

Machen wir weiter wie im Moment, erwärmt sich die Welt um 2,8 Grad, unbewohnbare Zonen und versunkene Inselstaaten inklusive (Emissions Gap Report 2025). Das war es mit dem bei seiner Verkündung vor zehn Jahren mit Freudentränen begrüßten 1,5-Grad-Ziel, das CO2-Budget für seine Einhaltung ist so gut wie aufgebraucht (Global Carbon Budget Report 2025). Der erste Kipppunkt im Erdklimasystem ist erreicht, die tropischen Korallenriffe werden es wohl nicht schaffen (Global Tipping Points Report 2025).
Ein Gewinn von 20 Billionen Dollar im Jahr ist für die Wirtschaft weltweit von 2070 an drin, wenn sich die Menschheit für ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften entscheidet. Saubere Luft und eine weniger fleischlastige Ernährung lassen 50 Millionen Menschen gesünder und länger leben: globaler Umweltbericht der UN, gestern erschienen.
Die Welt wird dunkel, dann hell
Moment mal, was? Der Environment Outlook Report, eine Art Übervater der Bestandsaufnahmen zur Lage des Planeten, überrascht nicht mit den sein Erscheinen begleitenden Superlativen – 1000 Seiten, der umfassendste Bericht jemals –, mit seinen Modellierungen aber durchaus. Er enthält die vertrauten Zahlen und Prognosen, zählt auf, was dabei ist, verloren zu gehen: Artenvielfalt, Ökosysteme, fruchtbare Böden, ein menschenfreundliches Klima. Vor allem aber zeigt er, was gewonnen wäre, wenn die „humanen Systeme“ transformiert würden.
Wenn Wirtschaftsindikatoren Ökosystemleistungen der Natur berücksichtigen, wenn eine Kreislaufwirtschaft der ständigen Nachfrage nach Rohstoffen ein Ende setzt, wenn Sonnen- und Windenergie fossile Brennstoffe ablösen, wenn die Ernährung pflanzlicher wird, wenn Landflächen schonend genutzt werden. In dem Bericht wird die Welt erst dunkel, dann hell. 2019, als er zuletzt erschien, durfte man noch glauben, dass von der Wissenschaft gelieferte Fakten Handeln nach sich ziehen: Bei prognostizierten vier Grad Erderwärmung kann man doch nicht anders, als schleunigst die Handbremse zu ziehen?
Doch, man kann. Die Aussicht auf die Abwesenheit von Unheil war nicht genug, mehr Form nahm die Zukunft, für die man die Mühen der Transformation erdulden sollte, aber nicht an. Zunehmend tut sie das, nicht nur im UN-Bericht. Eine Datenwissenschaftlerin aus Oxford legt dar, dass ein Morgen ohne Klimakatastrophe zum Greifen nah ist. Frank Schätzing, berühmt geworden mit einem Roman, in dem die ausgebeutete Natur zurückschlägt, verkündet auf Instagram gute Nachrichten: Basel schreibt grüne Dächer vor, Indiens Strom ist zu 50 Prozent klimaneutral. Der 99 Jahre alte Naturforscher David Attenborough zeigt in seinem neuen Monumentalwerk „Ozeane“, wie das Leben in geschützten Meereszonen zurückkehrt. Zukunftsversprechen statt Weltuntergang. Auch so kann ein Kipppunkt aussehen.
