USA: Wird ein Sozialist Bürgermeister von New York?

Bürgermeisterwahlen in New York City sind nie nur lokale Ereignisse. Die größte Metropole des Landes ist auch das Finanzzentrum der Vereinigten Staaten. Viele der wichtigsten Unternehmen haben hier ihren Sitz. Wäre der Bundesstaat New York, dessen Herz NYC ist, ein unabhängiges Land, zählte er mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2,3 Billionen Dollar zu den zehn größten Volkswirtschaften der Welt.

Da kann es nicht verwundern, dass nicht nur an der Wall Street Nervosität herrscht. Umfragen sehen nämlich einen 34 Jahre alten selbsterklärten demokratischen Sozialisten als Favoriten für die Wahl am 4. November. Zohran Mamdani, Abgeordneter im Parlament des Bundesstaates in Albany, liegt 15 Prozentpunkte vor seinem Gegenkandidaten. Er wäre der erste muslimische Bürgermeister der Stadt. Und er besitzt auch die ugandische Staatsbürgerschaft.

Donald Trump hat sich schon auf Mamdani eingeschossen. Er nennt ihn einen „Kommunisten“ und sagt, dieser habe noch nie einen richtigen Job gehabt. Auch droht er damit, der Stadt im Falle seiner Wahl Bundesmittel zu entziehen. Die Bürgermeisterwahl ist so zu einem Stellvertreterkonflikt geworden. Nicht nur zwischen Trump, der es in New York als Immobilienunternehmer zum Milliardär gebracht hat, und den Demokraten. Sondern auch innerhalb der demokratischen Partei. Das alte Establishment der Partei hadert mit dem Kandidaten. Die beiden Minderheitsführer im Kongress, die New Yorker Chuck Schumer und Hakeem Jeffries, haben bisher nicht zu seiner Wahl aufgerufen.

Alles begann mit dem Amtsinhaber

Mamdani tritt an gegen Andrew Cuomo, den früheren demokratischen Gouverneur von New York, und den Republikaner Curtis Sliwa, als Gründer der „Guardian Angels“ eine New Yorker Berühmtheit. Wobei Sliwa nicht von Trump unterstützt wird. Und Cuomo, den Mamdani im Sommer überraschend in den Vorwahlen geschlagen hatte und der dann als Unabhängiger ins Rennen einstieg, muss sich gegen den Vorwurf wehren, der von Trump bevorzugte Kandidat zu sein.

Eric Adams und Andrew Cuomo im Oktober in Washington
Eric Adams und Andrew Cuomo im Oktober in WashingtonAFP

Wie konnte es zu diesem Schlamassel kommen? Es begann im Herbst 2024 damit, dass der amtierende Bürgermeister Eric Adams angeklagt wurde. Dem seinerzeitigen Demokraten wurde unter anderem Bestechlichkeit und die Verschleierung von illegalen Wahlkampfspenden aus türkischen Quellen vorgeworfen. Adams wies die Vorwürfe zurück und behauptete, es handle sich um Rache dafür, dass er Joe Bidens Migrationspolitik kritisiert hatte. Rücktrittsforderungen lehnte er ab.

Nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus ging es Schlag auf Schlag: Das Justizministerium in Washington wies die Staatsanwaltschaft an, die Anklage gegen Adams fallen zu lassen, auch weil der Bürgermeister Trumps restriktive Migrationspolitik unterstütze. Die zuständige Bezirksstaatsanwältin lehnte den Deal empört ab und trat letztlich zurück. Die Anklage wurde danach tatsächlich fallen gelassen. Adams kündigte an, sich weiterhin um eine zweite Amtszeit zu bewerben – aber nicht als Demokrat, sondern als Unabhängiger.

Mamdani ist in New York aufgewachsen

Inzwischen war Cuomo, der 2021 wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe als Gouverneur von New York zurückgetreten war, in die Vorwahlen der Demokraten eingestiegen. Der Versuch eines Comebacks stieß aber auf Widerstände: Die Parteilinke versammelte sich hinter Mamdani. Obwohl Umfragen Cuomo knapp vorne sahen, siegte Mamdani im Juni deutlich. Adams wiederum teilte im Herbst mit, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.

