
Eine vegetarische oder eine rein pflanzliche Ernährung sind für sich genommen weder gesund noch ungesund. Entscheidend ist, ob die Ernährung insgesamt vielfältig und ausgewogen ist und aus einer Kombination aus Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Eiweißquellen und gesunden Fetten besteht. Fleisch hat den Vorteil, dass es Mikronährstoffe, Eisen und Eiweiß oder Vitamin B12 in sehr gut verwertbarer Form liefert, so Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl. „Der Nachteil von Fleisch ist, dass so viel hoch verfügbares Eisen darin enthalten ist, dass der Verzehr größerer Mengen für uns auch schädlich sein kann. Besonders rotes und hoch verarbeitetes Fleisch kann laut Weltgesundheitsorganisation Krebs verursachen.“ Fest steht: Eine vegane Ernährung benötigt eine gezielte Ergänzung, um den Bedarf an Nährstoffen zu decken – besonders bei Vitamin B12 und teils auch bei Eisen, Jod, Omega-3-Fettsäuren oder Vitamin D. Man sollte genau wissen, was man isst, um Mängel zu verhindern und auszugleichen.
Bei einer vegetarischen Ernährung, die auf Fleisch und Fisch verzichtet, aber regelmäßig Eier und Milchprodukte einschließt, gibt es in der Regel kein Problem bei der Versorgung mit Vitamin B12 und Kalzium. Aber insbesondere bei ovo-vegetarischer (Eier, aber keine Milchprodukte) oder sehr einseitiger Ernährung kann ein Mangel nicht ausgeschlossen werden. Eine vegetarische Ernährung kann auch zu einem Eisenmangel führen, da pflanzliches Eisen, auch Nicht-Häm-Eisen genannt, schlechter verfügbar ist als tierisches Eisen (Häm-Eisen). Das bedeutet, dass der Körper es nicht so effizient aufnehmen kann. Vor allem Frauen im gebärfähigen Alter können ein Risiko haben.
Eine vegane Ernährung führt in der Regel zu einem Vitamin-B12-Mangel. „Wenn ich mich rein vegan ernähre, leeren sich die Vitamin-B12-Speicher – sie halten etwa zwei bis drei Jahre, dann gehen sie langsam zur Neige. Weil Vitamin B12 so ein wichtiges Vitamin ist, haben wir dafür einen wirklich großen Speicher. Symptome eines Mangels können Müdigkeit, Muskelschwäche, Sensibilität und sogar Essstörungen sein. Unser Nervensystem braucht das Vitamin B12 auch zum normalen Arbeiten“, so Dr. Matthias Riedl. Vitamin B12 ist wichtig für die Blutbildung, die Zellteilung und für die Funktion unseres Nervensystems. Außerdem kommt es bei einer rein pflanzlichen Ernährung häufig zu einem Mangel an Eisen, Kalzium und Eiweiß mit möglichen weiteren Symptomen wie Muskelkrämpfen, trockener Haut bis hin zu Osteoporose.
Vitamin B12 steckt in größeren Mengen in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Eiern und Milcherzeugnissen. Ältere Menschen sollten ihren Vitamin-B12-Status beobachten, weil die Fähigkeit zur Aufnahme mit zunehmendem Alter abnehmen kann. Besonders Veganer sollten Vitamin B12 in ausreichender Menge zuführen, Präparate jedoch nur nach ärztlicher Diagnose einnehmen, denn Nahrungsergänzungsmittel in hohen Dosen können Nebenwirkungen haben.
Manchmal besteht ein Mangel an Vitamin B12 trotz bewusster Ernährung oder der Einnahme von Präparaten. Das kann verschiedene Ursachen haben. „Die Vitamin-B12-Aufnahme im Körper kann eingeschränkt sein“, so Dr. Matthias Riedl, „zum Beispiel durch Entzündungen im Magen-Darm-Trakt. Es gibt ein Protein im Magen-Darm-Bereich, das das Vitamin B12 transportiert, der sogenannte Intrinsic Factor: Wenn man den nicht hat, kann man das Vitamin B12 gar nicht aufnehmen. Auch wenn wir älter werden, nehmen wir es schlechter auf. Oder wenn wir viel und regelmäßig Alkohol konsumieren.“ Auch die Einnahme von Medikamenten oder zu viel Magensäure können die Aufnahme von Vitamin B12 behindern. Im Zweifel einen Ernährungsmediziner oder einen Hausarzt aufsuchen und messen lassen, ob die Substitution reicht.
Grundsätzlich sollte man versuchen, sich mit natürlichen Lebensmitteln mit ausreichend Eisen zu versorgen. Bei den tierischen Produkten sind Fleisch, vor allem Leber, und Fisch reich an Eisen, geringere Mengen sind in Eiern enthalten. Eisen ist zwar auch in pflanzlichen Lebensmitteln in größeren Mengen vorhanden, aber in einer Form, die vom Menschen nicht so gut aufgenommen und gespeichert werden kann. Wer sich pflanzlich ernährt, sollte auf Vollkorngetreide wie Haferflocken und Pseudogetreide wie Quinoa sowie Hülsenfrüchte und Nüsse, Kerne und Samen zurückgreifen. Gemüse, Kräuter und Obst enthalten insgesamt weniger Eisen, am eisenreichsten sind unter anderem Grünkohl, Spinat, Petersilie und Johannisbeeren. Vitamin C verbessert die Aufnahme von Eisen. Kombiniert man Gerichte mit Hülsenfrüchten etwa mit etwas Vitamin-C-Haltigem wie Paprika oder Orangensaft, wird die Resorption verbessert. Auch ein Spritzer Zitronensaft im Wasser ist empfehlenswert. Getreide, Kaffee oder Tee dagegen können die Aufnahme von Eisen erschweren und sollten deshalb nicht zur Mahlzeit konsumiert werden.
