Vierschanzentournee: Domen Prevc siegt, Felix Hoffmann Dritter

Der Nachmittag in Oberstdorf war ein meteorologisches Gedicht: strahlender Sonnenschein, kühle, klare Luft, spektakuläre Fernsicht, ehe sich ein eiskalter Abend anschloss. Mit diesen Verhältnissen kam der große Favorit dieser 74. Vierschanzentournee beim Auftaktspringen von der Oberstdorfer Schattenbergschanze am besten zurecht – und zwar mit großem Abstand.

Domen Prevc aus Kranj in Slowenien segelte in beiden Durchgängen am weitesten durch die Nacht; er deklassierte dabei die Konkurrenz. Das gelang ihm in dieser Weltcup-Saison bereits sehr häufig und mit unglaublicher Konstanz. In Oberstdorf landete er bei 141,5 und 140 Metern – das war viel zu viel für die Konkurrenz.

Prevc siegte letztlich mit überdeutlichen 17,5 Punkten Vorsprung vor dem österreichischen Tournee-Titelverteidiger Daniel Tschofenig. Gleich dahinter folgte mit Felix Hoffmann der beste deutsche Starter, der es somit auf das Podest schaffte.

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Hoffmann profitierte dabei von der Disqualifikation des Slowenen Timi Zajc, der durch die Anzugkontrolle rasselte. Zajc wurde zuvor mit derselben Punktzahl wie Tschofenig notiert, doch nach seinem Aus fiel er komplett aus der Wertung. Neben Hoffmann platzierte sich auch dessen Teamkollege Philipp Raimund als Fünfter weit vorne. Beide besitzen herausragende Chancen bei der Tournee – nach Lage der Dinge allerdings auf Platz zwei der Gesamtwertung.

Die Abstände zwischen Tschofenig, dem Zweiten von Oberstdorf, bis hin zu dem Japaner Ryoyu Kobayashi auf Rang sechs betragen gerade einmal 4,2 Punkte; das entspricht nicht ganz zweieinhalb Metern. Die 17,5 Zähler Vorsprung von Prevc gegenüber Tschofenig wiederum ergeben umgerechnet fast satte neun Meter.

Sechster Sieg im 13. Weltcup-Springen für Domen Prevc

Das ist für einen Wettkampf enorm und könnte ein Hinweis darauf sein, dass Prevc nicht nur in der Form seines Lebens springt, sondern auch – wie Sven Hannawald 2002 sowie der Pole Kamil Stoch 2018 und Kobayashi 2019 – gleich alle vier Wettkämpfe der Tournee gewinnen könnte.

Denn derzeit springt niemand so stabil, so konsequent und schlicht so gut und überzeugend wie der 26 Jahre alte Prevc. Sein Oberstdorfer Erfolg war sein sechster Sieg im 13. Weltcup-Springen. Von den zurückliegenden sieben Wettkämpfen wiederum gewann er sechs und beendete einen, die Tournee-Generalprobe von Engelberg, als Zweiter. „Er hat schon ein paar Mal gezeigt, wie gut er ist“, sagte dazu Bundestrainer Stefan Horngacher.

Der Österreicher zeigte sich gleichwohl sehr zufrieden mit seinen beiden derzeit besten Athleten – „Sie haben außergewöhnliche Leistungen gezeigt“. Vor allem Hoffmann, der es erst in dieser Saison mit 28 Jahren in die Weltspitze schaffte, verblüffte seinen Coach mit seiner Ausgeglichenheit angesichts eines nicht zuletzt wegen ihm völlig euphorisierten und enthusiastischen Publikums am Schattenberg – das Stadion war mit 25.500 Zuschauern ausverkauft. „Das hat der Felix super gemeistert“, staunte Horngacher.

Noch im Rennen: Felix Hoffmann
Noch im Rennen: Felix Hoffmanndpa

Hoffmann wiederum blieb sich bei der Bewertung seiner Leistung (132,5 und 136 Meter) treu. Er analysierte entspannt und gelassen, und es wird zunehmend klar, dass es genau diese innere Ruhe ist, die ihn derzeit so erfolgreich von den Schanzen springen lässt. „Bis auf den Domen ist alles eng beieinander. Mit meinen beiden Sprüngen bin ich zufrieden“, sagte Hoffmann. Vor Oberstdorf erreichte er bereits dreimal einen Podestplatz, in der Weltcup-Gesamtwertung belegt er Rang sechs.

