
Die falschen Vorwürfe gegen den Politiker Stefan Gelbhaar haben für Empörung gesorgt – und für manches Missverständnis über den Begriff der Unschuld. Ein Klärungsversuch
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Elisa Hoven ist Strafrechtsprofessorin an der Universität Leipzig.
Da ist dieser knappe Satz: „Es
gilt die Unschuldsvermutung.“ Hier schiebt ihn ein Journalist seinem aufgeregten
Bericht über eine Straftat hinterher, als kurze Erinnerung an Fairness; dort
fordert ihn ein Strafverteidiger mit Pathos ein. Die Unschuldsvermutung ist mehr
als ein juristisches Prinzip – sie ist politisch. Mal wird sie vernachlässigt,
mal zu Unrecht vereinnahmt. Der Umgang mit der Unschuldsvermutung ist auch
deshalb so schwierig, weil sie viel von uns verlangt: Zurückhaltung und Abwarten,
nicht selten auch entgegen unserer Intuition oder ersten Beweisen. Die
Unschuldsvermutung kann eine Zumutung sein.