
Das Glück kommt manchmal in viel zu großer Fülle. Émilien etwa, ein Geschichtsstudent aus der westfranzösischen Vendée, 22 Jahre alt, jungenhaftes Gesicht, runde Brille, hat 23 Autos gewonnen. Und elf Motorräder. Mehrere Geschirrspüler, Waschmaschinen, Bügeleisen, Haartrockner, Staubsauger, Fernseher in allen Formaten, Handys, Tablets, 35 Kilogramm Süßigkeiten, von allem zu viel. Und 1,76 Millionen noch dazu.
Natürlich war das nicht nur Glück. Émilien brachte auch das nötige Können mit, das passende Allgemeinwissen. Sagenhafte 646 Mal in Folge hat er die allmittägliche Quizshow „Les douze coups de midi“, etwa: Die zwölf Glockenschläge zu Mittag, auf TF1 gewonnen. Und da es bei dieser Sendung nicht nur Geld zu gewinnen gibt, sondern einen Haufen Dinge, die man mehr oder weniger gebrauchen kann, kam vieles zusammen.
Fast zwei Jahre lang dauerte die Serie, bis Sonntag. Émilien ist damit der größte Seriensieger der französischen Fernsehgeschichte, und das mit stattlichem Vorsprung, ein Star. Alle kennen sein Gesicht, seine Geschichte, sogar den Namen seiner Freundin. Nur seinen Nachnamen verriet er nicht, er will die Familie schützen. Und wohl auch sich selbst vor Neidern.
Wie hieß der Formel-1-Fahrer, dessen Name das deutsche Wort für „Santé“ ist?
Émilien scheiterte nur knapp, im Finale der Sendung, wenn die Konkurrenten in einer Minute möglichst viele richtige Antworten geben müssen, der Countdown dient als zusätzlicher Stressfaktor: Antwortet man richtig, hält die Uhr an, und die Reihe ist am Gegenspieler. Émilien konnte nichts mit der Frage anfangen, wie der frühere französische Formel-1-Fahrer hieß, dessen Name das deutsche Wort für „Santé“ ist: Alain Prost. Auch das Ölgemälde „Le chien dalmate“ aus dem Jahr 1959 konnte er nicht zuordnen. Er tippte auf René Magritte, dabei ist es von Pablo Picasso.
Das sind überraschende Wissenslücken für einen wie ihn, für den „Maestro des Mittags“, wie er genannt wurde. Émilien hat als Kind mit dem Training begonnen in der Hoffnung, einmal an einem Wissensquiz teilnehmen zu können, wenn er 18 Jahre alt sei. Alles Mögliche las er sich an, zu allen möglichen Wissensfeldern. Nur mit der Botanik habe er immer Mühe gehabt, sagt er jetzt.
In der Pandemie schaute er „Les douze coups de midi“ jeden Mittag zusammen mit seiner Großmutter. Die war es, die ihn ermunterte, am Casting teilzunehmen. Beim zweiten Versuch wurde er genommen. Er hatte eben erst sein Studium begonnen, erstes Semester. TF1 drehte jeweils ganze Staffeln in zwei, drei Wochen, je fünf Sendungen pro Tag – ein Höllenritt, eine Glückssträhne. Wer konnte schon ahnen, dass das fast zwei Jahre dauern würde? Bald setzte er das Studium aus, die Show beherrschte sein Leben.
Als man Émilien nun fragte, wie es sich angefühlt habe, als er das Finale verlor, ob er nicht auch ein bisschen froh darüber gewesen sei, sagte er: „Das klingt jetzt etwas hart, aber ja, ich fühlte mich auch erleichtert, man kumuliert Müdigkeit und Stress, man muss ständig konzentriert bleiben. Als ich verlor, atmete ich durch.“
Er werde sich nun eine Auszeit gönnen, bevor er weiterstudiere, ein Jahr. Zeit, um ein paar der 23 Autos zu verschenken und den Rest zu verkaufen, auch die Motorräder, die überzähligen Staubsauger, die Küchengeräte. Und Zeit zu reisen, viel zu reisen. Émilien hat nämlich auch eine Menge Reisen gewonnen: nach Berlin, Barcelona, Venedig, auf die Kanaren, nach Lappland und, ach, nach Tahiti.