
Sie hatten viel erlebt in den vergangenen Jahrzehnten, auch viel erlitten. Früher einmal hatten die drei Geschwister namens Maria Luisa, Franco und Dino als Viehzüchter in der Landwirtschaft gearbeitet. Dann liefen die Dinge schief, Finanz- und Hypothekenprobleme drückten die Familie nieder, seit Langem hatten die drei Geschwister offenbar nur noch Kosten, keine Einnahmen. Nun war ihnen nur noch das Haus in der kleinen Gemeinde Castel d’Azzano nahe Verona geblieben, und auch das sollten sie verlieren. Rechtlich vermutlich alles korrekt, menschlich eine Tragödie. Die 59 Jahre alte Frau und ihre zwei älteren Brüder, 63 und 65 Jahre alt, waren aber nicht bereit aufzugeben.
Zweimal schon waren Zwangsvollstreckungen an ihrem Widerstand gescheitert. Vergangenes Jahr waren sie auf das Dach des Hauses geklettert und hatten gedroht, es in die Luft zu sprengen. Einmal hatte sich die Schwester mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen, so berichten es die Nachbarn.
Den Ordnungskräften musste also bekannt sein, dass die Räumung des Hauses riskant werden könnte. Entsprechend groß war das polizeiliche Aufgebot, das sich in der Nacht zum Dienstag formierte. Vornedran die Carabinieri, unterstützt von Spezialkräften und anderen Polizeieinheiten und der Feuerwehr. Allesamt, heißt es jetzt in italienischen Medien, hätten Schutzkleidung getragen und seien mit Sprengstoff ausgestattet gewesen. Ganz im Geheimen gingen die Vorbereitungen allerdings wohl nicht vonstatten: Die Brüder hatten, so wird berichtet, den Lastwagen der Carabinieri bereits zwölf Stunden zuvor in der Nähe ihres Hauses stehen sehen, folgerichtig rüsteten sie sich zum letzten Kampf.
In Medienberichten werden Anwohner mit den Worten zitiert: „Wir wussten, dass die Lage der drei katastrophal war. Das letzte Mal hatten sie sich mit Benzin übergossen. Sie hatten alles verloren. Sie lebten ohne Strom, ohne Gas, wie in einer Höhle.“ Weil ihnen alles gepfändet worden sei, hätten sie mehrfach damit gedroht: „Lieber sprengen wir uns in die Luft, als unser Haus zu verlassen.“
Als die Einsatzkräfte am frühen Morgen vorrückten und vielleicht hofften, die drei streitbaren Geschwister im Schlaf überraschen zu können, waren diese längst in Stellung. Als drei Polizisten die Tür aufbrachen, kam es zu einer gewaltigen Explosion. Vermutlich hatten die Bewohner mehrere Zimmer der Wohnung unter Gas gesetzt und die Schwester dieses dann mit einem Molotowcocktail entzündet. Sie kam mit Verbrennungen ins Krankenhaus, während die Brüder sich zunächst im Hof versteckt hatten und zu fliehen versuchten. Der mittlere, Dino, wurde sofort gestoppt, während der älteste, Franco, später auf den umliegenden Feldern aufgespürt und verhaftet wurde. Im Haus wurden fünf oder sechs Gasflaschen gefunden. Noch Stunden später brannte das Feuer, das Haus inmitten eines Straßenzuges ist komplett zusammengestürzt. Das entsprechende Bild prangte am Mittwoch auf der Titelseite vieler Medien, auch auf der der größten italienischen Tageszeitung, Corriere della Sera.
Der Anschlag kostete drei Carabinieri das Leben, einen 56 Jahre alten Oberleutnant, einen gleichaltrigen Oberbrigadier und einen jüngeren Kollegen, 36 Jahre alt. Zwei weitere Carabinieri wurden schwer verletzt und werden jetzt auf der Intensivstation behandelt. Elf weitere Carabinieri, drei Polizisten und neun Feuerwehrleute erlitten leichtere Verletzungen.
Die Erschütterungen, die von der Explosion ausgelöst wurden, reichten im übertragenen Sinn bis ins ferne Rom, Innenminister Matteo Piantedosi sagte: „Es war unvorstellbar, dass es zu einer solchen Aggression kommen konnte, der die drei Carabinieri zum Opfer gefallen sind.“ Staatspräsident Sergio Mattarella trauerte mit den Angehörigen der Toten. In Castel d’Azzano hat die Bürgermeisterin eine sechstägige Trauer ausgerufen, am Donnerstag findet um 18 Uhr ein Fackelzug zum Gedenken an die Toten statt. Die drei mutmaßlichen Täter werden sich voraussichtlich wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht verantworten müssen. Zunächst werden nun die Bodycams der Polizisten ausgewertet. Die Ermittlungen konzentrieren sich allerdings auch auf die Frage, warum die Einsatzkräfte trotz der Warnungen ohne weitere Sicherung in das Haus vorgedrungen sind.