TSV 1860 München: Der Knoten scheint gelöst – Sport

Selbstverständlich taugt der Verein TSV 1860 München auch für eine mehrteilige TV-Dokumentation, diese hat jetzt das Bayerische Fernsehen angekündigt. Sie startet am 25. Oktober, trägt den Titel „Rise & Fall of 1860 München“ und geht in der Geschichte weit zurück, mindestens bis in die Wildmoser-Jahre. In der Real-Life-Soap namens 1860 München freilich wären viele froh, wenn es mal wieder einen „rise“ gäbe. Eine ganze Staffel (Englisch: season) ohne jegliche Happy Ends machen selbst die eingefleischtesten Löwen-Fans irgendwann nicht mehr mit.

Jetzt haben sie mal wieder einen engagiert, dem sie selbst nach fünf Arbeitstagen noch einen Aufwärtstrend zutrauen, weil er einen guten Eindruck macht. Markus Kauczinski hat am vergangenen Montag zum ersten Mal das Training angeleitet. Spieler wurden im Laufe der Woche lachend auf dem Trainingsplatz gesehen (einige haben sogar Fangen gespielt!). Der 55-jährige Trainer hat eine gewisse Lockerheit mitgebracht, ohne dass der Spaß dabei im Vordergrund steht. Er führt die Mannschaft zumindest jetzt noch mit einer Gelassenheit, die seinen Vorgängern oft fehlte. Einmal, ganz kurz, klang er sogar wie ein wunderheilender Handaufleger, denn er hatte gemerkt, dass sich im Freitagstraining in der Mannschaft „etwas gelöst“ hatte, irgendein Knoten wohl, eine Altlast, die sie mit sich herumgeschleppt hatten.

Nun erwarten die Sechziger am Sonntagnachmittag (16.30 Uhr, Grünwalder Stadion) niemand geringeren als den Tabellenführer MSV Duisburg. Kauczinski bezeichnet den Gegner ohne Umschweife als „das Team der Stunde. Was sie sich zurechtgelegt haben, das ziehen sie komplett durch“. Das müsse „einfach Bock machen, selber komplett durchzuziehen“. Fragen nach der Taktik nimmt Kauczinski geduldig entgegen, doch je länger er spricht, umso mehr löst er einen anderen gedanklichen Knoten: Die ständige Frage, ob nun ein 3-5-2-1-System oder doch eher ein 4-4-2 besser ist, um wieder erfolgreich zu sein, habe die ganze Zeit nur Symptome behandelt, nicht aber den Kern des Problems. Vor allem dann nicht, findet Kauczinski, wenn so viel individuelle Qualität im Kader steckt.

Im Training lässt Kauczinski eine Drohne aufsteigen, um eine weitere Perspektive zu bekommen

Zwar sind einige Spieler noch verletzt. Kapitän Jesper Verlaat fehlt weiterhin, Morris Schröter und Kilian Jakob ebenso. Trotzdem hat Kauczinski in dem Moment, in dem er eine Mannschaft mit einem großen Kader übernimmt, seinerseits natürlich viele taktische Möglichkeiten, er kann die Karten völlig neu mischen. So kündigt er für Sonntag auch personelle Überraschungen an, ohne ins Detail zu gehen. Ob Kevin Volland nach der Heilung seiner Fleischwunde schon wieder spielen kann, ließ er offen. „Er hat zum Ende der Woche das Pensum gesteigert“, sagt Kauczinski, möglicherweise entscheide man erst am Spieltag, ob er zum Einsatz kommen kann.

Den Junioren-Nationalspieler Sean Dulic hebt er noch heraus. Ansonsten erweckt Kauczinski den Eindruck, dass alle Spieler im Kader ungefähr gleich gute Chancen hätten, spielen zu dürfen. Wer auch immer spielen wird: Wie viel seiner Inhalte die Mannschaft schon umsetzen kann, muss sie am Sonntag gegen einen noch ungeschlagenen Gegner zeigen. Unterdessen scheint der Trainer aber auch die nötige Gelassenheit mitzubringen, um das Münchner Daily-Soap-Publikum bedienen zu können.

Große Aufmerksamkeit hatte es für eine Drohne gegeben, die Kauczinski an der Grünwalder Straße aufsteigen ließ, um eine weitere Perspektive auf das Training zu haben („das habe ich in Wiesbaden schon gemacht“). Auch sei es amüsant, wenn ihn jeden Tag ein anderer Weggefährte aus der Zeitung anlächele und darüber erzähle, dass er, Kauczinski, wohl der richtige Mann am richtigen Ort sei. „Ist ja auch cool“, findet er, fügt aber mit einem Lächeln hinzu: „Aber irgendwann ist auch mal gut.“ Ab der kommenden Woche kann man sich sicherlich auch wieder mehr über Fußball unterhalten.