Curtis Sliwa im Oktober in New York
Curtis Sliwa im Oktober in New YorkAP

Die Bürgermeisterwahl ist also eine Neuauflage der Vorwahl – Sliwa spielt nur eine Außenseiterrolle. Namhafte Republikaner fordern ihn inzwischen auf, seine Kandidatur zurückzuziehen, um Cuomo zu helfen. Mamdani warnt davor, seine Wahl schon für sicher zu halten. Er mobilisiert die linke Basis und versucht, Mitte-Wählern die Ängste zu nehmen.

Zohran Kwame Mamdani wurde 1991 in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, geboren – als Sohn einer indischstämmigen Filmemacherin und eines indischstämmigen Sozialwissenschaftlers. Sein Vater erhielt später eine Professur für Postkolonialismus an der Columbia University in New York. Die Mutter kommt aus einer hinduistischen Familie, der Vater ist Muslim. Im Alter von sieben Jahren kam Mamdani nach New York, wo er in der Upper West Side in Manhattan, unweit der Columbia University, aufwuchs. Nach dem College in Maine, wo er Afrikawissenschaften studierte, versuchte sich der Rap-Fan zunächst als Musiker.

Mamdani will eine Mietpreisbremse

Nebenbei engagierte er sich politisch als Wahlkampfmitarbeiter örtlicher Kandidaten der Demokraten. 2020 strebte er sein erstes eigenes Mandat an und wurde für einen Bezirk in Queens in die State Assembly in Albany, das Parlament des Bundesstaates, gewählt. Dort profilierte er sich als demokratischer Sozialist – er hebt hervor, durch Bernie Sanders beeinflusst worden zu sein. Mamdani vertritt zum Teil extreme Positionen, vor allem in der Sozial- und Migrationspolitik, aber auch wenn es um die öffentliche Sicherheit geht.

Eine Fernsehdebatte der Kandidaten für den Posten des New Yorker Bürgermeisters im Oktober
Eine Fernsehdebatte der Kandidaten für den Posten des New Yorker Bürgermeisters im OktoberReuters

Nach dem Mord an dem Afroamerikaner George Floyd durch einen Polizisten im Mai 2020, in dessen Folge landesweite Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung das Land erfassten, äußerte er, es bedürfe keiner Untersuchung der New Yorker Polizei, um zu wissen, dass diese rassistisch und homophob sei. Auch plädierte er unter dem Schlagwort „defund the police“ dafür, der Polizei Finanzmittel zu entziehen. Nun im Bürgermeisterwahlkampf sagt er, er wolle mit dieser zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass Sozialarbeiter und Therapeuten die tieferen Ursachen der Kriminalität bekämpften. Er bat sogar für seine pauschale Behauptung, die New Yorker Polizei sei rassistisch, um Verzeihung.

Sozialpolitisch reichen seine Vorstellungen von der Mietpreisbremse und einer Verdopplung des Mindestlohns auf 30 Dollar bis 2030 über eine Erhöhung der Körperschaftsteuer, die freilich Sache des Bundesstaates ist, bis zu einer Reichensteuer. In der Migrationspolitik will er den Status New Yorks als Zufluchtsort für Zuwanderer ohne Aufenthaltspapiere („sanctuary city“), der unter Adams aufgeweicht wurde, verteidigen. Der Einwanderungspolizei ICE soll es künftig untersagt werden, Schulen, Krankenhäuser und städtische Gebäude ohne einen Haftbefehl zu betreten. Eine harte Auseinandersetzung mit der Trump-Regierung wäre im Falle seiner Wahl sicher.

