Die deutschen Skispringerinnen starten in die Two-Nights-Tour. Es ist vielleicht die letzte, bevor die Vierschanzentournee auch für die Springerinnen kommt.
Als Selina Freitag mit ihren mintgrünen Skiern auf der Schulter und der leuchtend roten Mütze nach ihrem starken Sprung in der Qualifikation durch die Interviewzone geht, jubeln die Fans. Zum Auftakt der Two-Nights-Tour in Garmisch-Partenkirchen haben sich viele von ihnen warm angezogen. Der Wind pfeift durch das Stadion mit den großen Pfeilern, es ist klirrend kalt. Selina Freitag aber strahlt.
Als eine Gruppe Frauen mit pinken Mützen und heißen Getränken in ihren Thermobechern sie erblickt, brüllen und singen sie – feiern Freitag für ihren Auftakt und hoffen, später noch ein Selfie mit „Seeeeeliiiiinaaa“ zu kriegen.
Fünf Deutsche schaffen Quali
„Es hat sich gut angefühlt“, sagt die formstarke deutsche Skispringerin immer noch in Blick- und Hörweite der Fangruppe im Interview. „Es war wirklich ein guter Sprung. Ich habe ihn gut erwischt. Ich wäre gern noch einen Meter weiter gesprungen. Aber alles in allem bin ich zufrieden.“
Am Ende ist es Platz vier für Freitag. Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen Agnes Reisch, Katharina Schmid, Juliane Seyfarth und Julina Kreibich hat sie die Qualifikation geschafft, geht zum Abschluss des Jahres und beim ersten Springen der Two-Nights-Tour in Garmisch-Partenkirchen an den Start.
Vierschanzentournee: Flutlicht am Bergisel soll kommen
Für die Skispringerinnen aber ist dieser Auftakt in die „Mini-Tournee“ – mit zwei statt vier Springen, auch ein Abschied von eben jener Two-Nights-Tour. Die Vierschanzentournee für die Skispringerinnen soll in der Saison 2026/27 kommen – das ist bereits seit Ende November klar. Während der Qualifikation aber gibt es dann auch über die Stadion-Lautsprecher in Garmisch-Partenkirchen noch einmal die offizielle Durchsage: Das Flutlicht in Innsbruck kommt.
Österreichs Sportdirektor Mario Stecher hatte zuvor der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bestätigt, dass nun auch die schriftliche Genehmigung vorliege. Auch das fehlende Flutlicht am Bergisel hatte bisher als Argument gedient, um zu erklären, warum es keine Vierschanzentournee für die Skispringerinnen gibt.
Während die Fans ihre dicken Handschuhe zu einem dumpfen Klatschen zusammenschlagen als die Nachricht über die Lautsprecher tönt, sind die Skispringerinnen zurückhaltender. „Natürlich freue ich mich, dass es schon solche Nachrichten gibt, aber nach langem Warten, warte ich doch erstmal lieber noch ab“, sagt Freitag. „Ich glaub es auch erst, wenn es richtig losgeht“, sagt Teamkollegin Agnes Reisch.
