
Ob sich die ganze Tüftelei gelohnt hat, das zeigt sich oft erst Jahrzehnte später. Das Forschen in Laboren, die vielen Reisen auf Fachkongresse, der Austausch mit anderen Wissenschaftlern: Das kann sich im Nachhinein als langer Weg zum Ziel erweisen – oder als völlig unbedeutend. Dass Deutschland in der Corona-Pandemie mit einem mRNA-Impfstoff aufwarten konnte, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sich dennoch lohnt, an der Forschung dranzubleiben und die Erkenntnisse über Unternehmen auf den Markt zu bringen, in diesem Fall durch das Mainzer Unternehmen Biontech.
Die Hochschulen in Deutschland sind besonders gut aufgestellt in der Grundlagenforschung, die die Basis darstellt, um eine Innovation wie den mRNA-Impfstoff hervorzubringen. Diese Kompetenz wurde in den letzten Jahren gezielt gestärkt, etwa mit der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder. Die Initiative unterstützt Hochschulen, Projekte und Einrichtungen, die vielversprechende Forschung in Schlüsselfeldern vorantreiben. Hierfür sind von 2026 an jährlich 687 Millionen Euro vorgesehen.
Von der Spitzenforschung profitiert auch die Wirtschaft, die selbst eine wichtige Säule für Innovationen darstellt. Fast 70 Prozent der Aufwendungen in der Forschung und Entwicklung entfallen auf die Unternehmen, knapp 20 Prozent auf die Hochschulen. Zudem stammen etwa 15 Prozent der Drittmittel an den Hochschulen aus der Wirtschaft. Besonders nah dran an der Praxis sind für gewöhnlich Technische Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
Zwar findet nicht jede Erkenntnis aus der Hochschulforschung gleich Anwendung in einem kommerziellen Produkt, sagt Christian Rammer vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „Die technischen Lösungen sind teilweise zu komplex für die Praxis.“ Trotzdem bringen die Ideen aus dem Hochschulbetrieb die Unternehmen voran. Die Grundlagenforschung ist unverzichtbar. „In kaum einem Land ist der Austausch zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft so eng wie in Deutschland“, sagt Rammer. Es gebe einen regen informellen Austausch zwischen den Universitäten und den Betrieben, etwa bei gemeinsamen Veranstaltungen. Den Vorteil der universitären Forschung sieht Rammer allerdings nicht nur in dem Wissen, das generiert wird. „Vor allem sind die Hochschulen immens wichtig, um gut qualifizierte Leute hervorzubringen, die dann in den Unternehmen Innovationen vorantreiben.“
Trotz dieser guten Voraussetzungen ist Deutschland mit Blick auf die Patentanmeldungen in den letzten Jahren hinter China, den USA und Japan zurückgefallen. Das liegt insbesondere an der wachsenden Bedeutung digitaler Technologien und Software. Zwar sind dies zunehmend wichtige Forschungsfelder auch hierzulande, im internationalen Vergleich allerdings haben andere Länder technologisch die Nase vorn. Gemessen an der Wirtschaftsleistung spielt Deutschland nach wie vor weit vorne mit, was die Patentanmeldungen aus dem Hochschulbereich angeht. Nur die Schweiz, Dänemark und Südkorea übertreffen hierin die Bundesrepublik. Die meisten Patentanmeldungen kamen zwischen 2017 und 2021 von der Universität Dresden und der Technischen Universität München. Auf dem dritten Platz liegt die RWTH Aachen. Sie alle sind Teil von sogenannten Exzellenzclustern, die von der eingangs erwähnten Förderung durch die Exzellenzstrategie von Bund und Ländern profitieren.
Künftig soll es besser gelingen, auf der Grundlage der Spitzenforschung an deutschen Unis auch innovative Unternehmen hervorzubringen. Durch die Fortschritte etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz, Robotik und Biotechnologie ergeben sich auf dem Markt neue Chancen für Start-ups. Das gelingt bereits besser als noch vor einigen Jahren: Während im Jahr 2020 noch 2176 Unternehmen an Hochschulen gegründet wurden, waren es vier Jahre später bereits 2927. Pro 100 Millionen Euro Universitätsbudget hat Deutschland im vergangenen Jahr rund fünf Start-ups hervorgebracht, wie eine Auswertung des Berliner Wagniskapitalgebers Redstone zeigt.
Damit ist das Potential allerdings noch nicht ausgeschöpft, wie ein Blick in die Nachbarländer offenbart. So kommt Frankreich in diesem Vergleich auf 16, Spanien auf elf und England auf zehn junge Unternehmen. Zwar halten sich die Ausgründungen in Deutschland ziemlich lange am Markt. So hat eine Auswertung von ZEW-Forscher Rammer vor einigen Jahren gezeigt: Nach rund sieben Jahren sind noch gut drei Viertel der Unternehmen aktiv. Doch das Gründen eines eigenen Unternehmens ist in Deutschland mit zahlreichen bürokratischen Hürden verbunden, auch die Finanzierung in der frühen Wachstumsphase ist vergleichsweise schwierig. Dieses Problem bekämpft unter anderem der Hightech-Gründerfonds des Bundeswirtschaftsministeriums, der öffentliche und private Gelder verwaltet.
Zu oft noch klappt der Transfer zwischen Forschung und Praxis nicht. Biontech-Gründerin Özlem Türeci hat bemängelt, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht immer am Patientenbett ankommen. Wer neue Therapieformen entwickeln wolle, brauche ein Unternehmen. „Sonst war es am Ende nur ein weiteres Paper“, eine weitere wissenschaftliche Veröffentlichung also.