Cuomo setzt auf das Thema Gazakrieg

Mamdani ist aber nicht nur der Wall-Street-Schreck. Verteidigen muss er auch seine Position im Nahostkonflikt. Er wirft Israel im Umgang mit den Palästinensern Apartheid vor und verteidigt die BDS-Kampagne zur wirtschaftlichen und kulturellen Isolierung des jüdischen Staates. Einen Tag nach der barbarischen Attacke der Hamas auf Israel veröffentlichte er eine Stellungnahme, in der er kundtat, um „die Hunderte Menschen zu trauern, die in Israel und Palästina getötet worden“ seien. Nur ein Ende der „Besatzung“ und der „Apartheid“ biete den Weg zum Frieden. Nach Beginn des verheerenden Gazakrieges in Reaktion auf den Angriff der Hamas warf und wirft er Israel vor, einen „Genozid“ begangen zu haben.

Zohran Mamdani im Oktober bei einem Fußballturnier in New York
Zohran Mamdani im Oktober bei einem Fußballturnier in New YorkAFP

Cuomo bietet er damit eine offene Flanke. Der frühere Gouverneur warf Mamdani jüngst in einer Fernsehdebatte vor, die Hamas nicht zu verurteilen und das Existenzrecht Israels als jüdischen Staat nicht anzuerkennen. Cuomos Kalkül war klar: Die jüdische Gemeinde macht zwölf Prozent der Einwohner New Yorks aus. Fast eine Million Juden leben in der Stadt, in der Metropolregion sind es fast zwei Millionen, also ein Viertel des gesamten amerikanischen Judentums.

Cuomo verfolgt eine ähnliche Strategie wie Trump vor einem Jahr. Der Gazakrieg war eine zentrale Konfliktlinie in der Demokratischen Partei. Joe Biden und später Kamala Harris versuchten ihre Position auszubalancieren zwischen Solidarität mit dem jüdischen Staat und Kritik an Benjamin Netanjahus Kriegsführung. Am Ende verlor die Partei an beiden Rändern: Teile der Parteilinken und der muslimischen Wählerschaft verweigerten den Demokraten die Stimme, aber auch zentristische jüdische Wähler nahmen dem Amtsinhaber und der Präsidentschaftskandidatin übel, sich nicht klarer zu Israel bekannt zu haben.

Mamdani greift Cuomos Integrität an

Trump schaltete seinerzeit in der Schlussphase des Wahlkampfs an der Ostküste bewusst Werbespots, in denen ältere Damen Kaffee trinkend bekundeten, sie seien ja eigentlich keine Trump-Wähler, aber zumindest schütze dieser den Staat Israel. Cuomo hofft, dass es ihm als langjährigen Demokraten leichter fällt, diese Botschaft herüberzubringen.

Doch ist die jüdische Gemeinde kein monolithischer Block. Unter ihnen sind viele Netanjahu-Kritiker und Befürworter einer gerechten Lösung des Nahostkonfliktes. Mamdani weiß das. Und so hat er im Wahlkampf viel Zeit darauf verwendet, etwa mit liberalen Rabbinern in den Dialog zu treten. Als er kürzlich eine Synagoge in Park Slope in Brooklyn besuchte, sagte er, er sei kein Zionist, doch beabsichtige er auch nicht, das Rathaus nach seinem Abbild zu erschaffen. Er wolle nicht, dass auch nur ein einziger jüdischer New Yorker denke, seine Sicherheit und Identität als New Yorker hänge davon ab, was er vom Zionismus halte.

Cuomo setzt auch auf die Unerfahrenheit Mamdanis und hebt hervor, dass das Amt des Bürgermeisters für ein „on the job training“ nicht geeignet sei, bei dem man also das Handwerk nicht erst im Laufe der Zeit erlernen könne. Mamdani, der warnt, Cuomo werde von den gleichen Milliardären unterstützt, die Trump ins Amt gebracht hätten, war darauf vorbereitet. Er konterte: „Was mir an Erfahrung fehlt, mache ich durch Integrität wett. Was aber Andrew Cuomo an Inte­grität fehlt, kann er niemals mit Erfahrung ausgleichen.“