Schmid: „Schritt längst überfällig“
Und doch hat die Vierschanzentournee eine besondere Bedeutung. „Als Kind schaut man die und viele sind erst durch die Vierschanzentournee zum Skispringen gekommen“, erinnert sich Reisch. „Wenn man als Frau dann immer sagen muss: ‚Wir haben so ein Format nicht.‘ Dann denken die Menschen, wir seien zu schlecht. Aber wir sind Weltspitze und ich freu mich, wenn ich dann in Oberstdorf das erste Mal die Vierschanzentournee springen darf.“
Während viele ihrer Teamkolleginnen noch zurückhaltend sind, hat Katharina Schmid noch etwas ganz Anderes im Blick. „Ich glaube, es ist ein Schritt, der längst überfällig ist“, sagte sie und lacht. In den vergangenen Jahren war Schmid eine jener Athletinnen, die sich stark gemacht hat, für die Chancengleichheit der Skispringerinnen, für Sichtbarkeit und manchmal auch ein anderes Selbstverständnis. Dass sie – sollte die Vierschanzentournee tatsächlich in der nächsten Saison kommen – nicht mehr dabei sein wird, stört Schmid nicht. „Ich freu mich einfach für die ganzen Mädels, die das dann nächstes Jahr genießen können.“
Schmid mit Vorfreude auf Heim-Wettkampf
Vor wenigen Tagen hat Schmid ihr Karriereende bekannt gegeben. Am Saisonende und damit auch nach den Olympischen Spielen in Italien soll Schluss sein. Ein emotionaler Abschied, auch für Schmid selbst, die Skispringerinnen geprägt, Fans begeistert und eben jene Kämpfe, wie den für die Vierschanzentournee, gekämpft hat. Und doch scheint der Zeitpunkt für sie perfekt. Auf die verwunderte Frage eines Journalisten, ob sie nicht die Vierschanzentournee für die Skispringerinnen abwarten wolle, sagte Schmid beim Pressegespräch zum geplanten Karriereende vor wenigen Tagen: „Ich würde sonst nie aufhören.“
Mit wie viel Überzeugung sie diese Entscheidung getroffen hat, ist sicht-, ja beinahe greifbar. Schmid strahlt, winkt den jubelnden Fans und erklärt dann am im Interview, dass sie ihren Sprung in der Qualifikation noch nicht so recht erwischt hat. Mit der Weite nicht zufrieden – das Lächeln aber bleibt. „Auch wenn es vielleicht noch nicht ganz optimal lief: Ich weiß, was ich zu tun habe und ich genieß es.“ Die Vorfreude auf die Two-Nights-Tour, aber auch auf das Springen zu Hause in Oberstdorf, ist Schmid anzumerken. „Ich freu mich auf den Wettkampf daheim und zu wissen, meine Familie, meine Freunde, stehen alle nochmal unten für mich. Das werde ich mitnehmen und genießen.“
Preisgeld statt Duschgel
Auch Schmids Teamkolleginnen wollen – ganz ohne Abschied – bei der Two-Nights-Tour zeigen, was sie können. Was sie gemeinsam bewegt haben, ist schon jetzt klar. Denn anders als im Vorjahr gab es für die Siegerin in der Qualifikation kein Duschgel mehr, sondern 3.175 Euro. Freitag, die im vergangenen Jahr den Quali-Sieg in Garmisch-Partenkirchen geholt hatte, sollte sich mit Duschgel, Shampoo und ein paar Handtüchern zufriedengeben – und hatte diesen massiven Unterschied zu den Männern im Live-Interview in der ARD zum Thema gemacht.
„Es ist schön, dass sich der ganze Trubel auch ausgezahlt hat. Ich hätte es gern selbst mitgenommen“, sagt sie jetzt und lacht. „Schön, dass es jetzt auch Preisgelder bei der Quali gibt.“ So sieht es auch Teamkollegin Schmid: „Es ist natürlich immer schade, dass man erst so Radau machen muss, damit sich was ändert. Aber: Es hat sich geändert und wir freuen uns auch darüber.“
Bundestrainer Kuttin optimistisch
Und vielleicht kommt so im kommenden Winter dann ja tatsächlich auch die Vierschanzentournee für die Skispringerinnen – von der FIS, dem Internationalen Skiverband, ist sie fest eingeplant. Bundestrainer Heinz Kuttin ist optimistisch. „Ich bin mit der Einstellung hierher gefahren, dass es die letzte Two-Nights-Tour ist. Nächstes Jahr gibt’s dann hoffentlich die erste Vierschanzentournee für die Frauen“, sagt er. Selina Freitag ist inzwischen schon ein paar Meter weiter gegangen. Die jubelnden Fans kriegen ihr Selfie und strahlen unter ihren pinken Mützen in die Handy-Kamera.
