
Zu den Begleiterscheinungen der Elternschaft zählt ein enormer Durchsatz von Konsumgütern im Haushalt. Ständig brauchen die Kinder irgendetwas. Sie brauchen Kleidung, Spielzeug, sie brauchen Betten, Kinderstühle, Fahrräder, sie brauchen Wintersachen, Sommersachen, Übergangssachen, sie brauchen sehr viel Zeug. Das stellt Eltern vor zwei Herausforderungen. Erstens: Wie lässt sich der Kram beschaffen, ohne in den Ruin zu stürzen? Und wie wird man zweitens die Sachen nach kurzer Gebrauchsphase wieder los, bevor eine Krempel-Mure die Familie aus der Wohnung spült? So werden viele Eltern also Teilnehmer auf dem Markt für gebrauchte Kindergüter.
Doch mit welcher Strategie sollten kauf- oder verkaufswillige Mütter und Väter in die Verhandlungen gehen? Die Ziele lauten dabei wie folgt: Es gilt, sich auf einen guten Preis zu einigen; es sollte überhaupt zu einer Einigung kommen; und es ist wünschenswert, dass die Beteiligten einander danach noch in die Augen sehen können. An diesem Punkt setzt sich nun die Wissenschaft mit an den Tisch, und zwar in Gestalt eines Teams von Psychologen um Hannes Petrowsky von der Leuphana-Universität Lüneburg. Die Wissenschaftler haben gerade den Forschungsstand zu den Effekten erster Angebote in Verhandlungen ausgewertet und eine Meta-Analyse in Organizational Behavior and Human Decision Processes veröffentlicht.
Verantwortlich ist wohl der Ankereffekt
Wer als Erster mit einem ambitionierten Angebot in die Verhandlung startet, so ein Kernergebnis der Auswertung von 90 Studien mit insgesamt 16 334 Probanden, erzielt mit höherer Wahrscheinlichkeit ein für ihn finanziell vorteilhaftes Ergebnis. Selbstverständlich hat auch das, wie alles, seinen Preis: Ein allzu freches erstes Angebot erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs der Verhandlungen oder ruiniert die zwischenmenschliche Beziehung, so es denn doch zu einem Abschluss kommt. Wer sich nach einem Geschäft übervorteilt fühlt, ist halt nicht so irre gut auf das Gegenüber zu sprechen. Also was tun? „Im Durchschnitt überwiegen die Vorteile eines ambitionierten ersten Angebotes“, sagt Petrowsky.
Um dieses Phänomen zu erklären, verweisen Wissenschaftler bevorzugt auf sogenannte Ankereffekte. Demnach dienen selbst zufällige Informationen oft als Anhaltspunkt, um Entscheidungen oder Einschätzungen daran auszurichten, und ein erstes Angebot wirkt als ein solcher Anker. Der aufgerufene Preis dient als Referenz, um ein Gegenangebot zu formulieren. Platt gesagt: Wenn die eine Partei 750 Euro verlangt, kostet es massive Überwindung, darauf mit einem Gegenangebot über 75 Euro zu reagieren. Zum einen, weil es sich unverschämt anfühlen würde, zum anderen aber, weil es durch die weite Distanz zum im Erstangebot ausgeworfenen Anker seltsam falsch wirkt.
Konkret sei das alles zwar hochgradig kontextabhängig, betont Petrowsky. Dennoch gelte in allen Fällen: Meistens sollte es erfolgversprechend sein, das erste Angebot abzugeben, und zwar egal, ob es um den Kauf eines Kinderbettes geht oder darum, territoriale Forderungen im Rahmen einer Friedensverhandlung zu formulieren. Wer zuerst fordert, kriegt den besseren Deal.
