
Aus Furcht vor einer möglichen Rezession infolge der protektionistischen Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump haben Anleger am Montag weltweit Aktien verkauft. An den wichtigsten Börsen der USA und in Europa sanken die Kurse auf den niedrigsten Stand seit vor der Präsidentschaftswahl.
Zuvor hatten Analysten mehrerer großer Investmentbanken vor dem erhöhten Risiko eines Wirtschaftsabschwungs gewarnt. Trump selbst hatte in einem Interview mit dem Fernsehsender Fox News eine Rezession nicht ausgeschlossen.
An der Wall Street in New York sank der Dow-Jones-Index, der die 30 größten US-Unternehmen umfasst, bis zum Börsenschluss am Montag US-Zeit um zwei Prozent. Der noch breitere Index S&P 500 fiel um 2,7 Prozent – so stark wie seit dem 18. Dezember nicht mehr. Gegenüber seinem Rekordhoch am 19. Februar hat der S&P-Index nun mehr als vier Billionen Dollar an Marktwert eingebüßt.
Am stärksten reagierte der Index der Technologiebörse Nasdaq auf die zunehmende Unsicherheit. Er brach um vier Prozent ein und erlebte damit den größten prozentualen Rückgang an einem Tag seit September 2022. Auch an den europäischen Börsen in London, Paris oder Frankfurt sanken
die Kurse. Der gesamteuropäische Index STOXX 600 schloss 1,29 Prozent
niedriger.
Am Morgen setzte sich der Abverkauf in Asien fort. Der japanische Nikkei-Index und die Börse in Taiwan fielen um je 3 Prozent auf den tiefsten Stand seit September. Der australische Börsenindex ASX200 rutschte zwischenzeitlich auf ein Sieben-Monats-Tief. Selbst chinesische Aktienmärkte waren nicht immun. Der chinesische Hauptindex sank um 0,5 Prozent und Hongkongs Hang-Seng-Index um 0,8 Prozent.
Tesla-Aktie fällt um 15 Prozent
Die Tesla-Aktie brach um mehr als 15 Prozent ein. Auch die Kurse weiterer großer Tech-Konzerne, darunter Google-Mutterkonzern Alphabet, Onlinehändler Amazon, Meta und der Chiphersteller Nvidia fielen. Als Zeichen der wachsenden Unruhe unter den Anlegern sprang der CBOE Volatilitätsindex, der als Angstmesser der Wall Street bekannt ist, um rund 19 Prozent auf den höchsten Stand seit dem 5. August.
Anleger fürchten sich vor den wirtschaftlichen Folgen der Zollpolitik des US-Präsidenten gegen die größten US-Handelspartner Kanada, Mexiko und China. Analysten verwiesen auf Trumps Fox-Interview am Sonntag als Hauptauslöser des Kurssturzes. „Ich hasse es, solche Dinge vorherzusagen“, sagte Trump darin über eine mögliche Rezession. Vielmehr kündigte er eine „Übergangsphase“ an, nach der es aber irgendwann wieder „großartig für uns“ laufen sollte.
„Die Trump-Regierung scheint die Idee ein wenig mehr zu akzeptieren, dass es für sie in Ordnung ist, wenn der Markt fällt, und dass sie möglicherweise sogar mit einer Rezession einverstanden ist, um ihre übergeordneten Ziele durchzusetzen“, sagte Ross Mayfield, Investmentstratege bei der Vermögensverwaltung Baird. „Ich denke, das ist ein großer Weckruf für die Wall Street.“
„Die Unsicherheit über die Auswirkungen von Trumps Zöllen lastet zu Wochenbeginn auf den Finanzmärkten“, sagte Susannah Streeter, Leiterin des Bereichs Geld und Märkte bei Hargreaves Lansdown. „In den USA lauert eine Rezession, das Verbrauchervertrauen sinkt, die Unternehmen sehen sich mit einer zunehmenden Handelskomplexität konfrontiert und die Anleger werden immer nervöser.“
Anleger blicken nicht mehr durch
Will Compernolle, ein Stratege bei FHN Financial, sagte: „Wenn schon der Amtsinhaber im Weißen Haus nicht besonders optimistisch über die kurzfristigen Wachstumserwartungen ist, warum sollten dann die Märkte optimistisch sein?“
Immer neue, teils widersprüchliche Zollankündigungen Trumps hatten Anleger zuletzt besorgt. „Für alle, die nicht mehr durchblicken: Die US-Zölle gegen Kanada wurden am Dienstag eingeführt, am Mittwoch verschärft, am Donnerstag verschoben und am Freitag aufgestockt“, sagte Michael Brown, Stratege beim Onlinebroker Pepperstone. „In einem solchen Umfeld ist es für die Marktteilnehmer schlichtweg unmöglich, das Risiko einzuschätzen.“
Investoren rätselten weiterhin über den Sinn der US-Zölle, sagen Strategen der Vermögensmanagementfirma Glenmede: „Sind sie vorübergehend, um Zugeständnisse zu erzwingen, oder sind sie ein neuer, dauerhafter Bestandteil der US-Handelspolitik?“ Solange darüber keine größere Klarheit herrsche, sei weiter mit starken Schwankungen zu rechnen.
Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners verwies zugleich auf die ungewöhnlich starken Schwankungen des Dax in der vergangenen Woche. „Das zeigt, wie groß die Verunsicherung unter den Anlegerinnen und Anlegern aktuell ist.“
Wirtschaftsberater versucht Schadensbegrenzung
Mitglieder der US-Regierung versuchten am Montag, den Schaden zu begrenzen. Ken Hassett, der als Chef des Nationalen Wirtschaftsrats ein wichtiger Wirtschaftsberater Trumps ist, nannte den Ausblick für die US-Wirtschaft grundsätzlich gut. „Es gibt viele Gründe, um extrem zuversichtlich über die künftige Wirtschaftslage zu sein.“ Der Chef des National Economic Council bestätigte jedoch Prognosen, dass die amerikanische Wirtschaftsleistung im ersten Quartal schrumpfen und die Inflation steigen könnte.
Anleger aber haben ihr Urteil vorerst gefällt. „Trump galt als der Retter der Märkte, als er niedrigere Steuern und weniger strikte Regulierung versprach. Jetzt aber stellt sein Handeln ein Omen für düstere Zeiten dar“, sagte Dan Coatsworth, ein Investmentanalyst bei AJ Bell in London. „Alle haben wieder das R-Wort auf der Zunge, weil die Leute sich fragen, ob die Zölle nach hinten losgehen und eine Rezession auslösen anstatt wirtschaftlichen Wohlstand der USA.“
Seit seinem Amtsantritt hat Trump per Dekret Zölle auf sämtliche Produkte aus China um 20 Prozent erhöht, mit der Begründung, China unternehme zu wenig gegen den grenzüberschreitenden Drogenschmuggel. Zudem hat Trump Zölle gegen seine engsten Handelspartner Kanada und Mexiko verhängt. Ab Mittwoch sollen zudem Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte in Kraft treten, von denen auch die EU betroffen wäre.