
Rund um den TSV 1860 München herrscht derzeit Euphorie, was den namhaften Sommerzugängen geschuldet ist. Mehr als 1000 Fans erschienen zum Trainingsauftakt, am Samstag kamen 1700 Zuschauer zum eher belanglosen Testspiel beim Bezirksligisten TSV 1862 Grafenau (10:0). Rückkehrer Kevin Volland schoss dabei das erste Tor und überstrahlt alles, aber auch die Neuen, die zuletzt in Giesing präsentiert wurden, haben eine für Drittligaverhältnisse beeindruckende Vita. Doch die Hintergründe sind ebenso imposant.
Der Aufsichtsrat des TSV 1860 hatte mal wieder kurzfristig das Budget für den „Personalaufwand Spielbetrieb“ erhöht, wie zuerst die Abendzeitung berichtete – wohl in der Hoffnung auf ebenso erhöhte Aufstiegsaussichten. Von ursprünglich 4,5 Millionen Euro stieg es auf 6,3 Millionen. Das ist auf den ersten Blick eine gewohnte Übung bei den Löwen – schließlich haben die Investorenvertreter die Mehrheit in dem Gremium, und eine weitere Neuverschuldung bei Hasan Ismaik stört sie wenig. Ebenso üblich war es in der Vergangenheit, dass sich die e.V.-Aufsichtsräte enthielten, um ihre Abneigung gegen weitere Darlehensaufnahme der Profifußball-KGaA auszudrücken.
Doch diesmal war nach SZ-Informationen alles anders: Die e.V.-Vertreter Thomas Probst und Sebastian Seeböck stimmten sogar dagegen – weil sie nach eigener Ansicht gar nicht anders konnten. Karl-Christian Bay nahm nicht teil und hatte sein Stimmrecht auf Seeböck übertragen.
Nach SZ-Informationen ist in der sogenannten „Finanz- und Investitionsplanung III“ für die kommende Saison eine Unterdeckung von 250 000 Euro nicht gegenfinanziert, für die ebenfalls enthaltene übernächste Spielzeit eine Unterdeckung von etwa fünf Millionen Euro noch überhaupt nicht. Eine Zusage oder gar eine Unterschrift für entsprechende Darlehen Ismaiks gibt es demnach nicht.
Mit Forderungen für weitere Darlehen muss sich das neue Präsidium um Gernot Mang auseinandersetzen
Zu einer Finanzierung durch HAM (Ismaiks Firma, d. Red.) sollen sich die Investorenvertreter um den Aufsichtsratsvorsitzenden Saki Stimoniaris trotz Aufforderung nichtssagend geäußert haben. „Den beschriebenen Sachverhalt kann ich aufgrund bestehender Verschwiegenheitsverpflichtungen weder bestätigen noch dementieren“, erklärte Seeböck auf SZ-Anfrage, „aber grundsätzlich kann ich sagen, dass ein Aufsichtsrat schon allein aus haftungsrechtlichen Gründen ganz sicher nicht zustimmen könnte, wenn ein Finanzplan nicht durch eine Gegenfinanzierung gedeckt wäre. Es bliebe dann keine andere Option als Nein.“
Die nächste Fortführungsprognose für die hoch verschuldete Profifußball-KGaA durch einen Wirtschaftsprüfer steht im Herbst an. Bis dahin muss wasserdicht geklärt sein, wie eine Unterdeckung aufgefangen werden würde, falls dazu keine Sondereffekte wie etwa Spielertransfers ausreichen. Und die e.V.-Vertreter im Aufsichtsrat sowie die Verwaltungsräte des Stammvereins werden nun die Sorge teilen, dass die wohl nötigen Darlehen Ismaiks wieder einmal an Forderungen geknüpft werden. Zuletzt hatte das noch amtierende Präsidium um Robert Reisinger, sehr zum Missfallen des Verwaltungsrats, bei einem Darlehensvertrag eine Klausel akzeptiert: Sollte das Präsidium einen Geschäftsführer gegen den Willen der Investorenseite mittels 50+1 einsetzen oder abberufen, könnte das Darlehen sofort fällig gestellt werden. Ob dieser Klausel kam es zum endgültigen Bruch zwischen dem Präsidium Reisinger und den Verwaltungsräten, die das Gremium daraufhin nicht für eine mögliche Wiederwahl nominierten.
Das Darlehen aus diesem umstrittenen Vertrag wird durch die neue Budgetplanung bereits komplett aufgebraucht. Mit möglichen Forderungen für wohl nötige weitere Darlehen muss sich dann das neue Präsidium um Gernot Mang auseinandersetzen, sofern es am 6. Juli bei der Mitgliederversammlung gewählt wird. Man darf davon ausgehen, dass der Verwaltungsrat bei der Auswahl der Präsidiumskandidaten nachgefragt hat, wie sie in einer solchen Situation handeln würden.
Grundsätzlich hat der e.V. selbstredend ein Mittel, eine Budgeterhöhung durch den investorendominierten Aufsichtsrat zu verhindern – das ist zur Wahrung der 50+1-Regel, die den Stammvereinen die Hoheit in deutschen Fußballklubs sichert, schließlich nötig: Per Weisung kann das Präsidium den Geschäftsführer zur Einhaltung eines festgelegten Budgets verpflichten. Es erfolgte allerdings keine rechtzeitige Weisung – wobei sich die Verwaltungsräte und maßgebliche Teile der aktiven Vereinsmitglieder eine solche gewünscht hätten. Kurzfristig wäre sie dann auch nicht mehr sinnvoll gewesen, schließlich fußten die Kaderplanungen von Geschäftsführer Christian Werner längst auf der Aussicht, dass der Aufsichtsrat die Budgeterhöhung genehmigen würde. Und ein unausgegorener Kader kann in niemandes Interesse sein – auch nicht im Interesse des Stammvereins. Also herrscht jetzt Euphorie bei den Löwenfans, wenn auch Euphorie zu einem hohen Preis.