TV-Kritik zu „Die Stefan Raab Show“: Kein Scherz – Medien

Die gute Nachricht zuerst: Es gibt Hoffnung. Es könnte sein, dass Stefan Raab an diesem Mittwochabend aus seinem inzwischen rufschädigenden schöpferischen Wachkoma aufwacht. Es wäre ihm zu wünschen, schließlich schlachtet RTL den besorgniserregenden Zustand des einst so großen Fernsehmannes seit Monaten in den unterschiedlichsten Sendungen unerbittlich aus– ganz so wie man das vom Reality-TV-Ekelprüfungssender erwarten würde. Aber trotzdem: Erlauben Sie sich zu hoffen! Es gibt nämlich mindestens zwei Gründe, die die Hoffnung auf das Fernsehwunder nähren, dass Raab bald wieder Unterhaltungsfernsehen macht. So richtig mit Leidenschaft. So wie in den ersten Jahren von TV-Total, als Raab nur von sich selbst und seinem Ich-zeig-dir-meinen-Weisheitszahn-Lachen überstrahlt wurde.

Der erste Grund für die Hoffnung: Es muss doch Vorhersehung der Fernsehgötter sein, dass Raab – bitte Fußballreporterstimme vorstellen beim Lesen – ausgerechnet an diesem Mittwoch mit seiner neuen Sendung ins RTL-Programm startet. Just einen Tag nach der Rückkehr von Jimmy Kimmel ins US-Fernsehen. In einem Moment also, in dem die Late-Night-Show durch angekündigte sowie voll- und zurückgezogene Absetzungen (erstes: Stephen Colbert, zweites und drittes: Jimmy Kimmel) gerade wieder weltweit gesellschaftliche Relevanz erringt. Das muss doch dem einstigen Late-Night-König von Deutschland wieder frische Motivation einhauchen! Oder? ODER?!

Der zweite Grund zur Hoffnung entspringt aus einem Moment im RTL-Programm, der kurz vor Raabs Show zu sehen ist. Die vielleicht einzige Fernsehfigur, die Zuschauerinnen und Zuschauer schon länger begleiten dürfen als Raab, ist bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ aus dem Koma erwacht: Jo Gerner öffnete wieder seine Augen. Kennen Sie nicht? Nicht so wichtig, die erbauliche Symbolwirkung bleibt dieselbe: Es gibt noch Wunder im deutschen Fernsehen. Könnte also sein, dass Raabs – jetzt bis aufs Weitere wöchentliche, 75-minütige Sendung „Die Stefan Raab Show“ ja doch kreativer wird, als es ihr Name vermuten lässt. Hoffnung!

„Das heißt: Ich muss die Scheiße wieder selber machen?“

Und jetzt die schlechte Nachricht: Um 20.15 Uhr geht „Die Stefan Raab Show“ schließlich los.

Wie viel Motivation Raab mitgebracht hat, zeigt sich schon im Cold Opener, also im Einspieler vor dem eigentlichen Beginn der Sendung. Die Kamera betritt Raabs Garderobe, wo der sich Karaoke-singend die Zeit vertreibt. Scheinbar geht Raab nicht davon aus, gleich zu moderieren. Schließlich hatte er dem zwischendurch abgesetzten Kimmel seine RTL-Show angeboten, was den deutschen Moderator immerhin bis in den Comeback-Monolog von Kimmel spülte – wenngleich ohne Namensnennung. Aber: Kimmel ist jetzt eben nicht mehr auf derlei Asyl angewiesen – und Raab muss selber ran. Oder in seinen eigenen Worten: „Das heißt: Ich muss die Scheiße wieder selber machen?“, sagt er – und beschimpft damit seine eigene Sendung auf eine Art, von der sich selbst diese kritische Betrachtung distanziert.

Weiter im Cold Opener: Raab lässt sich also hektisch schminken, wirft ein Sakko übers Hemd und verlässt seine Gardarobe. Es muss jetzt schnell gehen! Vorbereitung auf die Sendung? Pff, keine Zeit. Gut, dass Raab in seinen letzten TV-Total-Jahren gezeigt hat, dass er sich von mangelnder Vorbereitung nicht abhalten lässt – so zumindest die unqualifizierte Erinnerung eines damaligen Teenagers.

Vorbereitung hin, Vorbereitung her: Es folgt nun die eigentliche Sendung. Und damit ein knapp halbstündiges Stand-Up, das hauptsächlich deswegen so genannt werden kann, weil Raab während dieser Zeit steht. Es gilt in diesen Minuten der alte – und auch an diesem Abend wieder oft ausgepackte – Raab-Satz, mit dem er seit 1999 seine Witzversuche einleitet: „Haben Sie das hier gesehen? Kein Scherz …“

Die zwei Schmunzler der Sendung seien der Hoffnung halber noch berichtet. Weil Howard Carpendale letztens mal den Song „What A Wonderful World“ coverte und dabei versuchte wie Louis Armstrong zu singen, lässt Raab jetzt ein Video einspielen, in dem Louis Armstrong zu sehen ist, während „Hello again“ von Carpendale zu hören ist. Und der zweite: Weil die Sendung sich dem Oberthema „Bodybuilding“ widmet, fällt irgendwann der Satz: „Jesus Christus – eine absolute Maschine beim Kreuzheben.“ Da muss selbst der ungetaufte und lediglich Kieser-Training-erprobte Schreiberling vor dem Bildschirm schmunzeln.

Der Rest bleibt leider im komatösen „Kein Scherz“-Modus. Gibt es trotzdem noch etwas, was Hoffnung auf mehr lustige Raab-Unterhaltung in der kommenden Zeit macht? Ja. Ein anderer Raab-Satz, der fiel, als gerade wieder mal eine Pointe ohne Reaktion im Studio gefloppt war: „Gar nicht mal so groß, die Begeisterung.“ Hoffnungsspendend, weil Selbsterkenntnis ja sprichwörtlich der erste Schritt zur Besserung sein soll. Apropos, an dieser Stelle: Gute Besserung, Jo Gerner.