TV-Kritik Caren Miosga: Herr Klingbeil, sind Sie ein „talentierter Hütchenspieler“?

Wie Lars Klingbeil (SPD) es wohl finden würde, wenn Caren Miosga ihn ganz unverblümt auf die Schuldenpläne der Koalition anspricht? Was würde der Bundesfinanzminister zur besten Sendezeit zur sonderbaren Zweckentfremdung des Sondervermögens sagen, die renommierte Ökonomen in seiner Haushaltsplanung erkennen? Klingbeil soll ja „sehr sensibel“ auf Kritik reagieren, wie Kanzler Friedrich Merz (CDU) seine Parteifreunde jüngst ermahnte.

Also Vorsicht und behutsam bitte, Frau Miosga, fangen wir ganz unverfänglich an. Ob Merz, der vorige Woche an gleicher Stelle Rede und Antwort stand, warnende Worte auf ihrer Mailbox hinterließ („Lass mir den Lars bloß in Ruh‘“), ist nicht bekannt, aber Miosga ist Profi genug, auch ohne Intervention ausreichend Taktgefühl zu besitzen. „Fans“, witzelt sie beim wohlwollenden Eingangsapplaus für Klingbeil.

Klingbeil: Ich bin ein „Team Player“

In seiner Rolle als Vizekanzler kann zunächst wenig schiefgehen, Miosga gibt sich in einer ersten schnellen Fragerunde zur Außenpolitik mit Allgemeinplätzen zufrieden. Angesprochen auf Trumps Friedensplan für Gaza spricht er von einer „Woche, die auch mir viel Hoffnung gibt“. Den Friedensnobelpreis würde er dem US-Präsidenten trotzdem nicht geben. Zu schwer wiege die „Polarisierung“ im Inland, der repressive Umgang mit Medien und Oppositionellen. „Das ist nicht die USA, wie ich sie kenne.“ Und die Ukraine? „Wir versuchen, den Druck auf Putin hochzufahren.“

Das ist das Stichwort für Miosga, den Druck auf Klingbeil ein wenig hochzufahren. Der Vizekanzler ist gleichzeitig Bundesfinanzminister und SPD-Parteichef, wie kriegt man das alles zusammen? Er empfinde seine Aufgaben als „Privileg“, antwortet Klingbeil, er sei „gut im Organisieren“ und ein „Team Player“.

Das ist eine bemerkenswerte Formulierung, hat er doch unlängst beim Umbau der Parteiführungsriege keine Skrupel gezeigt, alle Macht bei seiner Person zentralisiert und sich damit zum mächtigsten Sozialdemokraten seit Jahren aufgeschwungen, obwohl er kurz zuvor ein historisch schlechtes Wahlergebnis der SPD mitzuverantworten hatte. Oder meint er doch den anderen Klingbeil, der sich mehr als „Investitionsminister“ zugunsten einer besseren Zukunft denn als Finanzminister versteht und dabei über so viel kreditfinanzierten Spielraum verfügt wie keiner seiner Vorgänger? Und passen diese beiden Rollen überhaupt zusammen, der Wunschzettel einsammelnde Parteichef und der strenge Regierungskassenwart?

„Nicht wie bei der Ampel den Kopf einschlagen“

Diese Frage ist zentral, wenn man sich auf Klingbeils konsequente Verweigerung klarer Aussagen einen Reim machen will. „Was kostet uns der Aufschwung, Herr Klingbeil?“, so lautete der maximal breit angelegte Titel der Sendung. Dabei kann der Finanzminister nicht einmal beantworten, wie viele Milliarden Euro sich nun genau einsparen lassen, indem man die sogenannten „Totalverweigerer“ beim Bürgergeld, Verzeihung, der Grundsicherung härter bestraft. Generell sei er aber „total froh, dass wir das Thema jetzt endlich angehen“, behauptet Klingbeil, als wäre es nicht die SPD-geführte Vorgängerregierung gewesen, die das Bürgergeld überhaupt erst eingeführt hat.

