Vierschanzentournee in Oberstdorf: Prevc entschwebt der Konkurrenz, Hoffmann nachträglich auf Platz drei – Sport

Domen Prevc flog und flog und flog, und er wollte überhaupt nicht mehr aufhören zu fliegen. Bei 140 Metern landete er im zweiten Durchgang des Auftaktspringens der Vierschanzentournee in Oberstdorf. Sein erster Sprung hatte ihn sogar noch 1,5 Meter weiter getragen. Und Prevc, dem zuvor bis zur Station in Engelberg fünf Weltcupsiege in Serie gelungen waren, reckte gar nicht mal so überschwänglich die Arme in die Höhe. Der 26-jährige Slowene kennt das ja schon mit dem Jubeln. 17,5 Punkte lag Prevc am Ende vor Tournee-Titelverteidiger Daniel Tschofenig aus Österreich. Das sind Welten im Skispringen.

Da Prevc’ zweitplatzierter Landsmann Timi Zajc nachträglich wegen einer Abweichung von drei Millimetern in der Beinlänge seines Anzugs disqualifiziert wurde, landete der zunächst viertplatzierte Felix Hoffmann (132,5/136 Meter) doch noch auf dem Treppchen. Auch Philipp Raimund (136/133 Meter), der in den vergangenen Wochen im Weltcup wie Hoffmann teilweise überragend gesprungen war, überzeugte auf Platz fünf. Das Duo hatte die Hoffnungen seiner Landsleute bereits im ersten Durchgang bestätigt, Hoffmann war auf Platz sechs gelandet, Raimund auf Rang sieben. Nun fahren sie zumindest mit dem Gefühl zum zweiten Springen am Neujahrstag nach Garmisch-Partenkirchen, im Konzert der Großen mithalten zu können.

„Ich durfte glücklicherweise doch noch zur Siegerehrung mit aufs Podest, das war das i-Tüpfelchen. Gerade auch in Oberstdorf, wo es nicht immer einfach ist“, sagte Hoffmann: „Das Publikum hat mich beflügelt.“ Raimund fand selbstkritisch: „Die Sprünge waren zwar noch nicht auf dem allerbesten Level, aber ich bin sehr zufrieden. Der Domen fliegt halt auf einem anderen Level gerade.“ Und Bundestrainer Stefan Horngacher schwärmte fast: „Sie haben sehr gut performt, super Sprünge gemacht und dem Druck standgehalten in dem Stadion unter der Kulisse.“

Die 74. Auflage der Vierschanzentournee begann in Oberstdorf mit einem Traumtag voller Sonnenschein, einer mit 25 500 Zuschauern seit Anfang September ausverkauften Schanze am Schattenberg – und einem mit Ausnahme von Hoffmann und Raimund eher ernüchternden ersten Durchgang für die deutschen Skispringer. Pius Paschke (33.), Luca Roth (45.), Andreas Wellinger (49.) und Constantin Schmid (50.) verpassten alle den Finaldurchgang – vor allem für Paschke und den ohnehin formschwachen Wellinger eine herbe Enttäuschung: „Ich habe mich heute auch wieder brutal schwergetan mit dem Gefühl, dass ich sauber durch den Radius durchfahre. Es ist dann nur ein Ziehen und Legen, wenn ich viel zu schnell in den Flug übersetze, knapp an der Kante, ohne Energie und Höhengewinn“, sagte Wellinger. Die Teambilanz las sich also auch nach Karl Geigers Aus in der Qualifikation, der am Sonntag auf Rang 53 gelandet war, nicht wirklich gut.

Dabei hatte sich Oberstdorf herausgeputzt für den Grand-Slam-Auftakt der Skispringer, auch wenn das Medienaufkommen seit der Corona-Pandemie spürbar nachgelassen hat. Die Zuschauer strömen nach wie vor in die Marktgemeinde im Oberallgäu, im Zentrum bat DJ Niklas Bitzenauer am Montag zur Après-Ski-Party, um 19.30 Uhr stand Livemusik mit der „Riedberg Partyband“ auf dem Programm. Schon mittags hatte sich eine kilometerlange Schlange an Skisprungfans durchs Ortszentrum die Roßbichlstraße und die Schanzenstraße hinauf zur Arena am Schattenberg gekämpft.

Vorbei an der Dampfbierbrauerei (Motto: „Wo Herzen höherhopfen“) mit ihrem streng limitierten Skispringerbier, an der Oberstdorfer Holzschnitzerei, am Traditionsgasthaus „Zum wilde Männle“, der Eliteschule des Sports samt DSV-Trainingsstützpunkt und am Schützenhaus („letzter Stand vor der Schanze“). Ganz oben, mit schwarz-rot-goldenen Hüten, prognostizierte eine Achter-Fangruppe von der SG Dinkelsbühl-Segringen schon mal das Ergebnis: „Raimund Dritter, der war in der Quali stark, Hoffmann in den Top Ten“, sagte ihr Sprecher Jörg Müller. Vor 20 Jahren seien sie zuletzt in Oberstdorf beim Skispringen gewesen, nun mischten sie sich wieder unter die Zuschauer im vollen Stadion. Ein Paar aus der Gruppe feierte Hochzeitstag, der 86-jährige Opa war auch dabei – nur mit ihrer Prognose lag die Gruppe knapp daneben.

Eigentlich war Oberstdorf oft ein gutes Pflaster für die Deutschen, mit insgesamt 23 Tagessiegen führen sie die historische Wertung mit Abstand an. Allerdings schafften es weder Wellinger noch Geiger bei ihren jüngsten Auftaktsiegen 2023 und 2020, die Tournee auch zu gewinnen. Nun stürzten sie regelrecht ab. „Es war absehbar, dass es schwer wird. Das müssen wir aktuell so hinnehmen, das darf aber die Leistung der anderen zwei nicht schmälern. Denn die war außergewöhnlich gut“, sagte Horngacher. Zumal Hoffmann und Raimund, wie der Bundestrainer beschrieb, eher auf der Oberstdorfer Schanze ihre Probleme hätten: „Garmisch liegt ihnen deutlich besser.“

Prevc geht nun als Topfavorit in die drei kommenden Springen

Zugleich sieht es schon nach dem ersten Springen ganz danach aus, dass die 24 Jahre alte Sehnsucht, einen Nachfolger für den letzten deutschen Gesamtsieger Sven Hannawald zu küren, eine Sehnsucht bleibt. 19 Punkte liegt Hoffmann bereits hinter Prevc, dafür aber nur zwei Zähler hinter dem Zweiten Tschofenig.

Prevc, der Dominator dieser Saison, geht nun auch als Topfavorit für diese Tournee in die nächsten drei Springen. Vor Weihnachten hatte der Slowene in Engelberg noch gesagt: „Das Geheimnis liegt darin, jeden Tag konsequent zu sein und jeden Tag darauf hinzuarbeiten, der Beste zu sein.“ Und auf die Frage hin, ob er sich nun als Favorit für die Vierschanzentournee sehe, antwortete er: „Ich denke, ich sollte mir diese Mentalität zu eigen machen. Andererseits muss ich aber auch bescheiden bleiben und mir bewusst sein, dass die Arbeit nicht von alleine erledigt wird.“

Es sah aber irgendwie schon so aus, als würde Prevc wie von Geisterhand geführt die Schattenbergschanze hinuntergleiten.