
Milliardärslisten und Vermögensrekorde sind ein beliebtes Genre im Wirtschaftsjournalismus: Forbes, das Managermagazin oder, wie in diesem Fall, die Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlichen regelmäßig Schätzungen dazu, wie sich die Guthaben der besonders Wohlhabenden entwickelt haben. Das Problem dabei: Es handelt sich eben um Schätzungen, weil sich die echten Vermögensverhältnisse kaum einsehen lassen. Ökonomen kritisieren deshalb genauso regelmäßig die Veröffentlichungen, auch wenn der allgemeine Trend zutreffen mag.
Das Vermögen der 500 reichsten Menschen der Welt überschreite erstmals die 10-Billionen-Dollar-Grenze, heißt es nun bei Bloomberg. Die Top-500 konnten laut dem US-Wirtschaftsmedium damit ein Plus von rund 1,5 Billionen Dollar im vergangenen Jahr verbuchen. Angetrieben werde das Vermögenswachstum vom Boom des US-Tech-Sektors. 43 Prozent des Zuwachses entfalle demnach auf die acht führenden Köpfe der Tech-Giganten: Elon Musk (Tesla), Mark Zuckerberg (Meta), Jensen Huang (Nvidia), Larry Ellison (Oracle), Jeff Bezos (Amazon), Michael Dell (Dell) sowie Larry Page und Sergej Brin (beide Google).
Ganz oben auf der Liste steht weiterhin Musk – was das absolute Vermögen, aber auch was den Zugewinn angeht. Sein Vermögen wuchs laut Bloomberg um fast 230 Milliarden Dollar auf 442 Milliarden Dollar an. Sein Vorsprung zur Nummer Zwei der Liste, Amazon-Chef Bezos mit einem Vermögen von „lediglich“ 237 Milliarden Dollar, ist damit der größte von Bloomberg je erfasste Abstand zwischen dem ersten und zweiten Platz. Musk konnte offenbar durch seine engen Beziehungen zu president elect Donald Trump punkten. Die Aussicht auf eine favorisierte Stellung in der kommenden Regierung wirkte sich positiv auf die Börsenbewertung von Space-X und Tesla aus.
Aber auch andere Titel profitierten vom Ausgang der US-Wahl: Der US-Börsenindex S&P 500 legte allein am Tag nach der Wahl von Trump um 2,5 Prozentpunkte zu – der bis dato größte Anstieg nach einem Wahltag. Für die Vermögen der in ihm vertretenen Milliardäre bedeutete dies gemäß Bloomberg einen kombinierten Zuwachs von 505 Milliarden Dollar in den folgenden fünf Wochen.
Mit Vorsicht zu genießen
Doch wie zuverlässig sind Zahlen nun? Markus Grabka, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), weist auf einen entscheidenden Punkt hin: Die genannten Vermögenswerte seien keine verdienten Vermögen, sondern reine Markteinschätzungen der Unternehmenswerte. Einschätzungen, die vor allem im Fall der Tech-Giganten auf einem höchst volatilen Markt vorgenommen werden. „Die Börse ist keine Einbahnstraße“, zitiert er den US-Börsenjournalisten und -Experten André Kostolany. Genauso schnell, wie Aktienkurse steigen, könnten sie auch wieder fallen.
Auch fehlen oftmals die Verbindlichkeiten – also die Schulden – in der Berechnung der Vermögenswerte. „So haben amerikanische Kollegen mal die Forbes-Liste überprüft und die dort gelisteten Vermögenswerte kürzlich verstorbener Milliardäre mit den angemeldeten Erbsummen verglichen.“ Das Ergebnis: Die Erbsummen lagen gut die Hälfte unter den angeführten Vermögenswerten. Der Grund: Schulden, die vom Erbe abgezogen wurden.
Und dennoch: Auch wenn die genauen Zahlen solcher Listen nicht ganz zuverlässig seien, die allgemeinen Trends seien zutreffend. Auf Deutschland lassen sie sich aber nur eingeschränkt übertragen. Zwar entfällt laut einer Schätzung des DIW hierzulande rund 35 Prozent des Gesamtvermögens auf das oberste Prozent, während die unterste Hälfte der Bevölkerung nur über weniger als zwei Prozent des Vermögens verfügt. Doch die Vermögensungleichheit habe in den vergangenen 15 Jahren eher abgenommen, so Grabka.
Der große Gewinner im deutschen Vermögensvergleich sei dem Ökonomen zufolge die Mitte der Verteilung. Dies sei zum Teil auf die EZB-Zinspolitik zurückzuführen, die zum einen für einen Vermögenszuwachs bei den Häuslebauern der Mittelschicht und zum anderen für einen Verschuldungsrückgang gesorgt hat. Insgesamt leide der deutsche Vermögenstopf aber im Vergleich mit dem US-Äquivalent schon, was mit der Krise in den hiesigen Kernindustrien zu begründen ist.
Die größten „Verlierer“ der Bloomberg-Liste sind übrigens die französischen Luxusmarken-Chefs. Ihre Abhängigkeit vom Vertrieb auf dem aktuell schwachen chinesischen Markt kostete die Franzosen im vergangenen Jahr etwa 70 Milliarden Dollar.