Übernahmekampf in Hollywood: Ein Deal auf Kosten nicht nur des Kinos

Am 26. März 1950 schrieb Hollywood-Studioboss Samuel Goldwyn einen sorgenvollen Gastbeitrag in der New York Times. Grund für seine Befürchtungen war die Tatsache, dass das Fernsehen sich in den USA rasant verbreitete und Verbraucher angaben, das Geld für ein Fernsehgerät zu sparen, indem sie weniger ins Kino gingen. Für die Filmbranche, so Goldwyn, bedeute dies eine ernsthafte Bedrohung.

75 Jahre später, am 6. Dezember 2025, schrieb ein anderer Studioboss in derselben Zeitung einen Gastbeitrag mit derselben Klage. Hollywood sei am Ende, behauptete Roy Price, der Gründer und langjährige Chef von Amazon Studios. Der Grund für seinen Pessimismus war allerdings etwas komplexer als Goldwyns Angst, dass Kinobesucher lieber in Fernsehempfänger investieren.

Die geplante Übernahme des altehrwürdigen Hollywoodstudios Warner Bros. durch Netflix, so Price, werde einer einzigen Wirtschaftseinheit so viel Macht geben, dass der Wettbewerb und somit die Kreativität bei der Produktion visueller Unterhaltung erstickt. Der neue Gigant werde 40 Milliarden Dollar pro Jahr in die Produktion von Filmen und Serien stecken – knapp ein Viertel des Gesamtvolumens der Branche.

„Hollywood“, so Price, „hat viele Todesprophezeiungen überlebt. Aber es hat noch nie erleben müssen, was passiert, wenn die Anzahl der Käufer kreativer Produktion in ein dominantes Schwerkraftzentrum kollabiert.“

Ein 83-Milliarden-Megadeal

Es kann keinen Zweifel geben, dass der 83-Milliarden-Megadeal, den Netflix Ende vergangener Woche verkündete, ungute Folgen für die globale Produktion von Film- und TV-Unterhaltung hätte. Niemand glaubt, dass die Fusion zweier Kreativzentren und der Wegfall des Wettbewerbs dem Output der Branche gut tut.

Warner Bros. haben eine lange Tradition der Innovation, angefangen mit der Vertonung von Filmen in den 20er Jahren. Das Studio drehte Klassiker wie „Casablanca“, „Die Spur des Falken“, „Der schwarze Falke“ und „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, war Pionier von Superheldenfilmen und bediente rascher als alle anderen das neue Medium Fernsehen.

HBO wiederum, das zu Warner gehört, gilt als Pionier der hochwertigen Serie im Streamingzeitalter. „Die Sopranos“ und „The Wire“ haben für das gesamte Geschäft und eben auch für Netflix Maßstäbe gesetzt. Die Tatsache, dass Netflix-Chef Ted Sarandos HBO und Warner weiterhin Unabhängigkeit verspricht, halten Skeptiker dabei für wenig beruhigend.

„Welche Muttergesellschaft lässt sich schon von ihrer Subsidiärfirma ausstechen“, schreibt der Medienrechtsexperte Tim Wu in der New York Times. Für viel wahrscheinlicher hält Wu eine Breimasse der Mittelmäßigkeit.

Was Branchenkenner bestätigen

Hinzu kommt, dass potenziell das, was Samuel Goldwyn schon 1950 befürchtete, nun doch endlich eintritt, nämlich, dass das klassische Filmtheater endgültig stirbt. Netflix, auch ohne Warner Bros. das mächtigste Hollywoodstudio, hätte die Macht, dem ursprünglichen Filmvertriebsweg und somit dem ursprünglichen Filmerlebnis den Garaus zu machen. Branchenkenner bestätigen, dass Netflix wirtschaftlich nicht den geringsten Anreiz mehr hätte, Filme in Kinos zu zeigen. Gegenteilige Versprechen des Konzerns werden kaum ernst genommen.

Regisseur James Cameron nennt derartige Bekundungen von Netflix-Chef Sarandos „sucker bait“ – also so etwas wie „Köder für Deppen“. „Man bringt einen Film für zehn Tage in die Kinos, damit er sich für die Oscars qualifiziert.“ Für Cameron ist das der Horror, „Filme sollten für die Leinwand gemacht sein.“ Streaming müsse immer derivativ bleiben.

Doch bevor solche Szenarien der Verramschung des Film- und TV-Geschäfts Realität werden, muss der am vergangenen Wochenende grandios verkündete Deal erst ratifiziert werden. Dem steht vorläufig jedoch noch eine Kriegserklärung des Warner-Rivalen Paramount entgegen. Der Konzern von David Ellison, dem Sohn des Technologiemoguls Larry Ellison, musste sich im Ringen um Warner zwar Netflix geschlagen geben. Nun kartet David Ellison jedoch nach und versucht eine feindliche Übernahme.

Seit Beginn der Woche übergeht Ellison den Warner-Vorstand und umgarnt direkt die Aktionäre. Dabei bietet er ihnen 20 Milliarden mehr als Sarandos und verspricht ihnen, zusätzlich zum Filmbusiness, auch eine Gruppe von Fernsehsendern abzunehmen, zu denen auch das Nachrichtennetzwerk CNN gehört. Ein für die Aktionäre attraktives Angebot: Die Sender sind weitaus weniger profitabel als der Unterhaltungsbereich.

Kartellrechtliche Bedenken

Rein kartellrechtlich, sagt der Medienrechtler Tim Wu, seien beide Übernahmen illegal – sowohl die Warner-Paramount-Hochzeit als auch die Verbindung des Studios mit Netflix. Doch im Amerika Donald Trumps sind solche Überlegungen irrelevant geworden. Wenn Trump eine Übernahme befürwortet, das hat man in den vergangenen Monaten nicht zuletzt bei der des Nachrichtensenders CBS durch Paramount gesehen, dann folgen ihm auch die Aufsichtsbehörde FCC und das Justizministerium.

Diese Konstellation dürfte den Ellisons in die Hand spielen. Larry Ellison gehört zu den Tech-Bossen, die sich von Anfang an an Trump herangewanzt haben. Er spendete großzügig für Trumps Wahlkampf und ist Stammgast in Trumps Kitschvilla Mar a Lago. Sein Sohn versprach darüber hinaus, dass die beiden Nachrichtensender, die ihm dann gehören, CNN und CBS, Trump nicht mehr ärgern werden.

Was in Trumps Ohren besonders angenehm geklungen haben muss: CNN gehört zu seinen Lieblingsfeinden. Netflix hat derweil das Problem, dass der Dienst eng mit den Obamas zusammenarbeitet, Was Trump natürlich missfällt. Die Produktionsfirma des einstigen ersten Paars hat mit ihren Dokumentationen einen langfristigen Vertriebsvertrag mit Netflix.

So liegt, wie so vieles in den USA in diesen Zeiten, die Zukunft der Film- und Fernsehkunst in den Händen von Trump und seinen Launen. Widerständige Kräfte, wie etwa von der Partei der Demokraten regierte Bundesstaaten und niedrigere Gerichte, haben bestenfalls die Macht, den Prozess hinauszuzögern. Ein schwacher Trost bei all dem liegt bestenfalls darin, dass die Tendenz zur Monopolisierung, die der Kunst noch nie gut getan hat, mit oder ohne Trump voranschreitet.