Der 1. FC Union Berlin erreicht einen neuen Tiefpunkt. Nach einer alarmierenden Serie ohne Sieg bangt Trainer Bo Svensson um seinen Job. Nach der Niederlage in Bremen vermeidet die Klubführung ein Treuebekenntnis – und der Anhang redet auf die Spieler ein.
Sie sind bekannt für ihre treue Unterstützung. Pfiffe, die es andernorts schon mal gibt, wenn die eigene Mannschaft fortwährend schlecht spielt, gibt es keine. Doch mittlerweile, so scheint es, haben auch die Ultras des 1. FC Union Berlin die Geduld verloren – und das hat schon einiges zu bedeuten.
Noch vor dem Abpfiff hatte der mitgereiste Anhang am Samstag in Bremen – die Kapazität mit 4200 Fans war ausgeschöpft – die Unterstützung eingestellt. Nach der Partie, die die Unioner mit 1:4 (1:3) bei Werder verloren hatten, redeten einige Anhänger minutenlang auf die Mannschaft ein, die vor dem Block stand. „Die Fans haben uns noch einmal klare Worte mit auf den Weg gegeben“, berichtete Rani Khedira im Nachgang, ohne Details zu verraten.
Die Eisernen erreichten in Bremen einen neuen Tiefpunkt. Wettbewerbsübergreifend sind sie seit nun mehr neun Spielen ohne Sieg. Lediglich der gute Saisonstart verschafft den Berlinern noch ein Polster von neun Zählern auf einen direkten Abstiegsrang. „Das Positive ist, dass wir schon 17 Punkte haben. Das Fundament für den Klassenerhalt steht“, befand Khedira.
Union Berlins Präsident Zingler hat das letzte Wort
Bo Svensson, der Trainer, der im Sommer bei Union angeheuert hatte, wollte an Weihnachten sicherlich abschalten – und den turbulenten Fußball-Alltag für kurze Zeit vergessen. Doch die nächste Bundesliga-Klatsche dürfte die Hoffnungen des Trainers der Köpenicker auf eine besinnliche Zeit zerstört haben. Geschäftsführer Horst Heldt, der im Sommer ebenfalls bei Union angefangen hatte, hatte Svenssons Zukunft nach der Niederlage offen gelassen – und den Dänen ohne das erhoffte Treuebekenntnis in den Weihnachtsurlaub geschickt.
Heldt wollte die Eindrücke erst einmal sacken lassen. „Wir haben vier Tore gekriegt und eine Tendenz, die nicht gut und zufriedenstellend ist. Wir müssen uns sammeln“, sagte er: „Insgesamt genießt Bo Svensson großes Vertrauen, aber wir müssen die Spiele unterschiedlich bewerten. Das war gegen Werder viel zu wenig, wir haben die Tore viel zu leicht bekommen. Es ist zurzeit viel zu wenig, in der Offensive wie in der Verteidigung.“
Am 2. Januar kommt die Mannschaft wieder zusammen. Ob Svensson bei dem Wiedersehen noch dabei ist, scheint fraglich. In den Bremer Stadionkatakomben diskutierte Heldt angeregt mit Dirk Zingler. Der Vereinspräsident hat bei Personalentscheidungen das letzte Wort.
Lange hatte der 60-Jährige um Svensson gebuhlt, bis er schließlich im Sommer als absoluter Wunschkandidat verpflichtet werden konnte. Der Däne sollte eine Ära wie einst Urs Fischer prägen. Und da Union kein Verein ist, der seine Trainer voreilig rausschmeißt, dürfte Svensson noch eine Chance bekommen. Der komfortable Vorsprung auf die Gefahrenzone dürften ihn retten – noch.
Dennoch, es müssen Lösungen her. Die Mannschaft zeigt offensiv wie defensiv zu wenig. Dass die Stürmer kaum treffen, ist Alltag bei Union. Die Berliner haben nach Bochum (elf Tore) und St. Pauli (zwölf) bislang die wenigsten Treffer aller 18 Erstligisten erzielt – nur 14. Im Spielaufbau mangelt es seit Wochen an Ideen. Über den Ehrentreffer von András Schäfers, einem defensiven Mittelfeldspieler, sprach in Bremen niemand. Viel mehr Sorgen bereitet den Verantwortlichen, dass mittlerweile auch das zum Saisonstart noch so dominante Abwehrbollwerk bröckelt.
„Der Trainer erreicht uns noch“, sagt Benedict Hollerbach
„Es gibt absolut Möglichkeiten, die Situationen zu verteidigen. Und das haben wir nicht getan“, bemängelte Svensson nach zu einfachen Gegentoren. Noch glaubt der 45-Jährige an die Rückendeckung des Vereins. „Ich sehe mein Verhältnis zur Mannschaft sehr gut und auch zur sportlichen Führung“, berichtete Svensson. Wohl wissend, dass man sich im harten Fußball-Geschäft von einem guten Verhältnis nichts kaufen kann.
Offensivspieler Benedict Hollerbach suchte nach dem Positiven inmitten der Krise und befand: „Der Trainer erreicht uns noch. Wir haben zuletzt keine guten Leistungen gezeigt, aber wir stehen nicht auf einem Abstiegsplatz“.
Sollte Svensson noch eine Chance bekommen, dürfte er zum Hinrunden-Abschluss im Januar Endspiele erwarten. Denn nach der Winterpause geht es für Union gegen die Keller-Konkurrenten Heidenheim und den Augsburg. „Noch ist ja nichts verloren“, sagte Hollerbach.
LaGa mit dpa