Den Großteil ihres Kalziumbedarfs decken die Menschen in Europa traditionell über Milchprodukte. Bei einer veganen Ernährung oder bei Laktoseintoleranz sind grünes Gemüse wie Grünkohl und Brokkoli sowie Tofu und Mandeln wertvolle Kalziumlieferanten. Zusätzlich gibt es Lebensmittel, die mit Kalzium angereichert sind, etwa Pflanzendrink aus Soja oder Mandel. Hier sollte man aber genau auf die Inhaltsstoffe schauen, denn einige Hersteller mischen viel Zucker in ihre Produkte. Eine einfache Methode, um fehlendes Kalzium auszugleichen, ist, kalziumreiches Mineralwasser zu trinken. „Wir brauchen etwa 1.000 mg Kalzium pro Tag. Wenn man ein Mineralwasser wählt, das 200 bis 300 mg Kalzium pro Liter hat, kann man damit schon einen Großteil seines Tagesbedarfs decken“, rät Internistin Dr. Viola Andresen.
Grundsätzlich ja. Allerdings kann die Bioverfügbarkeit von Kalzium in pflanzlichen Lebensmitteln durch Begleitstoffe wie Oxalate oder Phytate eingeschränkt sein. Spinat etwa enthält zwar viel Kalzium, es kann aber wegen des hohen Gehalts an Oxalat weniger gut aufgenommen werden. Grünkohl und Brokkoli sind daher besser geeignet. Tofu kann sehr kalziumreich sein, sofern er mit Kalziumsalzen hergestellt wurde. Das als gesundheitlich unbedenklich geltende Gerinnungsmittel ist in der Zutatenliste als Calciumsulfat (E 516) zu finden.
Proteine stecken in vielen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln. Unser Körper braucht Eiweiß unter anderem für den Aufbau und Erhalt der Muskeln. Mit einer ausgewogenen Ernährung kommt man problemlos auf die Menge an Eiweiß, die unser Körper braucht: etwa ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht jeden Tag bei normalgewichtigen Menschen. Ältere, Kranke, Schwangere und Leistungssportler benötigen höhere Mengen. Merkt man sich die ungefähren Eiweißwerte einiger Lebensmittel, kann man die benötigte Menge über den Tag verteilt aufnehmen. Gute pflanzliche Proteinquellen – besonders für die vegane Ernährung – sind Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Linsen und Bohnen sowie Nüsse und Samen. Aber nicht alle Eiweiße, die der Körper benötigt, stecken in allen proteinreichen pflanzlichen Lebensmitteln. Daher kommt es bei einer veganen Ernährung darauf an, viele unterschiedliche pflanzliche Eiweißquellen zu nutzen und zu kombinieren. Geeignete Gerichte sind etwa Vollkornnudeln mit Linsen-Bolognese, Haferflocken mit Nüssen, Vollkornreis mit Linsen-Dal oder Vollkornbrot mit Hummus.
Dr. Matthias Riedl rät von Eiweißpulver in Form von Shakes ab, da es sich oft um isoliertes, hoch verarbeitetes Protein handelt, das chemische Zusätze enthält und daher potenzielle Nebenwirkungen hat. „Das kann man super selber machen, es ist dann eine vollwertige Mahlzeit mit natürlichen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen – und schmeckt total lecker.“ Sein Rezept für einen gesunden Shake: Haferflocken, etwas Nuss- oder Mandelmus, Sojadrink, Beeren, Banane, Hanf- oder Leinsamen zusammen fein pürieren.
Auch in der Schwangerschaft ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, die aus einer Kombination aus Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Eiweißquellen und gesunden Fetten besteht. Allerdings ist der Bedarf an Nährstoffen stark erhöht. Neben Vitamin B12, Kalzium, Eisen und Folsäure gibt es weitere essenzielle Nährstoffe, die für Schwangere wichtig sind, etwa Omega-3-Fettsäuren. Für Menschen, die keinen Fisch oder kein Fischöl zu sich nehmen, ist Algenöl eine rein pflanzliche Alternative. Wie andere Algen-Produkte auch ist es ein guter Jod-Lieferant. Bei der Dosierung ist allerdings Vorsicht geboten, denn bei Jod kann die Menge schnell zu hoch sein. Vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsprodukten sollte ärztlich abgeklärt werden, ob überhaupt ein Mangel besteht. Frauen mit Kinderwunsch sollten sich gut über Ernährung in der Schwangerschaft informieren, um die gesunde Entwicklung des Babys zu unterstützen.
Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kommt zu dem Ergebnis, dass eine vegetarische und vegane Ernährung von Kindern und Jugendlichen geeignet ist, „ein altersgemäßes Wachstum sowie eine ausreichende Versorgung mit Makronährstoffen sowie den meisten Mikronährstoffen sicherzustellen“. Ernährungswissenschaftler empfehlen vor allem beim Verzicht auf tierische Produkte, auf eine möglichst vielfältige Ernährung zu achten. Häufig kommt es zu einem Mangel an Eiweiß, Eisen und Kalzium. Bei einer veganen Ernährung muss Vitamin B12 als Nahrungsergänzung zugeführt werden, während bei einer vegetarischen Ernährung Eier und Milchprodukte auf dem Speiseplan stehen sollten. Sie enthalten auch Vitamin B12 und können den Bedarf decken. Mögliche Mängel sollten ärztlich abgeklärt werden.