Vienna Insurance kauft die Nürnberger – Wirtschaft

Die Nürnberger Versicherungsgruppe, mit 4200 Mitarbeitenden dort ein bedeutender Arbeitgeber, ist verkauft. Der österreichische Versicherer Vienna Insurance Group (VIG) macht den Aktionären des Unternehmens ein Angebot über 120 Euro pro Aktie, hat aber schon bindende Zusagen von Anteilseignern, die zusammen 64,4 Prozent halten, über die Abgabe von deren Aktien. Der jetzt gebotene Preis liegt deutlich über den 65 Euro, für die das Papier Anfang August gehandelt wurde, als der Verkaufsprozess mit der VIG begann. Die Nürnberger wird jetzt mit stolzen 1,38 Milliarden Euro bewertet.

Die Nürnberger hatte in den vergangenen 25 Jahren ihre Unabhängigkeit immer resolut verteidigt, nachdem sie 2001 einen Übernahmeversuch der Versicherungskammer Bayern (VKB) abwehren konnte. Doch erlitt das Unternehmen im Jahr 2024 einen erheblichen Verlust aus Problemen in der Gebäude- und Kfz-Versicherung und hat Altlasten bei der IT-Modernisierung und den Pensionsverpflichtungen. Deshalb hat der Vorstand unter Harald Rosenberger die Notbremse gezogen und einen starken Partner gesucht.

Jetzt muss die Finanzaufsicht Bafin der Übernahme zustimmen. Es gibt keine absehbaren Gründe, warum das Geschäft an der Aufsicht scheitern sollte. Es soll dann Ende März oder Ende Juni 2026 vollzogen werden.

Der Vorstand der Nürnberger war in den vergangenen Wochen von Aktionären wegen des intransparenten Verkaufsverfahrens kritisiert worden. Sie hätten lieber eine Auktion gesehen. Da ein börsennotierter Versicherer von der Größe der Nürnberger – sie erzielte 2024 etwa 3,7 Milliarden Euro Umsatz – äußerst selten zum Verkauf steht, war das Interesse auch bei anderen Gesellschaften groß. Doch der jetzt gebotene hohe Preis lässt die Kritiker verstummen.

Die Franken hoffen auf Eigenständigkeit, aber Wien hat große Erwartungen an den Gewinn

Die VIG ist mit 15,2 Milliarden Euro Umsatz zwar viermal so groß wie die Nürnberger, aber deutlich kleiner als die Branchenriesen Allianz, Axa oder Generali. Hätte einer von ihnen die Nürnberger gekauft, wäre sie in die bestehenden Strukturen eingegliedert worden und hätte ihre Eigenständigkeit verloren.

Doch die VIG ist in Deutschland bislang nur mit einer ganz kleinen Tochter vertreten, sie arbeitet vor allem in Österreich und in Osteuropa. Deshalb, so die Hoffnung in Nürnberg, könne man die Eigenständigkeit erhalten. „Mit der VIG gewinnen wir einen starken Partner, der unsere Werte teilt und unsere strategische Weiterentwicklung unterstützt“, wird Vorstandschef Rosenberger zitiert. „Die Partnerschaft gibt uns die Möglichkeit, als eigenständiges Unternehmen unsere Transformation signifikant zu beschleunigen und damit auch unsere Marktposition weiter zu stärken.“ Die Wiener hätten Zugeständnisse bei der Sicherung des Standortes, den bestehenden Arbeitsplätzen sowie der Marke gemacht, so die Nürnberger.

Allerdings: Die VIG ist ein hochprofitables Unternehmen, das deutlich höhere Renditen als die neue Tochter erwirtschaftet. Sie hat schon in der Vergangenheit neu übernommene Gesellschaften rigoros auf mehr Gewinn getrimmt. Auch die Nürnberger wird über kurz oder lang liefern müssen.

Dazu kommt, dass die VIG mit dem hohen Preis eine erhebliche Prämie für den Markteintritt in Deutschland zahlt, die Experten auf 400 Millionen Euro bis 500 Millionen Euro beziffern. Das Geld werden sich die Wiener wiederholen wollen. Die Zielmarke ist deshalb klar: Die Nürnberger soll ihren Gewinn mindestens verdoppeln. Das wird mittelfristig nicht ohne Reduzierung der Arbeitsplätze und andere Sparmaßnahmen gehen.

Das muss nicht schlecht sein für die Nürnberger. Sie braucht dringend einen starken Partner und einen Modernisierungsschub. Wie schlecht es um die Franken tatsächlich steht, verrät eine kleine Bemerkung in ihrer Mitteilung. Die VIG hat demnach der Nürnberger „erhebliche Investitionen zur schnellen Umsetzung eines Großprojekts zur IT-Transformation zugesichert, das die Schaffung einer modernen, effizienten und zukunftsfähigen Systemlandschaft vorsieht“. Auf Deutsch: Die Nürnberger kann den dringend erforderlichen IT-Umbau nicht aus eigener Kraft bezahlen. Das ist deutlich.