
Der DFB habe das korrupte System der FIFA unterstützt, im Bewusstsein einer Straftat die ominösen 6,7 Millionen Euro verbucht und anschließend viel Geld verschwendet – das sagte die Richterin am letzten Tag des „Sommermärchen“-Prozesses. Ihre Strafe fiel milde aus.
Die Strafe von 110.000 Euro, die die Vorsitzende Richterin Eva-Marie Distler am am 34. und letzten Verhandlungstag vor dem Landgericht Frankfurt verhängte, wir der DFB verschmerzen. Distler folgte damit der Sicht der Staatsanwaltschaft, die dem DFB vorwarf, in der Affäre um die Fußball-WM 2006 Steuern in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro hinterzogen zu haben und ein Bußgeld von 270.000 Euro gefordert hatte. Das Gericht folgte in seinem Urteil der Ansicht der Anklagebehörde, die in ihrem Plädoyer zu Wochenbeginn von einer hohen kriminellen Energie in dem Fall gesprochen hatte.
Dass der DFB den von seinen Anwälten geforderten Freispruch nicht bekam, wird er eingepreist haben nach all dem, was die Strafkammer schon vor dem Urteil bezüglich der schweren Steuerhinterziehung ausgeführt hatte. Insgesamt wurde der DFB sogar zur Zahlung von 130.000 Euro verurteilt. 20.000 Euro wurden dem Verband wegen der „rechtsstaatwidrigen Verfahrensdauer“ erlassen.
Einstündige Abrechnung mit dem DFB
So weit, so verkraftbar für den DFB. Aber die einstündige Abrechnung in der Urteilsbegründung, die die Richterin in bewusst leicht verständlicher Sprache ausführte, die dürfte dem größten Sportfachverband der Welt weh tun und in den Ohren klingen. Distler verschonte nichts und niemanden. „Katastrophal“ sei die Zusammenarbeit des DFB mit den Ermittlungsbehörden gewesen in einem Verfahren, das zehn Jahre währte und dem Verband einen „Imageschaden“ zugefügt habe.
Auch die aktuellen Funktionäre um den Präsidenten Bernd Neuendorf bekamen ihr Fett weg. So sei keiner von ihnen an einem der 34 Verhandlungstage vor dem Landgericht Frankfurt am Main erschienen um zumindest mal zuzuhören, und sogar bei einer Durchsuchung in der Verbandszentrale sei nur jemand aus der Kommunikationsabteilung anwesend gewesen. „Den anderen“, so Distler, sei „die Präsentation eines neuen Sponsors am selben Tag wohl wichtiger gewesen“. Sie erlaube sich daher die Frage: „Nimmt der DFB die Justiz eigentlich ernst.“
Keiner der ehemals drei Angeklagten war am Mittwoch (25.06.2025) im Schwurgerichtssaal, als das Urteil gesprochen wurde. Aber die beiden ehemaligen Präsidenten des DFB, Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger, sowie der ehemalige Generalsekretär Horst R. Schmidt, bekamen vom Gericht noch einiges hinterher gerufen. Besonders dies: „Das Verfahren hat gezeigt, wie Fußball-Deutschland Teil des Systems FIFA war, und es zumindest in der Vergangenheit aktiv unterstützte.“
Etliche Male ist von „Schmiergeld“ die Rede
Das System bestand aus Korruption, und Eva-Marie Distler ließ durchklingen, dass dies auch heute noch so sein könnte. Damals jedenfalls – die für das Verfahren relevanten Vorgänge datieren im Wesentlichen aus den Jahren 2000 bis 2007 – sei Korruption normal gewesen. Daher habe der DFB auf Vermittlung von Franz Beckenbauer auch zehn Millionen Schweizer Franken an eine Firma von Mohamed bin Hammam in dessen Heimat Katar überwiesen, um an einen Zuschuss von 170 Millionen Euro zu für die WM 2006 kommen.
Liebend gern hätte das Gericht herausgefunden, was der Funktionär des Weltverbandes FIFA mit den zehn Millionen Franken gemacht hat, die samt Zinsen und umgerechnet die ominösen 6,7 Millionen Euro ergeben, die den Schatten auf die auch als „Sommermärchen“ bezeichnete WM 2006 werfen. Etliche mal sprach Distler von „Schmiergeld“, und sie führte aus, dass die ehemals Angeklagten, deren Verfahren jeweils nach Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden waren, gewusst haben, dass sie bestechen.
„Wer hier vor der Kammer sagt, er habe davon nichts gewusst, dem schenkt die Kammer keinen Glauben. Dass dieser Plan in einer Steuerhinterziehung endet, war jedem klar“, so Distler. Das Problem für das Trio sei gewesen, dass sie um die Gefahr wussten, die Gemeinnützigkeit zu verlieren. So musste die Zahlung in den Büchern verschleiert werden, und so wurde die Legende um den Zuschuss für eine – letztlich abgesagte – Gala der FIFA am Tag vor dem Eröffnungsspiel gestrickt.
Willen zur Aufarbeitung anerkannt
Erst im Jahr 2015 wurde durch eine Veröffentlichung im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ aufgedeckt, dass auch Deutschland das System FIFA nicht umgangen hatte. Wolfgang Niersbach trat nach einer skurrilen Pressekonferenz zurück, in der er dauernd stammelte, doch nichts gewusst zu haben.
Auch vor dem Frankfurter Gericht, dann als Zeuge, tat er so, als sei er während seiner Zeit als Vizepräsident und Medienchef im Organisationskomitee für die WM von wichtigen Infos und Verhandlungen abgeschnitten gewesen. Die fehlerhafte Steuererklärung 2007, die er dann als Generalsekretär unterzeichnete, habe er weder in Gänze angesehen noch in Details verstanden. „Den ahnungslosen Pressefuzzi haben wir ihm von Anfang an nicht abgenommen“, ätzte Distler.
Die Richterin hielt dem Verband zugute, den Willen zur Aufarbeitung gezeigt zu haben. Die Umsetzung unter Einschaltung der Anwaltskanzlei Freshfields und später den privaten Ermittlern von Esecon sei aber mangelhaft, dem nun abgeschlossenen Verfahren nicht zuträglich und vor allem „Geldverschwendung“ gewesen. Wer das alles in Auftrag gegeben habe. Gehöre im Grunde entlassen. Eine der letzten Fragen des Gerichts war eine rhetorische: „Wie wird der DFB eigentlich beraten?“