Velouté und Grünlack mit Aussicht

Der Betrieb auf der Terrasse kommt langsam zum Erliegen. Nur noch an besonders milden Tagen können sich die Gäste einen Flammkuchen, ein Stück Zwiebelkuchen oder Brezeln mit Spundekäs durch die Fenster reichen lassen. Und natürlich ein Gläschen Gelblack Feinherb oder Rotlack Kabinett.

Das machen im Frühjahr und Sommer jeden Tag Dutzende, an den Wochenende manchmal auch Hunderte Besucher – und genießen die unvergleichliche Aussicht. Aber jetzt im Herbst wird es auf dem Platz vor der Schlossschänke Johannisberg ruhiger. Der große Ansturm von Touristen und Ausflüglern bleibt aus, dafür ist es inzwischen einfach zu ungemütlich.

Die Aussicht können die Gäste aber auch in der Schlossschänke genießen. Vor allem die Tische im großzügigen, lichtdurchfluteten Wintergarten bieten einen einzigartigen Blick auf die Rebhänge des Johannisbergs, hinunter zum Rhein und – wenn es das Wetter zulässt – nach Osten bis nach Mainz und gen Westen bis nach Rüdesheim und Bingen. Ähnlich beeindruckend und erhaben ist die Ausschau im Rheingau nur noch vom Rüdesheimer Berg aus – aber mit der Berühmtheit des Johannisbergs kann der nicht mithalten.

„Bodenständige und doch besondere Landküche“

Die 35 Hektar große Lage Johannisberg gilt als eine der besten im Rheingau. Sie war im Jahr 1720 die erste, die ausschließlich mit Riesling bepflanzt wurde. Mindestens ebenso stolz aber ist man in der Domäne auf die Tatsache, dass im Schloss Johannisberg die Spätlese entdeckt wurde: 1775 verspätete sich der Kurier, der die Erlaubnis des Fürstbischofs in Fulda zur Weinlese einholen sollte, um einige Wochen, sodass die Trauben an den Rebstöcken schon faulten. Der Kellermeister ließ trotzdem ernten und keltern – und kreierte so die Spätlese und einen neuen Weinstil.

Ein Glas Grünlack – die Domäne kennzeichnet ihre unterschiedlichen Rieslinge traditionell mit unterschiedlich farbigen Flaschenkapseln – ist bei einem Besuch der Schlossschänke also gewissermaßen Pflicht. Wer mag, lässt sich diesen delikaten Tropfen mit seinen exotischen Fruchtaromen und seiner feinen Mineralität zum Dessert oder Käse servieren, er ist aber auch ein wunderbar animierender Aperitif für ein entspanntes Mittag- oder Abendessen.

Augenweide für zwei Personen: Das Chateaubriand wird mit Spinat, Pilzen, Pfeffersoße, Sauce Béarnaise und Pommes Frites serviert.
Augenweide für zwei Personen: Das Chateaubriand wird mit Spinat, Pilzen, Pfeffersoße, Sauce Béarnaise und Pommes Frites serviert.Wonge Bergmann

Das Restaurant hat in diesem Jahr mit Bruno Sojer einen neuen Küchenchef bekommen und bietet nach eigener Definition eine „bodenständige und doch besondere Landküche“. Was das bedeutet, zeigt die angenehm übersichtliche Karte mit ihren kaum 20 Positionen: Neben Salat mit geflämmtem Ziegenkäse, einem klassischem Rindercarpaccio und einem im Ring mit einem in Rote-Bete-Saft schwimmenden Eigelb angerichteten Tatar findet sich dort unter den Vorspeisen zum Beispiel eine asiatisch inspirierte Lachsvariation.

Und bei den Hauptspeisen stehen geschmorte Wildschweinbäckchen neben amerikanischem Brisket und traditionellem Chateaubriand zur Auswahl. Das ist moderne deutsche Küche mit internationalem Appeal, die sich nicht scheut, einen deftigen Wiener Suppentopf neben einer bemerkenswert fein aromatisierten Velouté vom Bergkäse anzubieten.

Bei den Preisen bewegt sich die Schlossschänke dabei allerdings – wie die Domäne mit ihren Weinen – im Premiumsegment und damit mitunter an der Schmerzgrenze. So kann sich leicht ein Gefühl der Enttäuschung einstellen: Das von Petersilienkartoffeln, Gurken-Feldsalat und Preiselbeeren begleitete Wiener Schnitzel zum Beispiel kommt absolut solide an den Tisch, ist für 38 Euro aber doch ein bisschen schlicht. Der confierte Heilbutt mit zweierlei Spinat, Speck, Steinpilzen, Grapefruit, Rieslingschaum und Kaviar wirkt dagegen etwas überladen, ganz so, als wolle die Küche den stolzen Preis von 44 Euro für diesen Teller rechtfertigen.

Ein großes Plus der Schlossschänke ist ihr eingespielter Service. Zugewandt und zugleich entspannt führt er für den Gast Küche und Keller zusammen und empfiehlt passgenau die Rieslinge des Hauses zu den einzelnen Speisen – vom Gelb- und Rotlack über den Bronze- und Silberlack bis zum Grün- und Rosalack. Und diese Weine sind mindestens so beeindruckend wie die Aussicht den Rhein.

Schlossschänke Schloss Johannisberg, Geisenheim, Telefon 0 67 22 / 9 60 90, Internet www.schloss-johannisberg.de/schlossschaenke. Geöffnet mittwochs bis sonntags von 12 Uhr an, montags und dienstags geschlossen.