Die scheidende US-Regierung will die soziale Video-Plattform TikTok abschalten, wenn die chinesischen Eigentümer ihr US-Geschäft nicht verkaufen. Bislang gibt es dafür kaum ernsthafte Interessenten. Doch jetzt bringt sich überraschend ein kalifornischer Immobilien-Mogul und Sport-Investor ins Gespräch.
Die US-Regierung macht seit Längerem Druck auf die umstrittene chinesische Video-App TikTok. Aus Sorge davor, dass zu viele Daten nach China abwandern, will Präsident Joe Biden das Unternehmen ByteDance, das die App betreibt, dazu drängen, das US-Geschäft abzuspalten und zu verkaufen. Ein entsprechendes Gesetz ist bereits verabschiedet, schon zum 19. Januar – einen Tag vor Donald Trumps Amtsantritt – könnte das Verbot in Kraft treten.
Bislang kämpft ByteDance gerichtlich gegen das Verbot. Doch selbst wenn es sich auf einen Verkauf des US-Geschäfts einlassen würde: Bislang gibt es dafür kaum Kauf-Interessenten: Schließlich würde das Know-how um den Algorithmus, der den oft jungen Nutzern die Videos vorschlägt, in China bleiben.
Doch jetzt hat sich der Immobilienmagnat Frank McCourt, ehemaliger Besitzer des Baseball-Teams Los Angeles Dodgers, unerwartet als lautstarker Interessent für den Kauf von TikTok positioniert. McCourt und sein Team haben bereits Gespräche mit mehr als 60 gewählten Vertretern und politischen Entscheidungsträgern geführt, um ihre Argumente für einen möglichen Kauf von TikTok zu präsentieren. Auch mit Mitgliedern des Übergangsteams von Ex-Präsident Donald Trump haben sie über das Angebot gesprochen. Zudem suchen sie nach potenziellen Führungskräften für das Projekt und haben Kontakt mit dem ehemaligen TikTok-Top-Mananger V. Pappas aufgenommen, wie mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichten.
Obwohl McCourt laut dem „Bloomberg Billionaires Index“ mit einem Nettovermögen von 2,4 Milliarden Dollar nicht über die 25 Milliarden Dollar verfügt, die für den Kauf von TikTok erforderlich wären, hat er kürzlich Fundraising-Events in New York und San Francisco abgehalten, um potenzielle Bankpartner zu gewinnen. „Kapital ist hier nicht das Problem“, sagte McCourt.
Ein Vorteil für McCourt könnte seine enge Beziehung zu Donald Trump sein, die er über die Immobilienbranche aufgebaut hat. Trump hat wiederholt erklärt, dass er das Verbot von TikTok verhindern möchte, was darauf hindeuten könnte, dass er sich für einen Käufer einsetzen würde. „Er und ich kennen uns“, sagte McCourt in einem Interview mit er Agentur Bloomberg, fügte jedoch hinzu, dass er mit Trump nicht direkt über einen Kauf gesprochen habe. „Wenn er sagt, dass er es nicht verboten sehen will, wollen wir es auch nicht verboten sehen – und das bedeutet für mich einen Verkauf“, sagte McCourt.
ByteDance steht unter Druck, da das von Präsident Biden unterzeichnete Gesetz TikTok aus Gründen der nationalen Sicherheit angreift. Sollte das Unternehmen die App nicht verkaufen, könnte ein Verbot in Kraft treten. Ein weiteres Hindernis sind Pekings Exportrestriktionen, die chinesische Unternehmen daran hindern, ihre Software-Algorithmen, die für den Erfolg von TikTok verantwortlich sind, zu verkaufen.
ByteDance hat jedoch bereits erklärt, dass ein Verkauf der App nicht infrage komme. Eine endgültige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA wird für den 10. Januar erwartet, nur neun Tage vor dem geplanten Verbot. Analysten schätzen die Chancen von TikTok, das Verbot zu verhindern, auf lediglich 30 Prozent.
McCourt sieht sich als möglichen Retter in dieser Situation. Im Gegensatz zu anderen potenziellen Käufern will er den umstrittenen Algorithmus von TikTok nicht übernehmen. Stattdessen plant er, ein neues System zu entwickeln, das den Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten und Follower gibt. „Wir würden die App und das Gesicht der Plattform kaufen, aber nicht das Innenleben – den Algorithmus. Das ist der Schlüssel“, sagte McCourt. Diese Idee geht auf das Project Liberty zurück, das McCourt 2021 ins Leben rief – eine Initiative, die gegen die wachsende Macht sozialer Medien und die Kontrolle über Nutzerdaten ankämpft.
McCourt hofft, TikTok auf ein Servernetzwerk in den USA zu verlagern, das im Rahmen von Project Liberty aufgebaut wurde. Sein Konzept für „TikTok 2.0“ sieht vor, eine dezentralisierte Plattform zu schaffen, die es den Nutzern ermöglicht, selbst über ihre Daten und Beziehungen zu entscheiden.
Obwohl der Plan bisher nicht vollständig ausgereift ist, hat McCourt Unterstützung von amerikanischen ByteDance-Aktionären erhalten. Ein weiteres Hindernis für einen Kauf könnten jedoch andere potenzielle Interessenten sein, die über deutlich größere finanzielle Mittel verfügen. Im Jahr 2020, als TikTok unter der Trump-Regierung beinahe verkauft worden wäre, zeigten Unternehmen wie Microsoft und Oracle Interesse. Auch Amazon wird diesmal als möglicher Käufer gehandelt, ebenso wie Persönlichkeiten wie der ehemalige Chef von Activision Blizzard, Bobby Kotick, und der ehemalige US-Finanzminister Steven Mnuchin.
In der Zwischenzeit hofft McCourt auf weitere politische Unterstützung. Er hat bereits mit Abgeordneten beider Parteien gesprochen, darunter Mitglieder des Sonderausschusses für die Kommunistische Partei Chinas, und kürzlich ein Abendessen im kalifornischen Malibu veranstaltet, bei dem er 20 der größten TikTok-Influencer, die zusammen mehr als 100 Millionen Follower haben, über Project Liberty und „TikTok 2.0“ informierte.
Die Influencer, die oft den Launen der sozialen Netzwerke ausgesetzt sind, zeigten sich offenbar angetan von McCourts Plan, den Nutzern mehr Kontrolle über ihre aufgebauten Beziehungen zu ermöglichen. „Sie waren begeistert, dass sie ihre Beziehungen in einer neuen Version von TikTok tatsächlich besitzen würden“, sagte McCourt.
Ob McCourt mit seinem Vorhaben Erfolg hat, ist ungewiss. Es könnte auch sein, dass ByteDance sich dazu entschließt, TikTok in den USA zu schließen, anstatt die App unter Druck zu verkaufen. Trump hat zwar signalisiert, dass er TikTok vor einem Verbot bewahren möchte, doch es bleibt abzuwarten, wie sich seine Haltung entwickeln wird, sobald er mehr über die geheimen Informationen erfährt, die hinter dem Gesetz stehen.
Dennoch bleibt McCourt optimistisch: „China gewinnt, weil sie den Algorithmus nicht verkaufen. Die Aktionäre gewinnen, weil sie einen gewissen Wert für die US-Plattform erhalten. Die Nutzerbasis gewinnt natürlich, und Trump gewinnt, weil er eine Verpflichtung erfüllt hat. Und die amerikanischen Bürger gewinnen.“
Bloomberg/cuk