

Von der Schweizer Wirtschaft fällt eine große Last ab. Auf Exporte in die USA sind bald Zusatzzölle von 15 statt 39 Prozent zu zahlen. Darauf haben sich die Schweizer und die amerikanische Regierung verständigt. Jubelstürme entfacht diese Einigung indes nicht. Zwar agieren die Schweizer Exporteure fortan wieder auf Augenhöhe mit ihren Rivalen aus der EU. Aber der willkürliche 15-Prozent-Zoll liegt immer noch deutlich oberhalb der Schwelle von durchschnittlich zwei Prozent, die in der Schweiz galt, bevor Donald Trump mit seiner Zollwut die globale Wirtschaftsordnung auf den Kopf stellte. Zudem handelt es sich bisher nur um eine unverbindliche Absichtserklärung. Erst weitere Verhandlungen werden zeigen, ob daraus ein belastbares Abkommen wird. Der US-Präsident ist stets für neue Volten gut. Zudem braucht es das Plazet des Schweizer Parlaments und vielleicht sogar des Volks. Ein Selbstläufer ist das nicht, zumal der Burgfrieden unter sehr fragwürdigen Umständen zustande gekommen ist.
Investitionssumme mit viel heißer Luft
Kern des Deals ist das Versprechen Schweizer Unternehmen, bis zum Jahr 2028 insgesamt 200 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Das zahlt auf Trumps Willen ein, die heimische Industrie zu stärken und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Tatsächlich lässt sich eine solche Investitionssumme politisch gut verkaufen. Allerdings enthält diese Zahl wohl viel heiße Luft. Mit gutem Grund wird die Liste der Investitionen nicht veröffentlicht. Bekannt sind die jeweils zweistelligen Milliardenbeträge von den Pharmariesen Roche und Novartis. Die Basler Konzerne hätten diese Summen aber vermutlich sowieso in ihren lukrativsten Absatzmarkt gesteckt. Die Investitionszusagen lagen ähnlich hoch bereits im Juli vor und waren Teil einer ausgehandelten Absichtserklärung. Doch diese wischte Trump Anfang August vom Tisch und servierte die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am Telefon brüsk ab. Seither stockten die Verhandlungen.
Außenpolitik ist in der Schweiz seit jeher nicht viel mehr als ein Synonym für eine strikt an den Interessen heimischer Branchen ausgerichtete Wirtschaftspolitik, wie schon die unterlassene Hilfeleistung für die Ukraine zeigt. Noch immer verbietet Bern den westlichen Partnern, einst in der Schweiz gekaufte Rüstungsgüter weiterzureichen. Erst jetzt, wo sichtbar wird, dass diese Politik die heimische Rüstungsindustrie in den Abgrund zu führen droht, weil die Auslandsbestellungen versiegen, stellt das Parlament die Weichen für eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes. Im Fall der US-Zölle hat die Regierung das Heft des Handelns nach Keller-Sutters missglücktem Telefonat gleich direkt an die Wirtschaft weitergereicht. Erst nachdem eine Handvoll Wirtschaftskapitäne aus der Schweiz, darunter die Chefs der Luxusgüterkonzerne Rolex und Richemont, im Weißen Haus vorstellig geworden war, kam es zur Einigung im Zollstreit. Die reichen Herren hatten zwar kein offizielles Verhandlungsmandat. Aber ihr Einsatz war mit dem Wirtschaftsministerium abgesprochen. Angeblich wusste man in Bern sogar davon, dass die Unternehmer Trump auch durch wertvolle Geschenke gefügig machen wollten: Sie überreichten dem Goldliebhaber einen Goldbarren und eine goldene Tischuhr der Marke Rolex. Ein Schelm, wer an Bestechung denkt.
Der Eindruck staatlich gebilligter Korruption drängt sich auf
In Amerika hat Trump längst eine unheilige Allianz mit den dortigen Tech-Milliardären geschmiedet, die alles dem Ziel unterordnen, sich ihre Pfründen zu sichern. Dass nun ausgerechnet die Schweiz, die auf die demokratische Legitimation allen staatlichen Handelns so viel Wert legt, in diesem mafiösen Spiel mitspielt und dass der Wirtschaftsminister darauf auch noch stolz ist, gleicht einer Kapitulation der Politik vor der wirtschaftlichen Macht. Sie lässt sich nur damit erklären, dass in den staatlichen Strukturen der Schweiz die Grenzen zwischen Wirtschaft und Politik ohnehin nicht klar gezogen sind. Selbst im Parlament sitzen viele Lobbyisten – man nennt das beschönigend „Pluralismus“.
Der Eindruck staatlich gebilligter Korruption drängt sich umso mehr auf, als der Einsatz der Unternehmenslenker handfesten Eigeninteressen folgt. Rolex und Richemont litten mit ihren in der Schweiz produzierten Luxusuhren besonders unter Trumps Zollhammer. Der Finanzinvestor und Milliardär Alfred Gantner, ebenfalls Teil der Delegation, hat überdies eine klare politische Agenda: Er will das auf dem Tisch liegende Vertragswerk mit der EU versenkt sehen. Das ist einfacher, wenn Amerika in der Wahrnehmung der Bürger seinen Schrecken verliert und Brüssel wieder als Mutter alles Bösen gebrandmarkt werden kann.
