
Zwei Minuten vor Schluss ereignete sich eine Szene, die sehr viel darüber erzählte, wie die Basketballer des FC Bayern in dieses desaströse Auftreten hineingeschlittert waren. Bayerns Jack White war freigespielt und setzte zum Dunking an, doch dann kam der Ulmer Marcio Santos angeflogen und fegte White mehr hinfort, als dass er ihn blockte. Dass er dafür ein Foul angekreidet bekam, war dem Ulmer Center völlig egal, er feierte mit den Fans. Ulm hatte dem FC Bayern zumindest an diesem Abend mit einem 79:64 den Schneid abgekauft.
Dabei sind es doch die Bayern, die als das erfahrenere Team gelten. „Heute hat uns die Mentalität das Spiel gekostet“, analysierte Münchens Justus Hollatz, und meinte wohl: die Mentalität des Gegners. „Ich glaube, Ulm wollte es mehr“, sagte Hollatz. Dass der FC Bayern seinen Titel von 2024 gegen den Meister von 2023 verteidigt, erscheint nunmehr alles andere als selbstverständlich. „Wir haben die Zweikämpfe verloren, das muss man anerkennen“, sagte Bayerns Trainer Gordon Herbert. Und Hollatz hatte noch mehr zu kritisieren. „Wir haben gespielt, als hätten wir zum ersten Mal Offense gespielt“, schimpfte der 24-Jährige.

:„Satou macht, was sie will, das war schon immer so“
Sie ist Deutschlands Anführerin bei der Heim-EM: Leonie Fiebich über berühmte Fans bei Spielen in New York, fehlende Unterstützung des Deutschen Basketballbundes für den Frauenbasketball – und den Nationalteam-Verzicht von Kollegin Sabally.
Die Bayern waren einfach nicht zurechtgekommen und zeigten sich spätestens ab dem dritten Viertel von Ulms Spielweise beeindruckt. Die Bayern produzierten 22 sogenannte Turnovers, oft nutzte Ulm sie erfolgreich für Tempogegenstöße; für Szenen also, die dann auch die Stimmung in der Halle anfachen. Karim Jallow stahl den Bayern gleich sechsmal den Ball, das bedeuteten einen Karriererekord für den wichtigsten Ulmer Spieler. Beim Streamingdienst Dyn darauf angesprochen merkte er an, dass er noch einen weiteren Karriererekord aufgestellt habe: sechs Fehlwürfe in Serie. Das war ebenfalls sinnbildlich. Ohne überragend gespielt zu haben, hatten die Ulmer ihr Hauptziel erreicht, die zwangen die Bayern zu Fehlern. „Ausschlaggebend war heute unsere Defense“, freute sich Jallow: „Wir haben unser Spiel gespielt, wir haben schnell gespielt, der Ball hatte Energie.“
Die Bayern hatten jedenfalls wenig Energie und fanden keinen Plan B gegen die aggressive Verteidigung eines Gegners, der Stand jetzt, Mitte Juni, immer noch kein Heimspiel verloren hat. Jallow rechnete damit, dass die Bayern für Spiel drei „ein paar adjustments“ machen werden, taktische Anpassungen. Das zeigt aber auch, dass es die Bayern sind, die sich jetzt etwas einfallen lassen müssen. Es scheint so, als ob Meister wird, wer die Heimstärke des anderen knackt.
Ulm und die BBL streiten sich vor den Mikrofonen
Dass die Serie am kommenden Dienstag noch einmal nach Ulm kommt, bedeutet zugleich, dass ein lang diskutiertes Szenario eintritt: Ulms Talente Ben Sarraf und Noa Essengue werden die erste Auswahlrunde in der NBA, den Draft, verpassen, wenn sie für Ulm die Finalserie zu Ende spielen. Dieser Umstand hatte schon vor dem ersten Spiel zu öffentlichen Misstönen geführt, insbesondere zwischen dem deutschen Verband und den Ulmern. Diese hatten am Dienstag erklärt, ab sofort nicht mehr den Umstand kommentieren zu wollen, dass die BBL eine zeitliche Verkürzung der Finalserie pauschal abgelehnt hatte. Aber nicht, ohne hinzuzufügen: „Sowohl bei den geschilderten Abläufen als auch hinsichtlich der Chronologie entspricht die Darstellung der easyCredit BBL rund um die Terminierung der Finalserie nicht den Tatsachen.“
Am Dyn-Mikrofon erklärte BBL-Geschäftsführer Stefan Holz: „Am Ende des Tages sind uns die Hände gebunden“, die Regularien gäben das gar nicht her. Außerdem komme man „in Teufels Küche“, wenn man solche Ausnahmen gewähre. Dass die eigene Aussage laut den Ulmern nicht den Tatsachen entsprechen soll, konnte Holz „nicht nachvollziehen“. Übrigens hatte auch schon Bayerns Hollatz vor dem Halbfinale angemahnt, dass die Pause bis zur nächsten Serie viel zu lang sei.
Die Bayern jedenfalls wirkten aus dem Tritt gebracht, und als mehrere Spieler wegen Foulproblemen pausieren mussten, fehlte auch die Kaderbreite, um aggressiv weiterspielen zu können. Es ist nicht auszuschließen, dass die Bayern noch einmal ihren seit Wochen verletzten, besten Werfer Carsen Edwards ins Rennen schicken, wenn er unbedingt gebraucht wird. Die Bayern zur Meisterschaft zu führen, könnte dann das Abschiedsgeschenk des 27-jährigen US-Amerikaners werden. Gerüchte um seine Wechselabsichten halten sich hartnäckig. So wie auch bei Nick Weiler-Babb, der am Mittwoch eine seiner schlechtesten Leistungen im Bayern-Dress zeigte.