, sagte der VW-Manager weiter. „Nur wenn wir gemeinsam Lösungen finden, unsere finanziellen Ziele zu erreichen, dann können wir uns auch konkrete Perspektiven für die deutschen Standorte und eine mögliche Beschäftigungssicherung vorstellen.“
Pläne laut Gewerkschaft „nicht akzeptabel“
IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger bezeichnete die Pläne als „sowohl in der Form als auch in der jeweiligen Größenordnung nicht akzeptabel“ und als „dreister Griff in die Tasche der Beschäftigten“. VW habe eine lange „Giftliste“ an Einsparungspunkten vorgelegt, darunter neben der Lohnkürzung auch tarifliche Nullrunden und eine Reduzierung der Zahl der Ausbildungsplätze von 1400 auf 600.
Allerdings habe das Unternehmen angedeutet, über Pläne zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sprechen zu wollen, sagte Gröger weiter. Dies sei die „Mindestvoraussetzung“ dafür, dass die Gewerkschaftsseite die Verhandlungen nicht sofort abbreche. „Das heißt, damit ist erstmal vorläufig ein Scheitern der Verhandlungen abgewendet.“
Bei den aktuell laufenden Verhandlungen geht es um den sogenannten VW-Haustarifvertrag. Dieser gilt bisher nur für die Beschäftigten in den westdeutschen VW-Standorten. Arbeiter in den drei sächsischen Werken in Dresden, Chemnitz und Zwickau, werden bisher nach einem gesonderten Tarifvertrag bezahlt. 2021 einigten sich VW und IG Metall darauf, dass der Haustarifvertrag dann auch für die Werke in Ostdeutschland gelten solle. Noch im vergangenen Jahr feierte die Gewerkschaft das 75. Jubiläum des Haustarifvertrags mit VW.
Sparpläne sollten wohl Werksschließungen umfassen
Nach früheren Angaben des Betriebsrats und Medienberichten zufolge sehen die Einsparpläne von VW auch mehrere Werksschließungen sowie massive Stellenstreichungen vor. Zur Erreichung der festgelegten Einsparziele „können wir uns auch die Diskussion zu Perspektiven der Standorte und einer Beschäftigungssicherung vorstellen“, sagte Meiswinkel dazu.
„Es ist jetzt die Aufgabe der Tarifvertragsparteien, gemeinsame Lösungen zu finden“, sagte der Unternehmensvertreter weiter. „Das haben wir in der Vergangenheit bei Volkswagen in schweren Situationen immer erfolgreich erreicht und daran glauben wir auch jetzt.“ Gröger kritisierte wiederum, dass die Unternehmensführung keine Angaben dazu gemacht habe, welche Beiträge das Top-Management und die Aktionäre zur Bewältigung der aktuellen Krise leisten sollen.
Betriebsratschefin Daniela Cavallo dämpfte die Hoffnungen auf eine schnelle Einigung am Verhandlungstisch. Werksschließungen und Massenentlassungen seien nach wie vor nicht vom Tisch. „Dementsprechend warne ich auch davor, das als eine erste Annäherung zu interpretieren“, sagte sie. „Denn heute ist allenfalls der Startschuss für einen Marathon gefallen, bei dem nun endlich beide Seiten verstanden haben, dass sie gemeinsam durchs Ziel müssen.“ Doch, so Cavallo weiter: „Jetzt liegt wenigstens etwas auf dem Verhandlungstisch – auch wenn das meilenweit von unseren Vorstellungen entfernt ist.“
Nach Angaben beider Seiten wurden nun technische Verhandlungsgruppen gebildet, um in den kommenden Wochen weiter miteinander zu sprechen. Am 21. November soll es demnach eine dritte Verhandlungsrunde geben. Die Friedenspflicht endet Ende kommenden Monats, Warnstreiks wären ab dem 1. Dezember möglich.
VW kämpft wie viele europäische Hersteller mit niedrigen Absätzen besonders bei E-Autos, zunehmend harter Konkurrenz aus China und zugleich hohen Kosten im Heimatland. Am Mittwochmorgen hatte der Konzern seine Quartalszahlen vorgelegt und verzeichnete darin einen Gewinneinbruch von 63,7 Prozent.
AFP/Reuters/dpa/jag