
„Mit seinem milden Klima, der frischen Luft und den endlosen Outdoor-Abenteuern ist Schweden ein idealer Ort für deine ‚Coolcation’“ heißt es auf der Internetseite „Visit Sweden“, Schwedens offizieller Webseite für Tourismus und Reiseinformation. Falls das noch nicht als Argument ausreicht: „Aufgrund des hohen Breitengrades, auf dem Schweden liegt, sind die Sommertage hier sogar deutlich länger als in Südeuropa – so hat man noch mehr Zeit, die Natur zu erkunden.“
„Coolcation“ – ist das ein Nischentrend oder die Zukunft? Der Name setzt sich aus zwei Wörter zusammen: cool wie kühl und vacation wie Urlaub. Gemeint ist ein Urlaub in Ländern mit kühlem Sommerklima – statt Strandurlaub am Mittelmeer. Hitze und Sonnenschein sind für viele Urlauber kein gutes Argument mehr. Im Gegenteil: Sie empfinden die extremen Temperaturen als belastend und fürchten zunehmend Gefahr durch Waldbrände, wie sie in den vergangenen Jahren etwa in Griechenland auftraten. Lieber wandern in Norwegen als brutzeln in Italien?
Das Online-Reiseportal booking.com verweist auf eine aktuelle hauseigene Studie. Danach zeige sich ein starker Trend in Richtung „Coolcation“. Nach Angaben der Studie wollen 61 Prozent der Menschen in Deutschland bei künftigen Reisen verstärkt auf Risiken durch Extremwetter achten, darunter Hitzewellen, Stürme oder Waldbrände. Für ein Drittel der Befragten ist das Risiko von Extremwetter sogar ein Stressfaktor bei der Reisebuchung. 43 Prozent würden einen Urlaubsort meiden, wenn dort extreme Temperaturen herrschen.
Übersommern in einem kühlen Ferienhaus
„Der Reisetrend ‚Coolcation‘ entwickelt sich weiter“, sagt auch Susanne Dopp, Sprecherin von FeWo-direkt. „Hitzewellen werden häufiger – und immer mehr Menschen denken darüber nach, einen Teil des Sommers in Regionen mit angenehmerem Klima zu verbringen.“
Der Ferienhaus-Anbieter hat in einer Analyse festgestellt, dass sich in Verbindung mit der „Coolcation“ ein zweiter Trend auftue: nämlich der des Übersommerns. Nach vier Wochen Sommerurlaub in Dänemark oder Schweden wurde zuletzt erheblich häufiger gesucht als noch im vergangenen Jahr, heißt es.
Potenzielle Langzeit-Urlauben interessierten sich am häufigsten für einen Aufenthalt an der Ostsee oder an der französischen Atlantikküste: Die Suchanfragen für Ferienhausaufenthalte von 28 Nächten an der Ostsee liegen laut FeWo-direkt 105 Prozent über denen von vergangenem Sommer. Für vier Wochen Ferienhausurlaub im französischen Département Finistère im Westen der Bretagne hat der Anbieter sogar 160 Prozent mehr Suchanfragen registriert.
Ziele am Mittelmeer bleiben stark gefragt
Aage Dünnhaupt, Pressesprecher für Deutschland beim Reiseanbieter TUI, sieht in Coolcation noch keinen großen Trend – obwohl auch hier ein wachsendes Interesse an nordischen Zielen wie Island, Norwegen und Schweden festzustellen sei. Dünnhaupt sagt auf Anfrage, dass bei Gästen aus Deutschland nach wie vor klassische Sonnenziele rund um das Mittelmeer dominierten: Spanien, Griechenland und die Türkei blieben die unangefochtenen Favoriten.
Den Grund sieht er in den Kosten. „Vor allem für budgetbewusste Reisende ist der Urlaub am Mittelmeer eher erschwinglich als in Nordeuropa – wir sehen ja, dass ein Urlaub an den deutschen Küsten teurer ist als ein Badebesuch in Ägypten oder der Türkei.“ Dünnhaupt weist auch darauf hin, dass Kreuzfahrten im Sommer immer beliebter würden. Also „Coolcation“ auf dem Kreuzfahrtschiff? Von insgesamt acht Kreuzfahrtschiffen sei im Sommer über die Hälfte in kühleren Fahrtgebieten unterwegs, sagt er. Sie steuerten Ziele im Baltikum, Norwegen, Island und Großbritannien an.
Die Folgen des Klimawandels
Ist „Coolcation“ also lediglich für wohlhabende Langzeiturlauber geeignet? Nein, denn der Klimawandel wird auf Dauer für ein anderes Urlaubsverhalten sorgen. Das ist das Ergebnis einer EU-Studie von 2023 mit dem Titel „Regionale Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Europa“. Wenn die Erderwärmung um drei oder sogar vier Grad zunehme, so die Erkenntnis der Studie, dann werden die südlichen Küstenregionen im Sommer weniger Touristen haben – während die nordeuropäischen Küstenregionen eine höhere Nachfrage verzeichnen werden.
Zudem würden sich die Urlaubsmonate mit dem Klimawandel verschieben, so die Studie weiter. In Europa werde man dann weniger in den Sommermonaten reisen und stattdessen auf die – bisherige – Nebensaison ausweichen. Die Reiselust bleibt jedoch ungebrochen, lautet eine weitere Erkenntnis der Untersuchung: „Trotz der saisonalen Verschiebung der Nachfrage auf dem gesamten Kontinent wird der Tourismus den Prognosen zufolge weiter wachsen.“