Es sind Bilder, die Mut machen sollen. Fußballerinnen in schwarzen Trikots, teilweise noch verschleiert, die nach Jahren der Entbehrungen mit Todesangst wieder ihrer Leidenschaft nachgehen. Erstmals sind Spielerinnen aus Afghanistan nach der Machtergreifung der Taliban wieder zu einem Fußball-Länderspiel angetreten, ausnahmslos Geflüchtete in einem neu vereinten Team unter Fifa-Hoheit.
In einem monatelangen Vorlauf hat der Weltverband die Gründung dieser Mannschaft vorangetrieben und dafür ein Viererturnier in Marokko organisiert. Tituliert als „The Women’s Series 2025“, in der das Team aus Afghanistan gegen Tschad, Libyen und Tunesien antritt. Zum Auftakt gab es am Sonntag einen 6:1-Sieg gegen den Tschad, beim historischen Länderspieldebüt erzielte Stürmerin Manozh Noori das erste Tor.
Fifa will Recht aller Frauen und Mädchen fördern
Die Fifa will damit die Bemühungen unterstreichen, „das Recht aller Frauen und Mädchen zu fördern und zu schützen, diesen Sport auszuüben, ihre Fußballträume zu verwirklichen und durch das Spiel zu wachsen“, wie der Weltverband in einer Pressemitteilung schrieb. Das Turnier ist Teil einer umfassenderen Strategie, die vom Fifa-Rat – dem auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf angehört – im Mai verabschiedet wurde und für den afghanischen Frauenfußball initiiert wurde. Diese Strategie ermögliche es Spielerinnen, auf die internationale Bühne zurückzukehren. Für Frauen in Afghanistan selbst bleibt die Lage außerordentlich schwierig.
Die 2011 geflüchtete Aktivistin Khalida Popal war in den Prozess involviert. Sie hat einst bereits unter Lebensgefahr den Weg dafür geebnet, dass Frauen und Mädchen in Kabul überhaupt Fußball spielen konnten. Die 38-Jährige war die erste Kapitänin des Teams, die den Fußball als Instrument gegen die systematische Unterdrückung einsetze, dann aber 2011 wegen Morddrohungen flüchtete und heute in Dänemark lebt.
Ihr Buch „Meine wundervollen Schwestern“ schildert anschaulich den schon damals aufopferungsvollen Kampf, ein Frauen-Fußballnationalteam in Afghanistan zu gründen. Mehrfach hatte sie in diesem Jahr rund um ihre Buchvorstellung angemahnt: „Die Welt hat die Frauen von Afghanistan vergessen.“ Zugleich warnte sie davor, mit dem Taliban-Regime zu kooperieren: „Ich weiß nicht, was für eine Zusammenarbeit es geben sollte, wenn die Tailban Frauen aus der Gesellschaft verbannen und verdrängen wollen.“
Australien als wichtigster Anlaufpunkt
Popal stand seit langem mit der Frauenfußball-Kommission der Fifa in Kontakt, um wenigstens den geflüchteten Spielerinnen zu helfen, wieder ihren Sport auszuüben – und fand Gehör. Der Weltverband stellte die finanziellen Mittel, um nicht nur ein Trainingslager in Australien zu organisieren, sondern ein Netzwerk aufzubauen, damit die afghanische Spielerinnen die gleichen Standards an Betreuung und Chancen erhalten wie jede andere hochkarätige Frauen-Nationalmannschaft, teilte die Fifa mit.
Das Auswahlverfahren umfasste drei Trainingslager, in denen sich etwa 70 Spielerinnen aus Australien und Europa der Cheftrainerin Pauline Hamill und ihrem weiblichen Betreuerstab vorstellten. Das erste Trainingslager fand unter Fifa-Leitung daher auch in Sydney statt, gefolgt von zwei weiteren im St. George’s Park National Football Centre in Burton upon Trent, der Heimat der englischen Nationalteams.
Die besten Spielerinnen seien damals nämlich nach Australien geflüchtet, erzählte Popal, die unter dramatischen Umständen die Flucht vor den Taliban organisierte. „Es war grausam, schwierig und stressig. Ich habe mein Bestes gegeben, um den Spielerinnen mitten im Chaos Halt zu geben. Am Ende haben wir mehr als 600 Spielerinnen aus Afghanistan herausgebracht. Am Anfang die Spielerinnen, dann ihre Familien.“ Das A-Nationalteam sei damals überwiegend nach Australien gekommen, während U19- und U17-Spielerinnen in Europa verteilt wurden, vorzugsweise in Portugal, Deutschland, Italien und England.
Besonderer Schutz garantiert
Von den Spielerinnen geleitete Workshops konzentrierten sich die vergangenen Wochen auf Teambildung und Taktik, Wohlbefinden und persönliche Entwicklung. Dabei hätten Schutz und Sicherheit an erster Stelle gestanden, versicherte der Weltverband, der Wert darauf gelegte, dass ausschließlich Frauen mit dem Team arbeiteten.
„Wir sind zutiefst dankbar, dass die Fifa uns diese Gelegenheit und dieses Privileg gegeben hat, zu zeigen, wozu Frauen fähig sind“, sagte Kapitänin Fatima Haidari laut Pressemitteilung. „Es ist eine klare Botschaft an die Welt, dass Frauen, wenn sie etwas in ihrem Leben erreichen wollen, nicht nur als Sportlerinnen, in der Gesellschaft den Männern gleichgestellt sein sollten, insbesondere im Sport und in Ländern wie Afghanistan, wo sie in den letzten Jahren keine Chance dazu hatten. Damit ist dieser Traum wahr geworden.“
Gemeinsam sind sie stark: Die Spielerinnen von Afghanistan stimmen sich auf ihren Auftritt ein
Fifa verspricht sich langfristig Gewinn mit den Frauen
Das Turnier wird mit den nächsten Spieltagen am Mittwoch (29.10.2025) und Samstag (1.11.2025) fortgesetzt und das beste Team zum Sieger erklärt. Die Fifa versichert, den afghanischen Spielerinnen weiterhin eine internationale Plattform zu bieten und gleichzeitig ein sicheres Fußballumfeld zu schaffen.
Fifa-Präsident Gianni Infantino fördert den Frauenfußball auch, weil er sich davon in Zukunft große Gewinnchancen ausrechnet. Die Frauen-WM 2027 in Brasilien soll bereits ein ordentlichen Plus bringen. Danach folgt die Aufstockung auf 48 Teams analog zu den Männer-Weltmeisterschaften. Die USA haben sich gemeinsam mit Mexiko, Costa Rica und Jamaika um die Austragung der Frauen-WM 2031 beworben.
Das Turnier wird offiziell beim Fifa-Kongress am 30. April 2026 im kanadischen Vancouver vergeben. Europa wird im Jahr 2035 aller Voraussicht nach wieder Schauplatz einer Frauen-WM sein. Das Quartett England, Schottland, Wales und Nordirland ist der einzige Bewerber. Deutschland war mit seiner gemeinsamen Offerte mit den Niederlande und Belgien für 2027 gescheitert und plant vorerst keinen neuen Anlauf.