Bei einem anderen Thema geht Klingbeil dann offener mit dem Umstand um, dass sich der Kuhhandel als klassischer Regierungsmodus dieser schwarz-roten Koalition herauskristallisiert. Als Sozialdemokrat habe er „die Mütterrente nicht auf den Tisch gelegt“, es handle sich um einen „klassischen politischen Kompromiss“, damit man sich „nicht wie bei der Ampel drei Jahre lang den Kopf einschlägt“. Um eine „stabile Regierung in der Mitte“ zusammenzuhalten, scheint in dieser Logik so ziemlich jede Variante der Klientelpolitik recht, um nur die AfD von den Hebeln der Macht fernzuhalten.

Die Mütterrente ist nicht das einzige Wahlgeschenk der Koalitionäre, auch die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie lassen viele Wähler ratlos zurück, während für die versprochene Stromsteuersenkung für alle doch kein Geld da ist. Brisanz erhalten die klientelpolitischen Kuhhandel auch durch den offenbar läppischen Umgang mit den 500 Milliarden an Schulden über den Kernhaushalt hinaus, euphemistisch „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität“ genannt. Ökonomen kritisieren, dass die Regierung den finanziellen Spielraum nutzt, um Löcher im regulären Haushalt zu stopfen, die Etats der Ressorts zu senken und Dinge zu bezahlen, die schon längst beschlossene Sache waren. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, spricht von einem „Verschiebebahnhof“.

Bloß nicht die SPD-Stammwähler verprellen

Jetzt geht Miosga aufs Ganze: Sind Sie ein „talentierter Hütchenspieler“, Herr Klingbeil? Der widerspricht, immerhin sei „diese Verschiebebahnhofsache“ ja insofern widerlegt, als er sonst keine klaffende Lücke von 34 Milliarden Euro im Haushalt für 2027 zu stopfen hätte. Das ist ungefähr so logisch wie das Plädoyer des Zockers, er habe das Vermögen natürlich nicht im Casino auf den Kopf gehauen, ach wo, sonst bräuchte er jetzt nicht schon wieder frisches Geld. Aber gut, ganz beliebig lässt sich das Geld dann offenbar doch nicht hin- und herschieben, was fast schon wieder beruhigend ist.

DSGVO Platzhalter

Und wie lässt sich die Lücke im Haushalt nun stopfen? Miosga spielt ein aktuelles Zitat von Klingbeil ein: „Die Bürgerinnen und Bürger […] vertragen auch klare Worte und verstehen, dass wir ein Haushaltsloch von über 30 Milliarden Euro im Jahr 2027 nicht ohne Einschnitte schließen können.“ Welche Einschnitte das konkret sein könnten, dazu gibt es dann keine klaren Worte vom Finanzminister. Sonst würde er in seiner Funktion als Parteichef wohl die Stammwählerschaft verprellen. „Viele Sachen“ würden auf die Bürger zukommen, deutet Klingbeil nebulös an, zum Beispiel eine Reform der privaten Altersvorsorge.

Aber gibt es nicht vor allem ein Problem bei der gesetzlichen Rente, fragt Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, der später zur Diskussion dazustößt. „Was heißt denn Problem?“, fragt Klingbeil unschuldig, als hätte er noch nie vom demografischen Wandel gehört. Seine Partei hat jüngst die Rentengarantie bis 2031 durchgesetzt, noch so ein Kuhhandel. „Zu unterkomplex“ sei Klingbeil der Vorschlag, die Renten zu kürzen oder die Menschen länger arbeiten zu lassen. Vielmehr müsse man die Frage stellen, wer überhaupt einzahle und wer nicht. „Warum bin ich als Politiker nicht in der gesetzlichen Rente?“, fragt Klingbeil und erhält dafür Szenenapplaus. Die Fans sind noch da.

Eine von vielen Kommissionen beschäftigt sich nun mit der Frage, wie sich das Rentensystem reformieren lässt. Das war es wohl schon mit dem „Herbst der Reformen“, die Politik geht nun in den Winterschlaf. Das muss schneller gehen, mahnt Miosga: Die Union wolle an den Sozialapparat ran, die Sozialdemokraten an die Vermögen der Reichen, warum mache man nicht einfach beides? Klingbeil bleibt unbestimmt, verspricht immerhin ein „gerechtes Gesamtpaket“, das dann „um den Jahreswechsel“ kommt. Die Zeit dränge allein wegen des Haushaltslochs für 2027, und „die Menschen wissen auch, dass sich was verändern muss. Die sind ja nicht doof.“