Dort ist Raimund (136 und 133 Meter in Oberstdorf) als Dritter noch besser platziert. Vor dem Wettkampf von Oberstdorf galt er als der für die Tournee aussichtsreiche Springer aus Horngachers Aufgebot. „Ich habe hier definitiv Spaß“, sagte Raimund, „ich bin insgesamt sehr zufrieden. Bis zu Platz zwei ist es supereng.“ Er selbst spüre, „dass bei mir immer noch Luft nach oben ist“.

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Sorgen dürfte Horngacher allerdings das Abschneiden seiner restlichen Skispringer bereiten. Neun starteten in Oberstdorf in der Qualifikation, sechs schafften es in den Wettkampf, und nur zwei von ihnen erreichten den zweiten Durchgang. Das ist eines der schlechtesten Gesamtresultate für ein deutsches Team bei der Tournee überhaupt. „Es war absehbar, dass es schwer wird“, sagte Horngacher dazu.

Bedenklich ist vor allem die Tatsache, dass der etablierte Karl Geiger es nicht einmal in den Kreis der 50 Starter für das erste Tourneespringen schaffte, während der zweimalige Olympiasieger Andreas Wellinger Rang 49 von 50 Teilnehmern belegte. „Das war nicht gut. Aber das schmälert aus meiner Sicht nicht die Leistung von Felix Hoffmann und Philipp Raimund“, bilanzierte Horngacher.

Über allen aber schwebte an diesem Montagabend im Allgäu der Slowene Domen Prevc, dessen Bruder Peter vor zehn Jahren die Tournee gewann. Und dessen Schwester Nika die Szene bei den Frauen mitbestimmt. In Oberstdorf gelang Domen Prevc der erste Sieg eines slowenischen Skispringers im Rahmen der Vierschanzentournee.

Er selbst schaffte es mit seinem Sieg erstmals bei einem Tournee-Wettkampf auf das Podest. Nach seinem Coup besitzt er nun als Einziger noch die Chance auf den Vierfachtriumph. Es wäre zumindest überraschend, sollte er seine enorm starke Form in den nächsten Tagen einbüßen.

Station zwei der Tournee ist Garmisch-Partenkirchen am Neujahrstag.

„Regel ist Regel“: Kontrolleur erklärt Disqualifikation

Skisprung-Kontrolleur Mathias Hafele kannte auch bei drei Millimetern keine Gnade. „Regel ist Regel. Da kann man keine Ausnahmen machen. Ausnahmen machen wir nicht“, sagte der Österreicher. Er hatte den Slowenen Timi Zajc beim Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert und ihn damit um Platz zwei gebracht. Stattdessen rutschte der Deutsche Felix Hoffmann auf Platz drei.

Knapp zehn Monate nach dem Anzugskandal um die Norweger kamen Erinnerungen an die WM-Bilder von Trondheim hoch. Doch die Situation um drei Millimeter Anzuglänge war diesmal eine ganz andere als in Norwegen, als die Gastgeber unerlaubt ein steifes Band in den Anzug eingenäht hatten. Dadurch wurden bewusst die Regeln gebrochen, um den Anzug tragfähiger zu machen.

Der Anzug von Zajc war am Bein um drei Millimeter zu lang. Ein größerer Anzug bietet mehr Fläche, sorgt damit für mehr Auftrieb und weitere Sprünge. „Lasst uns den Anzug ein bisschen stretchen, vielleicht ist dann in Ga-Pa alles okay“, schrieb der 25 Jahre alte Zajc auf Instagram mit Blick auf das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. Sein Teamkollege Domen Prevc hatte souverän gewonnen.

Die strenge Reaktion beim prestigeträchtigen Wettbewerb in Oberstdorf kam im Skisprung-Tross gut an. „Ich find’s gut. Das setzt ein Zeichen“, sagte der frühere Profi Markus Eisenbichler als Eurosport-Experte. Hafele selbst sagte, der Anzug habe bei der ersten Prüfung noch gepasst. „Aber was die danach mit den Anzügen machen. Ob sie die ziehen oder irgendwas, können wir nicht kontrollieren. Das ist absolut unmöglich“, sagte der Österreicher. (dpa)