

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will sich noch vor Jahresende mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump treffen. „Wir haben ein Treffen auf höchster Ebene – mit Präsident Trump – in Kürze vereinbart“, teilte Selenskyj am Freitag auf der Plattform X mit. „Noch vor Neujahr kann viel entschieden werden.“
Am Donnerstag hatte Selenskyj eigenen Angaben zufolge mit Trumps Sondergesandten Steve Witkoff und Jared Kushner telefoniert und ihnen für ihren „konstruktiven Ansatz, ihre intensive Arbeit und die freundlichen Worte und Weihnachtsgrüße an das ukrainische Volk“ gedankt. Dabei seien „wichtige Details“ besprochen worden, die zu einem dauerhaften Frieden beitragen könnten. Er hoffe, dass diese Überlegungen und die besprochenen Ideen sich als nützlich erweisen und sein Land dem Frieden näher bringen können, sagte Selenskyj.
Selenskyj äußert sich nur mündlich über den Plan
An Heiligabend hatte der ukrainische Präsident bei einem Treffen mit Medienvertretern erstmals öffentlich über den mit den USA verhandelten 20-Punkte-Plan für ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen sein Land gesprochen. Die USA hatten im November einen 28-Punkte-Plan vorgelegt, der jedoch Moskaus Interessen sehr weit entgegengekommen war. Daraufhin hatte es mehrere Gespräche zwischen der Ukraine und den USA gegeben.
Dem nun vorliegenden Entwurf zufolge soll die Ukraine nach einem Ende der Kämpfe ein souveräner Staat bleiben, der starke Sicherheitsgarantien erhält, erklärte Selenskyj. Dazu zählten Streitkräfte im Umfang von 800.000 Mann in Friedenszeiten sowie dem NATO-Artikel fünf ähnelnde Sicherheitsgarantien, die von den USA und europäischen Staaten gewährt würden.
Darüber hinaus soll die Ukraine zu einem noch nicht genannten Zeitpunkt Mitglied der Europäischen Union werden, „kurzfristig“ Zugang zum europäischen Markt erhalten und ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten abschließen. Zudem soll die Ukraine ungehinderten Zugang zum Schwarzen Meer und zum zurzeit teilweise von russischen Truppen kontrollierten Dnipro erhalten.
Die Ukraine soll keine Atomwaffen bekommen
Des Weiteren will sich Kiew verpflichten, auch künftig atomwaffenfrei zu bleiben und „so bald wie möglich“ nach Unterzeichnung eines Friedensabkommens Wahlen abzuhalten. Letzteres hatte Trump erst kürzlich wieder gefordert. Bisher verhindert das Kriegsrecht in der Ukraine Wahlen auf allen Ebenen.
Selenskyj zufolge soll das derzeit von russischen Truppen besetzte größte Kernkraftwerk Europas in Saporischschja künftig gemeinsam von den USA und der Ukraine verwaltet werden. Hier besteht nach wie vor ein Dissens mit Washington, das eine trilaterale Kontrolle und Verwaltung unter Einbezug Russlands wünscht.
Donbass-Frage weiter offen
Auch eine Lösung für die Gebietsfrage scheint noch fern, obwohl Selenskyj auch in diesem Bereich auf Amerika zugeht, das zuletzt große Zugeständnisse von Kiew gefordert hatte. Nach Selenskyjs Vorstellungen muss Russland seine Truppen vollständig aus den Gebieten Dnipropetrowsk, Mykolajiw, Sumy und Charkiw abziehen. In den Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson, die von Russland formal bereits annektiert, jedoch nur teilweise kontrolliert sind, soll der Frontverlauf am Tag des Abkommens die Grenzlinie bilden. Russland fordert allerdings nach wie vor die Übergabe des gesamten Donbass, wozu auch Washington Kiew drängt.
Selenskyj, der zuvor den Abzug russischer Truppen aus dem Donbass gefordert hatte, skizzierte seine Bereitschaft, in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten ein Referendum darüber abzuhalten, ob der Donbass eine de facto entmilitarisierte Zone werden soll, in der internationale Kräfte Sicherheit und Ordnung garantieren. Die USA hatten von einer „freien Wirtschaftszone“ gesprochen, während Moskau äußerte, das Gebiet von der Nationalgarde verwalten zu lassen, was die Ukraine ablehnt.
Moskau soll künftig auf Angriff in Europa verzichten
Russland wiederum soll sich verpflichten, künftig weder die Ukraine noch einen anderen europäischen Staat anzugreifen und dies auch in vom Parlament beschlossenen Gesetzen zu verankern. Allerdings hat Moskau bisher ähnliche Verpflichtungen wie das Budapester Memorandum oder die Minsker Abkommen gebrochen.
Weitere Punkte umfassen Selenskyj zufolge den Austausch von Kriegsgefangenen und die Rückgabe ziviler Geiseln, den ukrainischen Wiederaufbau inklusive eines Wirtschaftsentwicklungspakets und Investitionsverträgen sowie Bildungsprogramme in russischen und ukrainischen Schulen zu Toleranz und Antirassismus. Ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine soll von einem „Friedensrat“ unter Vorsitz von Trump überwacht werden und ein vollständiger Waffenstillstand zwischen beiden Ländern nach Unterzeichnung des Abkommens in Kraft treten.
Putin soll zu einem teilweisen Tausch besetzter Gebiete mit der Ukraine bereit sein, fordere aber nach wie vor die volle Kontrolle über den Donbass, berichtete die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“ mit Bezug auf ein Treffen des russischen Präsidenten mit führenden Unternehmern am 24. Dezember. Kremlsprecher Dmitrij Peskow teilte am Freitag mit, Putin habe seinen außenpolitischen Berater Jurij Uschakow angewiesen, mit Vertretern der amerikanischen Regierung zu sprechen. Peskow bestätigte, dass Moskau die Vorschläge Washingtons für ein mögliches Friedensabkommen erhalten habe. Man werde den Dialog fortsetzen.
Nach unbestätigten Informationen des ukrainischen Portals „Kyiv Post“ und der amerikanischen Nachrichtenseite „Axios“ könnte das Treffen zwischen Selenskyj und Trump am 28. Dezember in Mar-a-Lago in Florida stattfinden. Allerdings hatte Trump zuvor mehrfach deutlich gemacht, dass er nur zu einem Treffen bereit sei, wenn die Dinge „finalisiert“ seien. Zwar sei das Maß an Verbindlichkeit bei den Gesprächen inzwischen größer, meldete „Kyiv Post“ unter Berufung auf einen mit der Materie befassten, ranghohen westlichen Beamten. Jedoch seien die schwierigsten Teile wie die Gebietsfragen sowie Sicherheitsgarantien und deren Durchsetzung sowie Russlands rechtliche Verpflichtungen nach wie vor ungelöst.
